| # taz.de -- Meryl Streep als Margaret Thatcher: Die einsame Lady auf der Gender… | |
| > "The Iron Lady" bringt ein linkes Publikum dazu, Margaret Thatcher zu | |
| > lieben. Doch eigentlich lässt er vor allem eine vermeintlich gut | |
| > dastehen: die konservative Regierung. | |
| Bild: Kühner Schachzug: Eine umstrittene politische Persönlichkeit wie Margar… | |
| In der vergangenen Woche wurden die Besprechungen zum Kinostart von "The | |
| Iron Lady" immer nervöser. Die Briten hatten keine Angst vor dieser | |
| Premiere, doch sie waren verunsichert, denn sie steckten in einer | |
| moralischen Zwickmühle: Alles Britische, was auf den Markt kommt, wird | |
| bedingungslos gefeiert und in Superlative gehüllt. Doch wie enthusiastisch | |
| kann man einen Film über Margaret Thatcher bejubeln? Die Situation, in der | |
| das Land sich derzeit befindet, hat nicht zuletzt auch mit den | |
| marktradikalen Reformen und frühen Privatisierungen der damaligen | |
| konservativen Premierministerin zu tun. | |
| Nun läuft der Film auf britischen Leinwänden (in Deutschland ist er ab 1. | |
| März zu sehen), und viele Linke gruseln sich. Viele Konservative übrigens | |
| auch, denn sie können vor allem die Szenen kaum ertragen, in denen der Film | |
| ihre Heldin als gebrechliche, von Alzheimer gezeichnete alte Frau zeigt. | |
| Dabei sind diese Szenen eines der entscheidenden Vehikel, um selbst | |
| Thatcher-Hasser von Anfang an geschickt um den Finger zu wickeln: Sie | |
| versinken ungewollt in Mitleid, und die konservativen Blätter wie der | |
| Evening Standard brechen in schadenfrohes Gelächter aus. | |
| Der Film, unter der Regie von Phyllida Law, ist im Grunde eine Gemeinheit, | |
| da er wie eine atemberaubende Gender-Geschichte erzählt wird, mit Margaret | |
| Thatcher als furchtloser, ehrlich erzogener Pionierin in verqualmter | |
| Altmänner-Politik. Der kühnste Schachzug ist, eine derart umstrittene | |
| politische Persönlichkeit ausgerechnet mit der wohl am bedingungslosesten | |
| verehrten Schauspielikone Hollywoods zu besetzen. Meryl ist Maggie, Maggie | |
| ist Meryl, und indem beide, dank des unglaublichen Auftritts von Meryl | |
| Streep, komplett verschmelzen, kommt man nicht umhin, die legendäre | |
| Premierministerin von Szene eins an ein kleines bisschen zu bewundern. | |
| Aus dem Negativimage der eisernen Lady, das nach einer halben Stunde | |
| Laufzeit überhaupt erst dezent aufflammt, lässt der Film konsequent nach | |
| jeder Szene wieder die Luft heraus: Wenn sie Kollegen vor versammelter | |
| Mannschaft erniedrigt oder kommandantinnenhaft in den Krieg um die | |
| Falklandinseln zieht, sitzt Thatcher nach ihren knallharten Taten und | |
| Entscheidungen allein, mit dicken Tränen in den Augen. Eiserne Schale, aber | |
| weiches Frauenherz! | |
| ## Emotionaler Drahtseilakt | |
| "The Iron Lady" ist ein emotionaler Drahtseilakt, mit der "Frauen sind eben | |
| emotionaler"-Karte als Trumpf, durch den dieser Film überhaupt erst | |
| umsetzbar zu sein scheint: Man erwischt sich dabei, wie man über Thatcher | |
| lacht und sogar schluchzen muss, als sie, allein und verwirrt, ihren längst | |
| verstorbenen Mann als ihre permanente Halluzination aus ihrem Leben | |
| verabschiedet. | |
| Der Film rettet sich auf die Gender-Spur, und man hat den Eindruck, ganz | |
| England ist ihm dankbar dafür. Immer, wenn es unangenehm wird, sieht man | |
| Thatcher als heroische Mutter Courage, die den machthungrigen, schwachen | |
| Männern im Parlament die Arbeit abnimmt. Macht das den Falklandkrieg | |
| weniger sinnlos, nur weil sie ihn als eine Frau geführt hat? | |
| Britische Medien wie der Observer springen seit der Premiere dankbar auf | |
| das dargebotene Gender-Thema. Das Blatt stellt "Das neue Gesicht des | |
| Tory-Feminismus" vor, junge Frauen der Konservativen, stylisch in | |
| Designerroben fotografiert, im Hintergrund Thatcher in Öl verewigt wie die | |
| Überfeministin. | |
| Dabei lässt diese nun durch den Film aufkommende Geschlechterdebatte vor | |
| allem eine vermeintlich gut dastehen – die konservative Regierung. Ganz | |
| nach dem Motto: Sie sind modern, weitsichtig und haben schon vor Jahren | |
| gewusst, dass Frauen die besseren Politiker sind. | |
| 11 Jan 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Julia Grosse | |
| ## TAGS | |
| Thatcher | |
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