# taz.de -- Fraktionsklausur der Grünen: Kollektive Selbstbeschwörung | |
> Die Grünen geben sich nach ihrer Fraktionsklausur demonstrativ | |
> siegesgewiss. Doch damit überspielen sie den wachsenden Zweifel, ob es | |
> 2013 für Rot-Grün reicht. | |
Bild: Überspielen die Unsicherheit: Die grünen Fraktionsvorsitzenden im winte… | |
WEIMAR taz | Es sind Sätze, die vor Siegesgewissheit strotzen. "2012 ist | |
für uns das Vorbereitungsjahr für eine Regierungsübernahme", sagte | |
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. "Wir wollen gestalten und | |
Verantwortung übernehmen." Künast und ihr Kollege Jürgen Trittin zogen am | |
Freitag eine Bilanz der Fraktionsklausur der Grünen, ihres traditionellen | |
Treffens zu Jahresbeginn. Wenn man ihnen glaubt, ist nur noch die Frage, | |
wann Rot-Grün die Geschäfte übernimmt. Und nicht, ob. | |
Die 68 Abgeordneten verabschiedeten eine "Weimarer Erklärung" mit sieben | |
Schwerpunkten. Auch dieses Papier liest sich wie eine vorweggenommene | |
Regierungserklärung. Schwarz-Gelb wolle "auch noch den Anschein des | |
Regierens einstellen", heißt es etwa. Dann folgen Sätze wie: Grün sei stark | |
wie nie. Das Land wolle den Wechsel. Kein Weg gehe an Grün vorbei. | |
Fast scheint es, als wollten die Grünen ihre Zweifel mit aller Macht | |
überspielen. Denn im Moment sieht es keinesfalls so aus, als sei Rot-Grün | |
2013 quasi ein Naturgesetz. In den Umfragen reicht es kaum für diese | |
Koalition. Die Sozialdemokraten schwächeln, die Piraten können | |
entscheidende Prozentpunkte klauen, die CDU profitiert von der | |
Selbstzerstörung der FDP, dann droht die Rezession. Der Trend geht also zu | |
einer großen Koalition. Die Fraktionsklausur hatte deshalb etwas von einer | |
kollektiven Selbstbeschwörung, denn viele Abgeordnete wissen natürlich, wie | |
knapp es wird. | |
## Eine "neue Beteiligungskultur" | |
Die Grünen-Spitze jedenfalls ist entschlossen, am Ende auf ein Bündnis mit | |
der SPD zu setzen. Renate Künast erneuerte in Weimar noch einmal | |
ungewöhnlich deutlich die Absage an Schwarz-Grün, die die Parteispitze seit | |
dem Wahldebakel in Berlin in unterschiedlicher Tonlage variiert. Dahinter | |
steckt der berechtigte Verdacht, dass Angela Merkel in jedem Fall die SPD | |
den Grünen vorziehen würde, wenn sie wählen kann. | |
Inhaltlich stellen sich die Grünen als seriöse Alternative dar, die | |
Substanzielles zu Europa zu sagen hat und die Staatsfinanzen in den Griff | |
bekommt. Die Klausur fasste zudem bekannte Schwerpunkte zusammen: Der Green | |
New Deal, also der ökologisch-soziale Umbau der Wirtschaft, soll Jobs | |
bringen, Mindestlöhne und Bürgerversicherung die soziale Spaltung der | |
Gesellschaft beheben, Gutverdiener stärker belastet werden. | |
Außerdem kündigten die Grünen an, im Falle einer Regierungsübernahme "eine | |
neue Beteiligungskultur" zu schaffen, etwa bei Planungsverfahren - und dies | |
mit Netzpolitik zusammenzudenken. Eine Arbeitsteilung deutet sich am | |
ehesten bei der Infrastrukturpolitik an. Während die SPD ihre Klientel mit | |
neuen Autobahnen und Brücken zu begeistern sucht, versprechen die Grünen, | |
Straßen zu erhalten statt neu zu bauen. | |
13 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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