Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Protest gegen Atommüllager Asse: Ein Brei aus Behälterresten und …
> 600 Menschen versammeln sich zu Kundgebung am Atommülllager Asse.
> Aktivisten erklettern Förderturm. Anwohner drängen auf schnelle
> Rückholung der Abfälle.
Bild: Der Rhythmus des Protests: Die Musikgruppe Sambattac demonstriert Trommel…
REMLINGEN taz | Die angekündigte Kürbissuppe gibt es nicht. Doch sonst ist
alles bestens vorbereitet, um die Demonstranten am Atommülllager Asse bei
nasskaltem Wetter warm und bei Laune zu halten: An einem Stand bieten
Frauen heißen Tee, Glühwein, Kinderpunsch und selbst gebackene Kekse mit
dem "Asse-A" an. Am Straßenrand steht eine Feuertonne zum Händewärmen. Ein
paar Jugendliche verteilen Fackeln und Wunderkerzen zur Illuminierung.
Rund 600 Anwohner aus den umliegenden Dörfern - viel mehr als erwartet -
sind am späten Silvester-Nachmittag dem Aufruf von Bürgerinitiativen zur
Kundgebung am Asse-Schacht gefolgt. Sie wurden durch die Meldungen der
vergangenen Tage aufgeschreckt, wonach die angekündigte Rückholung der
radioaktiven Abfälle aus dem Bergwerk abgeblasen werden könnte, bevor sie
begonnen hat.
Seit 2009 trägt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Verantwortung
für das marode Bergwerk, in dem rund 126.000 Fässer mit Atommüll lagern.
Ein Jahr später präsentierte die Behörde nach einem Vergleich von Varianten
die Bergung der Abfälle als einzig sichere Möglichkeit für die Sanierung
der Asse. Vor wenigen Tagen wurde ein interner Vermerk aus der Behörde
bekannt, in dem BfS-Experten die Rückholung aus Zeitgründen als
unwahrscheinlich einschätzen - die Grube droht innerhalb weniger Jahrzehnte
einzustürzen und voll Wasser zu laufen. Auch Niedersachsens Umweltminister
Hans-Heinrich Sander (FDP) bezeichnete eine Rückholung als unwahrscheinlich
und verlangte einen raschen Verschluss des Bergwerks.
Am versperrten Tor zum Schachtgelände haben Aktivisten am Samstag
Transparente aufgehängt. "Die Asse bringt es an den Tag - die Endlagerung
ist gescheitert", steht auf einem. "Mit der Rückholung jetzt anfangen",
lautet die Forderung auf einem anderen. Vor dem Zaun sorgen die Trommler
der Gruppe Sambattac für Stimmung. Der Beifall für die Band ebbt gerade ab,
als vier Leute mit weißen Helmen und grünen "Robin Wood"-Westen über die
Umzäunung springen und auf den stählernen Förderturm zurennen, der das
Areal wie ein Wahrzeichen überragt. Einige Werkschützer und Polizisten
hasten hinterher. Sie bekommen die Umweltschützer aber nicht mehr zu
fassen.
Unter dem Jubel und den Anfeuerungsrufen der Demonstranten klettern die
Aktivisten das Gerüst hinauf. Oben angekommen, entrollen sie ein riesiges
Banner: "Auslaufmodell Asse. Rückholung sofort. Raus kommt es - so oder
so".
"Sowohl das Bundesumweltministerium als auch das niedersächsische
Umweltministerium hintertreiben die Rückholung des Atommülls", behauptet
Udo Sorgatz, einer der "Robin Wood"-Kletterer. "Unter dem Vorwand der
Gründlichkeit werden immer neue Auflagen erteilt und der Prozess im
bürokratischen Schneckentempo betrieben. Da muss doch der Eindruck
entstehen, dass einige hoffen, dass die Asse rechtzeitig vor der Bergung
des Atommülls absäuft und sich das Problem von allein erledigt."
Der Bau des zweiten Förderturms etwa verzögere sich immer weiter, weil er
womöglich in einem Naturschutzgebiet errichtet werden müsse. "Aber was
nützt es den eventuell betroffenen Tieren und Pflanzen, wenn sie
stattdessen in einigen Jahrzehnten atomar verseucht werden, weil die Asse
abgesoffen ist und kontaminierte Salzlauge ausgepresst wird?"
Unten am Mikrofon schlägt Heike Wiegel, Sprecherin der Initiative
"Aufpassen" und eine Veteranin des Asse-Widerstandes, in dieselbe Kerbe. In
allen beteiligten Ministerien und Behörden gebe es starke Fraktionen, die
keine Rückholung des Atommülls wollten. Dabei biete nur die Bergung der
Fässer die Chance, dass die Radioaktivität aus den teils korrodierten
Fässern nicht mit der Umwelt in Kontakt komme. "Den Atommüll zu vergraben
und zu vergessen, ist keine Lösung", ruft Wiegel.
Eine Verfüllung oder Flutung des Bergwerks dürfe es nicht geben. 102 Tonnen
radioaktives Uran, 87 Tonnen strahlendes Thorium, 28 Kilogramm Plutonium,
500 Kilogramm hochgiftiges Arsen: "Solche Stoffe dürfen niemals ins
Grundwasser gelangen!", ruft Wiegel. An technische Schwierigkeiten beim
probeweisen Anbohren von verschlossenen Atommüllkammern, wie sie von
einigen Experten ins Feld geführt werden, mag Wiegel nicht recht glauben.
"Wir fliegen zum Mond", sagt sie. "Da sollen wir keine Löcher bohren
können?"
Udo Dettmann vom Asse-2-Koordinationskreis, einer Art Dachverband der
örtlichen Bürgerinitiativen, attestiert den Gegnern einer Rückholung gutes
Timing. Sie hätten die ruhige Zeit vor Weihnachen dazu genutzt, ihre
Vorstellungen "unter Vorgaukeln einer Gefahrenlage" an die Öffentlichkeit
zu bringen.
Doch wenn man die rund 126.000 Fässer nicht zurückhole, werde sich "ein
Brei aus Atommüll, chemotoxischen Abfällen, Behälterresten und Salz"
bilden. Das Grundwasser in der Region bis hin zu Weser und Elbe könnte
kontaminiert werden, sagt Dettmann. "Das ist nicht hinzunehmen." Anfang
Januar soll sich nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz ein
Expertentreffen mit der Frage befassen, ob und wie es mit der Rückholung
weitergeht.
1 Jan 2012
## AUTOREN
Reimar Paul
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.