# taz.de -- Vögelzählen in Berlin: "Das ist 'citizen science' " | |
> Hobbyornithologen sind aufgerufen, bei der "Stunde der Wintervögel" die | |
> Vögel Berlins zu zählen. Mitmachen kann jeder Interessierte, sagt Anja | |
> Sorges vom Nabu. | |
Bild: Überflieger aller Berliner Wintervögel: der Haussperling. | |
taz: Frau Sorges, am Wochenende findet zum zweiten Mal die "Stunde der | |
Wintervögel" statt. Welche Vögel sind nach der letztjährigen | |
Wintervogelzählung in Berlin am weitesten verbreitet? | |
Anja Sorges: Auf Platz eins steht der Haussperling, der hier 7.100-mal | |
gesichtet wurde. Dicht gefolgt von der Kohlmeise (5.600) und der Amsel | |
(3.600). Aber auch Elstern und Nebelkrähen sind weit verbreitet. | |
Sind auch Exoten gesichtet worden, also Vögel, die man in Berlin eher nicht | |
vermutet hätte? | |
Exoten eher nicht. Allerdings wurde der Seidenschwanz mehrfach beobachtet. | |
Ein sehr farbenfroher Vogel, der nur im Winter, aus dem nördlichen | |
Skandinavien kommend, in die Region zieht und sich von den anderen Arten | |
deutlich abhebt. | |
Warum wird im Januar überhaupt eine Zählung vorgenommen? | |
Wir erheben die Zahlen nicht nur im Winter. Im Sommer veranstalten wir | |
zusätzlich die "Stunde der Gartenvögel". Der Nabu lässt die Vogelpopulation | |
also zweimal im Jahr zählen. Wir haben in Berlin einige Wintergäste, andere | |
Vögel ziehen wieder weg. Mit der Auswertung der beiden Zählungen können wir | |
somit Rückschlüsse auf die unterschiedliche Artenzusammensetzung ziehen. | |
Außerdem kann grob eingeschätzt werden, wie sich die Populationsgröße | |
entwickelt hat. | |
Dieser Winter ist vergleichsweise mild. Rechnen Sie im Vergleich zum | |
letzten Jahr, als deutschlandweit 2,6 Millionen Vögel gemeldet wurden, mit | |
veränderten Populationen? | |
Das ist schwer vorauszusagen. In Berlin haben wir ohnehin einen sehr | |
starken Schwankungsbereich, da können wir keine klare Tendenz erkennen und | |
sagen, es wird dahin gehen oder dorthin. Meine bayerischen Kollegen | |
berichten allerdings, dass in diesem Jahr vermehrt Vögel in der Region | |
bleiben und nicht weiterziehen. Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse. | |
Ist denn die Artenzusammensetzung in einem Bezirk mit vielen Grünflächen | |
anders als in einem mit verstärkter städtischer Bebauung? | |
In grünen Bezirken gibt es mit Sicherheit eine größere Artenvielfalt. Im | |
Winter wollen sich die Vögel vor allem vor den Witterungsbedingungen | |
verstecken, am liebsten im Buschwerk. Wo diese Strukturen vorherrschen, | |
sind auch die meisten Vögel. Beispielsweise gehen die Niststätten des | |
Haussperlings durch Fassadensanierungen oftmals verloren. In München werden | |
mittlerweile Schutzprogramme für Haussperlinge durchgeführt. Ganz so weit | |
ist es in Berlin noch nicht, aber wir sehen diese Entwicklung natürlich mit | |
Besorgnis. | |
Die "Stunde der Wintervögel" ist ein Mitmachprojekt. Wer kann an der | |
Zählung teilnehmen? | |
Jeder, der Interesse an der Vogelbeobachtung hat, kann an der Zählung | |
teilnehmen. Wer sich Tipps holen möchte, der geht einfach auf unsere | |
Homepage und findet dort Abbildungen der zehn häufigsten Vogelarten und | |
auch eine Zählhilfe. Damit kommen auch begeisterte Laien mühelos zurecht. | |
Oder man nimmt an einem der vier Winterspaziergänge in Berlin teil, wo | |
unter fachkundiger Anleitung die Vögel beobachtet und gezählt werden. Die | |
Zählhilfen gibt es als Download oder auch in der Geschäftsstelle des Nabu | |
Berlin. | |
Gibt es besondere Voraussetzungen für die Teilnahme? | |
Überhaupt nicht. Die Zählaktion steht in bester Tradition der sogenannten | |
"citizen science", die vor allem in Großbritannien bei Vogelfreunden weit | |
verbreitet ist. Vom Laien bis zum promovierten Ornithologen ist dann dort | |
die halbe Bevölkerung auf den Beinen. Und - wie gesagt - wer sich unsicher | |
ist, aber mitmachen möchte, der ist mit Zählhilfe oder bei den Wanderungen | |
gut aufgehoben. | |
Sind bestimmte Orte für die Zählung besonders geeignet, oder kann ich | |
überall in der Stadt zählen? | |
Das bleibt ganz dem eigenen Interesse überlassen. Ob am Futterhäuschen, im | |
Park, am Fluss- oder Seeufer, während eines Spaziergangs oder auf dem | |
heimischen Balkon ist vollkommen egal. Man sollte sich einfach einen Platz | |
nehmen, von dem aus man gut beobachten kann. Dann notiert man sich von | |
jeder Art die höchste Zahl, die man im Laufe einer Stunde gleichzeitig | |
beobachten kann. | |
Wie zähle ich denn überhaupt, damit es nicht zu Doppelungen kommt? | |
Wenn man sich an die Regel hält, dass innerhalb einer Stunde von jeder Art | |
die höchste beobachtete Zahl gemeldet wird, können Doppelzählungen | |
vermieden werden. Denn es ist ziemlich sicher, dass, wenn man sich an einem | |
festen Ort befindet und seine Beobachtungen auf diesen Ort konzentriert, | |
innerhalb einer Stunde die Individuen der einzelnen Arten sich nicht | |
großartig durchmischen. | |
Wann werden die Ergebnisse vom Nabu veröffentlicht? | |
Bis zum 16. Januar werden die Ergebnisse zusammengetragen. Die Auswertung | |
geht dann sofort los und sollte Ende Januar eigentlich abgeschlossen sein. | |
Die Ergebnisse erfährt man natürlich auf unserer Internetseite. | |
6 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Schuldt | |
## TAGS | |
Vögel | |
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