# taz.de -- Neue Solidarität mit Dänemark: Der Spalter als Brückenbauer | |
> Das schwarze Schaf Dänemark wird von der EU nun als Vorbild gelobt. | |
> Tatsächlich hat sich einiges geändert: EU-Begeisterung gehört jedoch | |
> nicht dazu. | |
Bild: Im Sommer 2011 bedrohte Däemark noch das Schengen-Abkommen, jetzt steht … | |
Dänemark und die EU, eine ganz neue Liebesbeziehung? Man könnte es meinen. | |
Die EU-Kommission, die gerade noch – weniger als ein halbes Jahr ist es her | |
– Kopenhagen wegen der wiedereingeführten Grenzkontrollen in Grund und | |
Boden verdammte und mit dem Gang vor den Europäischen Gerichtshof drohte, | |
schüttet nun eimerweise Lob aus: "Wir brauchen diese typisch dänischen | |
Eigenschaften. Wir haben einen Bedarf für Einheit und Solidarität", | |
erklärte Kommissionspräsident Manuel Barroso am Montag gegenüber der | |
Tageszeitung Jyllands Posten. | |
"Brückenbauer" in einer auseinanderdriftenden EU ist für Barroso plötzlich | |
das Land, das die Gemeinschaft in der Vergangenheit mit seinen | |
Volksabstimmungen spaltete und sich damit eine Ausnahme nach der anderen | |
vom Gemeinschaftsrecht erstritt – darunter den Nichtbeitritt zur | |
Währungsunion. | |
Dänemark, für das innenpolitische Rücksichtnahme im Zweifel immer schwerer | |
wog als europapolitische Verpflichtungen, wird nun vom | |
Kommissionspräsidenten "für seine pragmatische, mehr auf Resultate zielende | |
Einstellung" als vorbildhaft beschrieben. Und das Land, in dem | |
Ausländerfeindlichkeit und Islamophobie Teil der Regierungspolitik waren, | |
verspricht in den kommenden Monaten sein Bestes zu tun, der Türkei den Weg | |
in die EU zu ebnen. | |
## Dänemark-Bild umgekrempelt | |
Wenn die routinemäßige dänische Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2012 | |
nicht von vornherein zur Peinlichkeit verkommt, haben Kopenhagen und die EU | |
das der Mehrheit der dänischen WählerInnen zu verdanken. Die im Herbst | |
einem Jahrzehnt der Abfolge rechtsliberal-konservativer | |
Regierungskoalitionen am Gängelband der rechtspopulistischen und | |
EU-feindlichen "Dänischen Volkspartei" ein Ende bereiteten. Gerade noch | |
rechtzeitig. | |
Das "neue" rot-rot-grüne Dänemark sitzt in Gestalt der sozialdemokratisch | |
geführten Regierung von Helle Thorning-Schmidt zwar kaum mehr als die | |
symbolischen 100 Tage im Amt, scheint das Dänemark-Bild bei den | |
europäischen Nachbarn aber schon regelrecht umgekrempelt zu haben. | |
Die Lobhudeleien muss man allerdings mit einer kräftigen Prise Salz | |
genießen. Daran vergessen dänische Medienkommentare nicht ihre LeserInnen | |
zu erinnern. Denn in Wirklichkeit wolle Brüssel ja nur, dass Kopenhagen | |
sich nicht in die "Merkozy"-Versuche zur Euro-"Rettung" einmische und für | |
Ruhe auf dem Flügel der kleinen Mitgliedstaaten und der Nicht-Euroländer | |
sorgen solle. | |
Und auch die EU-skeptischen DänInnen sind natürlich nicht über Nacht zu | |
Brüssel-Fans geworden, nur weil die selbstzufriedenen Nationalisten im | |
Parlament jetzt in der Opposition sitzen. Im Gegenteil könnte die | |
Führungsrolle Deutschlands alte Ängste wieder neu beleben. | |
Was sich in Dänemark aber offensichtlich geändert hat, ist neben der | |
faktischen Ausrichtung der Ausländerpolitik das gesellschaftliche | |
Toleranzniveau beim Umgang mit rassistischer Rhetorik. Das musste gerade in | |
diesen Tagen der linksliberale Kultusminister Uffe Elbæk erfahren. | |
Der meinte in der Debatte um Rassismus im Sport dem Trainer der dänischen | |
Herrennationalelf Morten Olsen beipflichten zu müssen: Anders als im | |
Amateursport sollten Profisportler bei der Ausübung ihres Berufs ein | |
gewisses Toleranzniveau mitbringen, was rassistische und homophobe | |
Äußerungen seitens ihrer Berufskollegen angehe. "Auch an anderen | |
Arbeitsplätzen gibt es ja eine Toleranz dafür, wenn jemand etwas Dummes | |
sagt und sich danach entschuldigt", meinte Elbæk. | |
## Keine Toleranz für Rassismus | |
Die Bemerkung eines Kabinettsmitglieds, die vermutlich vor einem halben | |
Jahr kaum ein Achselzucken ausgelöst hätte, wurde nun allseits sofort | |
scharf kritisiert. | |
"Hier wird ein völlig falsches Signal gegeben", tönte es selbst seitens der | |
oppositionellen Rechtsliberalen, denen offen rassistische Bemerkungen | |
früher wenig Bauchschmerzen zu bereiten schienen, wenn sie von ihrem | |
Bündnispartner "Dänische Volkspartei" kamen. Die ihrerseits freute sich - | |
zu früh – über einen Minister, der "mit beiden Beinen auf der Erde steht" | |
und "nicht zu den blauäugigen Fanatikern der Menschenrechtskonvention" | |
gehöre. | |
Der Minister schob schnell alles auf eine "Fehlinterpretation" einer | |
Interviewbemerkung: Natürlich dürfe es keinerlei Toleranz für Rassismus | |
geben. | |
5 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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