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# taz.de -- Proteste im Netz: Sturm auf die Pinnwand
> Digitale Empörung, auch Shitstorm genannt, zeigt sich immer häufiger auch
> auf Facebook. Oft nimmt sie absurde Dimensionen an. Wie gehen Unternehmen
> damit um?
Bild: Was tun, wenn der Sturm aufzieht? Kragen hoch und ausharren!
BERLIN taz | Der Sturm ist vorbei. "Entsetzlich, rassistisch,
geschichtsvergessen" hieß es noch vor wenigen Tagen über das Schlosspark
Theater Berlin. "Vorsintflutlich, ekelhaft" – auch für die ING-DiBa hagelte
es Kritik. Was haben diese beiden Akteure, das Theater und die Bank,
gemeinsam?
Auf ihren Facebook-Profilen tobte seit Anfang Januar ein digitaler
Protesthagel, ein so genannter Shitstorm. Nun ist es aber vorbei damit.
Beide Unternehmen sperrten ihre Pinnwände für weitere Diskussionen. "Wir
haben gerne die Plattform für die Diskussionen bereitgestellt. Um den
Anliegen unserer Kunden und Interessenten wieder mehr Raum zu geben, werden
wir nun neue Posts zu den genannten Themen von der Pinnwand entfernen,"
postete die ING-DiBa.
Deutlichere Worte wählte das Schlosspark Theater: "Nun ist alles zum Thema
gesagt und geschrieben. Deshalb beenden wir auf der SPT-Facebook-Seite die
Diskussion. Alle neuen Beiträge werden gelöscht."
Harsche Worte vonseiten des Theaters, Bauchpinselei bei der Bank.
Entsprechend reagierten auch die Facebook-Nutzer. "Sehr gute Entscheidung",
heißt es auf der ING-Page, neue Provokationen werden ignoriert, sogar
Dankesworte an die DiBa gerichtet. Auf der Theater-Fanpage finden sich
indes keine Kommentare zum Kommentar. Sie wurden, wie angekündigt,
gelöscht.
Auf der ING-DiBa-Fanpage hatten sich Vegetarier über einen [1][Werbespot
der Bank] geärgert, das Schlosspark Theater Berlin musste sich mit
[2][Rassismus-Vorwürfen] befassen. Auch wenn die Ursachen unterschiedlich
sind – die Form des Protests ist dieselbe. Kritische Äußerungen, aggressive
Anschuldigungen und vom Thema abweichende und persönliche Beleidigungen:
Shitstorms sind immer häufiger im Netz zu finden, seit fast jede Firma den
Drang verspürt, sich online zu etablieren.
## Kommunikation auf Augenhöhe?
Facebook, Twitter, Youtube – Netzpräsenz ist heute unabdingbar. Doch
während die Kommunikation auf Youtube eher einseitig verläuft, kann ein
Unternehmen bei Facebook Kundennähe suggerieren. Dadurch besteht die
Möglichkeit, Meinung und Kritik öffentlichkeitswirksam zu äußern. Doch
diese driftet leicht ins Absurde ab – und wird zum Shitstorm. Ernsthafte
Debatten werden selten geführt, [3][Shitstorms mutieren,] wie der Name
schon anmutet, meist innerhalb weniger Posts zur digitalen Schlammschlacht.
"Die Art des Protests ist öffentlicher geworden und damit schwerer zu
kontrollieren", meint Kurt Weichler, Journalist und Professor an der FH
Gelsenkirchen. Auch wenn öffentliche Anteilnahme und Protest kein neues
Phänomen seien, erachtet er die Dynamik der Debatte als neu: "Kommentare im
Netz sind nicht steuerbar und können leicht aus dem Ruder laufen." Gerade
dadurch, dass Kommentare meist folgenlos abgegeben werden könnten,
eskalierten die Diskussionen.
## Stürme abwehren
Wie können Unternehmen mit Shitstorms umgehen? "Ruhe bewahren", rät Paula
Hannemann, Social-Media-Managerin beim WWF. Sie betreute die
Facebook-Fanpage des WWF, als im Juli 2011 ein Online-Orkan über das
Unternehmen hereinbrach. Wegen einer Doku, die sich gegen den WWF richtete,
lief die Fanseite binnen weniger Minuten heiß: Über 20.000 User
hinterließen 700 Wall-Posts und über 15.000 Likes und Comments, in denen
sie den WWF beschuldigten. Das Social-Media-Team war überfordert. Noch nie
zuvor hatte ein solcher Ansturm stattgefunden.
Nachdem der Sturm abgeebbt war, entwickelte Hannemann einen [4][Plan], wie
Unternehmen auf digitale Kritikstürme reagieren können; seither referiert
sie in ganz Deutschland darüber. Vor allem eines hat sie gelernt –
"Diskussionen sind zwecklos", Moderation ist besser. Dazu Offenheit und
Kritikfähigkeit demonstrieren.
Ein Beispiel, welche Folgen Diskussion haben kann, lieferte das Schlosspark
Theater Berlin. Nachdem mehrere Nutzer die Absetzung des Stücks forderten,
reagierte das Theater: "Womit haben Sie denn ein Problem?", fragte es – ein
Kommentar, auf den sofort mehrere Beleidigungen folgten.
## Vorbereitung ist erforderlich
"Wir waren völlig überrascht, als die Welle losbrach", sagt Harald Lachnit
vom Schlosspark Theater Berlin. "Wir wollten reagieren und Kontra geben,
aber nicht mit jedem Einzelnen diskutieren." Es habe eine Stellungnahme von
der Regie gegeben, um die Angriffe abzuwenden. Einige Kommentare seien auch
gelöscht worden.
Das sieht Kurt Weichler kritisch. "Unternehmen müssen klug und souverän
reagieren. Zensur führt nur zu Imageschäden." Wenn man den Sturm laufen
lasse und höchstens moderierend eingreife, so der Professor, werde er schon
von alleine abebben.
Die ING-DiBa hat diese Taktik genutzt. "Wir haben von anderen gelernt, wie
man sich nicht verhalten sollte", sagt Patrick Herwarth von Bittenfeld,
Pressesprecher der Bank. "Wir haben uns der Sache bewusst vorsichtig
genähert." Die Bank hielt sich zurück und bot den Usern ein Forum zum
Debattieren.
Ist das eine Bemühung um Transparenz oder nur gewiefte Zurückhaltung?
Während die meisten User positiv reagierten, gab es auch Spott: Die Bank
mache sich "zum Zaungast" der Diskussion. "Sie gerät kaum in die Kritik und
die Diskutanten haben ihren Spaß."
Nestlé, die Deutsche Bank, Adidas – auch andere Unternehmen haben das
Phänomen des Shitstorms schon erlebt. Bislang blieb es bei einer Mischung
aus ernst gemeinter Kritik und Fragen, vor allem aber handelte es sich um
jede Menge Witze und verbale Ausschreitungen. Welche Form der Shitstorm
auch annimmt, es ist eine Art von Protest, die sich über kurz oder lang
etablieren wird – und darauf müssen sich die Unternehmen einstellen.
20 Jan 2012
## LINKS
[1] /Nowitzki-wirbt-fuer-die-ING-DiBa/!85387/
[2] /Rassismusvorwurf-an-Berliner-Theater/!85507/
[3] /Twittertool-gibt-private-Fotos-weiter/!70533/
[4] http://www.slideshare.net/PaulaHannemann/2011-shitstorm-socialmediakrise10t…
## AUTOREN
Katalina Präkelt
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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