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# taz.de -- Gefährliches Unkrautvernichtungsmittel: Der Tod des Gärtners
> Ein Stadtgärtner arbeitete mit einem gefährlichen Mittel zur
> Unkrautvernichtung vom Großkonzern Monsanto. Plötzlich fiel er tot um.
> Die Ursache ist bis heute ungeklärt.
Bild: "Killer" steht ja sogar auf der US-Verpackung: das Unkrautmittel Roundup.
BERLIN taz | Petritorwall in Braunschweig. Es ist der 20. Juli 2011, ein
heißer Sommertag. Thomas Basting, ein erfahrener Gärtner und seit
Jahrzehnten Angestellter der Stadt Braunschweig, sitzt in seinem kleinen
Bus und sprüht den Unkrautkiller Roundup der Firma Monsanto auf den
umliegenden Rasen. Basting ist 50 Jahre, sportlich, viel an der frischen
Luft, durchtrainiert und gesund.
Das Mittel lagert er in Kanistern auf der Rückbank. Es gilt als giftig und
besonders wirkungsvoll. Ab Mittag geht Basting nicht ans Handy, auch vom
Feierabend kehrt er nicht zurück. Die Kollegen müssen ihn suchen. Sie
finden ihn leblos hinterm Lenkrad. Der herbeigerufene Notarzt kann nicht
mehr helfen. Thomas Basting ist tot.
Das Unkrautvernichtungsmittel auf seiner Rückbank steht schon länger in der
Kritik. Es enthält Glyphosat, das, vermischt mit dem Zusatzstoff
Tallowamin, auch für den Menschen sehr schädlich sein soll. Einer 2009
veröffentlichten Studien der nordfranzösischen Universität Caen zufolge
tötet dieses Gemisch Zellen von Nabelschnurvenen in der Petrischale binnen
24 Stunden.
Verbraucherschützer und Politiker schlagen schon seit Jahren Alarm.
Nordrhein-Westfalens Agrarminister Johannes Remmel (Grüne) möchte Roundup
so schnell wie möglich aus dem Verkehr ziehen. Laut dem Pestizid
Aktions-Netzwerks (PAN) verletze Monsanto mit dem Mittel schwerwiegend
Menschenrechte.
## Kopfschmerzen und tränende Augen
Doch gibt es einen Zusammenhang zwischen Bastings Tod und Roundup? Im
Totenschein kreuzte der Arzt "Todesart ungeklärt" an und unterstrich dies
mehrfach. Er schließt einen Zusammenhang zwischen dem
Unkrautvernichtungsmittel und dem plötzlichen Tod auch heute nicht aus.
Die Kriminalpolizei ermittelte und kam schnell zu dem Schluss, dass Basting
einen akuten Herzinfarkt erlitten habe. Von dem Unkrautvernichtungsmittel
Roundup ist im Todesermittlungsbericht nichts zu lesen. Vielmehr soll der
Gärtner vor seinem Tod über Druckschmerzen in der Brust geklagt haben,
starker Raucher gewesen sein und keinen Hausarzt gehabt haben. So steht es
in dem Bericht – der anscheinend aber nicht fehlerfrei ist.
"Das stimmt alles nicht. Mein Mann ließ sich regelmäßig untersuchen", sagt
die Witwe Susanne Basting unter Tränen der taz. Er habe kurz vor seinem Tod
über Kopfschmerzen und tränende Augen geklagt. Geraucht habe er nicht
stark. Sie möchte endlich wissen, warum ihr Mann ums Leben kam.
Die Hausärztin des verstorbenen Gärtners, Friederike Speitling, ist
entsetzt. "Hier ist ein gesunder Mensch gestorben. Es bestanden keine
Risikofaktoren für einen Herzinfarkt. Plötzliche Todesfälle beim Umgang mit
hochtoxischen Substanzen müssten besonders untersucht werden", sagte
Speitling. Sie schrieb dem zuständigen Kriminalbeamten in Braunschweig
einen Brief, bat um weitere Aufklärung und erhielt bis heute keine Antwort.
## Widerspruch eingelegt
Weder die Braunschweiger Polizei noch die Vorgesetzten von Thomas Basting
wollten sich gegenüber der taz zu dem tragischen Todesfall äußern. Aus der
Pressestelle der Stadt Braunschweig hieß es, dass der sehr erfahrene
Gärtner berechtigt gewesen sein soll, Roundup auszubringen und um die
Gefahren beim Umgang mit diesem Mittel wusste.
Auch das bestreitet Susanne Basting. Ihr Mann sei über die Gefahren nicht
aufgeklärt worden. Deswegen habe er sich nicht ausreichend mit Brille und
Handschuhen geschützt. Die Witwe bleibt nun mit zwei Kindern allein zurück.
Von den Arbeitskollegen ihres Mannes fühlt sie sich gemieden und verlassen.
Klaus Ziehe von der Oberstaatsanwaltschaft Braunschweig versicherte, es
könne ein Suizid oder ein Fremdverschulden ausgeschlossen werden. Darum sei
die Akte geschlossen und der Beerdigung zugestimmt worden. "Es wäre aber
für die Angehörigen besser gewesen, wenn die Todesursache hätte ermittelt
werden können", fügt er hinzu. Doch dafür sei die Staatsanwaltschaft nicht
zuständig, hieß es abschließend.
Susanne Basting hingegen möchte endlich Aufklärung. Sie hat gegen den
Beschluss Widerspruch eingelegt und Monsanto verklagt.
12 Jan 2012
## AUTOREN
Christian Gehrke
## TAGS
Kühe
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