# taz.de -- Ein Grüner wirft hin: Prominenz schützt vor Ohrfeigen nicht | |
> Thorsten Fürter, Innen- und Rechtsexperte der Grünen in | |
> Schleswig-Holstein, hat sein Landtagsmandat niedergelegt, weil er die | |
> Abstimmung um die Landeslisten-Plätze verloren hat. | |
Bild: Hat nach Abstimmungsniederlagen keine Lust mehr: Der Grünen-Politiker Th… | |
KIEL taz | In der Halle 400 in Kiel finden Konzerte, Tagungen und manchmal | |
Feiern statt. Am vergangenen Wochenende erhielt hier Thorsten Fürter, 41, | |
eine symbolische Ohrfeige: Dreimal verlor der innen- und rechtspolitische | |
Sprecher der grünen Landtagsfraktion bei den Abstimmungen um einen Platz | |
auf der Landesliste. Nun legt er sein Mandat nieder und scheidet vier | |
Monate vor der Wahl aus dem Parlament aus. Wen die Grünen für seinen Platz | |
nachnominieren, stand am Mittwoch bis Redaktionsschluss noch nicht fest. | |
Nach der ersten Niederlage gegen den 25-jährigen Rasmus Andresen gab sich | |
Fürter noch zuversichtlich, doch dann verlor er eine zweite und dritte | |
Kampfabstimmung und trat nicht erneut an. Anders als die meisten anderen | |
Parteien legen die Grünen keine Liste vor, sondern gestatten allen, zu | |
kandidieren. Männer dürfen sich dabei nur auf Plätze mit geraden Zahlen | |
bewerben, Frauen auf alle, wobei sie sich in der Regel auf die ungeraden | |
beschränken. | |
Das Verfahren sorgt dafür, dass immer wieder Partei-Prominente durchfallen. | |
Von Wahlgang zu Wahlgang schwindet die Hoffnung, die Stimmung drehen zu | |
können, und am Ende verlässt ein Geschlagener den Platz: Angelika Beer, | |
ehemals Bundesvorsitzende und heute Mitglied der Piraten, war so ein Fall, | |
ebenso wie der ehemalige Vorsitzende der Landtagsfraktion in Kiel, | |
Karl-Martin Hentschel. | |
Die Grünen wollen an dem Verfahren nichts ändern: "Wie sollte es anders | |
gehen?", fragt die Landesvorsitzende Eka von Kalben, die sich gegen die | |
ehemalige Vorsitzende Marlies Fritzen einen guten Listenplatz sicherte. | |
"Sicher, als Vorsitzende könnte ich Leute auf einer Liste durchsetzen, aber | |
wäre das besser?" | |
Auch Spitzenkandidat Robert Habeck nennt das Verfahren offen und | |
transparent. Dass es "keinen Geheimklüngel" gebe, zeichne die Partei aus. | |
Und selbst Fürter sieht keine Alternative: "Klüngelrunden passen nicht zur | |
innerparteilichen Demokratie. Die Partei muss sagen können, wenn ihr jemand | |
nicht passt." Offenbar sei zurzeit ein anderer Stil gefragt, als er ihn | |
verkörpere: "Emotionaler, weniger technokratisch." | |
Fürter vertrat die Fraktion unter anderem im HSH-Untersuchungsausschuss und | |
setzt sich für Bürgerrechte ein, etwa beim Datenschutz oder bei der Frage | |
nach der Kennzeichnung von Polizisten bei Demos. Er bewarb sich als | |
Bürgermeister von Lübeck und erhielt knapp 20 Prozent. Mitglied der Grünen | |
will er bleiben: "Das sozialliberale Erbe ist bei den Grünen am besten | |
aufgehoben." | |
Er erhalte viel positive Resonanz, auch nach seinem Entschluss, die | |
Fraktion zu verlassen, so Fürter. Ein schlechtes Gewissen hat er nicht: | |
"Die inhaltliche Arbeit ist getan, neue Gesetzesinitiativen kann man kurz | |
vor der Wahl nicht mehr anschieben. Alle schauen in Richtung Wahlkampf und | |
mögliche Regierungsbeteiligung, da kann ich nicht mehr richtig mitmachen - | |
ich wäre zum Nichtstun verdammt." Am Wahlprogramm hat er noch | |
mitgeschrieben. | |
Fürter arbeitete zuletzt in Hamburg, war aber Mitglied der Richterschaft in | |
Schleswig-Holstein geblieben und hat daher Rückkehrrecht. Er hofft auf eine | |
Position in oder nahe bei Lübeck. | |
Die Grünen dürfen einen Nachrücker stellen - anders als die CDU, die keinen | |
ausscheidenden Abgeordneten ersetzen dürfte. Hintergrund sind | |
Überhangmandate, die CDU und FDP die knappe Mehrheit sichern, deren | |
Zustandekommen aber vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt wurde. "Es | |
gibt Rechtsauffassungen, darunter auch die des wissenschaftlichen Dienstes | |
des Landtages, dass die CDU die ersten drei strittigen Mandate nicht | |
nachbesetzen darf", so Landtagssprecher Carsten Maltzan. Bei den Grünen sei | |
das aber kein Problem. | |
18 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Esther Geisslinger | |
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