# taz.de -- Nach der Pleite: Schleckers stiller Abgang | |
> Rund 1.300 Angestellte hat die insolvente Drogeriekette Schlecker in der | |
> Region. Die Gewerkschaft Ver.di sieht alle bedroht. | |
Bild: Schlecker-Filialen werden in diesen Tagen immer weniger. | |
In Berlin eine Schlecker-Filiale zu finden gestaltet sich dieser Tage | |
schwierig. Die erste Niederlassung, die der Internet-Kartendienst vermerkt, | |
gibt es schon seit dem 14. Januar nicht mehr. Die nächste ist nur 500 Meter | |
entfernt - leer! Vergebens auch der Gang zu einer dritten Filiale. | |
"Eigentlich sollte der Laden erst Anfang Januar zumachen, die Mitarbeiter | |
haben aber schon vor Weihnachten krankgefeiert", verrät der Besitzer eines | |
benachbarten Ladens. | |
In einer belebten Kreuzberger Straße glückt der vierte Versuch. In der | |
Filiale selbst ist nur ein einziger Kunde, ein älterer Mann, der an der | |
Kasse steht. Er kauft nichts, hält aber der Kassiererin eine Predigt über | |
die Unternehmensfehler und Anton Schlecker: "Das ist ein Verbrecher, drei | |
Milliarden Vermögen hat der gemacht, und jetzt will er zur | |
Unternehmenssanierung nichts zuschießen." | |
Eine junge Frau kommt herein. Sie möchte zwei Packungen Bohnenkaffee | |
kaufen, aber die Kassiererin teilt ihr mit, dass es nur noch eine gebe. | |
"Das ist wirklich schlecht organisiert hier", beschwert sich die Kundin, | |
zahlt und geht. Ein junger Mann kauft zwei Deos. Als ein dritter Kunde | |
einen einzelnen Müsli-Riegel zahlen will und erneut den Monolog des | |
Rentners unterbricht, geht der Senior: "Bis nächste Woche", verabschiedet | |
er sich, "hoffentlich!" | |
Am vergangenen Freitag informierte Schlecker zeitgleich die Medien und alle | |
30.000 Mitarbeiter über die Insolvenz der Firma. Wie viele Filialen wegen | |
Kundenmangel in den vergangenen Monaten im Großraum Berlin bereits | |
schließen mussten, darüber gibt das angeschlagene Familienunternehmen keine | |
Auskunft. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di gibt es in | |
Berlin und Brandenburg noch 260 Schlecker-Filialen, rund 1.300 Angestellte | |
sind hier beschäftigt. "Diese Zahlen sind Ergebnis unserer eigenen | |
Recherchen", sagt Ver.di-Pressesprecher Andreas Splanemann. "Das | |
Unternehmen gibt kaum Daten heraus." | |
Wie viele der mehr als tausend Arbeitsplätze in Berlin und Brandenburg | |
gefährdet sind, ist für Splanemann klar: "Alle." Wie die Insolvenz konkret | |
ablaufen werde, werde sich aber erst in den kommenden Tagen zeigen: | |
Möglich, dass Schlecker einen Sanierungsplan vorlege und einen harten | |
Sparkurs einschlage. Aber derzeit sei noch alles offen: "Es kann auch sein, | |
dass die Gläubiger das nicht akzeptieren. Und das Unternehmen komplett | |
zerschlagen wird." | |
In jedem Fall, ist sich Splanemann sicher, stehen in der Hauptstadt harte | |
Einschnitte an. "Berlin ist ein extrem harter Markt für den Einzelhandel, | |
der Wettbewerb ist gnadenlos." Die Kaufkraft sei nicht hoch, der Wettbewerb | |
werde häufig über den Preis entschieden. Aber die Probleme von Schlecker | |
seien zum Teil auch "hausgemacht". Das Unternehmen habe in den vergangenen | |
Jahren stark expandiert und sich offenbar übernommen. Dann habe 2011 das | |
große Sparen eingesetzt, zahlreiche Filialen wurden geschlossen. Unabhängig | |
von der Insolvenz sei in Kürze die Schließung 30 weiterer Filialen in der | |
Region geplant. Was die Insolvenz für Schlecker in Berlin und Brandenburg | |
bedeuten werde, sei derzeit noch nicht absehbar. Ver.di begleite das | |
Insolvenzverfahren, die Gewerkschaft rät Betroffenen abzuwarten, bis es | |
mehr Informationen gebe. "Aber das wird bundesweit koordiniert, da ist ja | |
nicht nur Berlin betroffen", so Splanemann. | |
Die Schlecker-Mitarbeiterin in der kundenarmen Filiale hat erst spät von | |
der Insolvenz ihres Arbeitgebers erfahren: "Am Freitag hatte ich frei. Ich | |
habe die Neuigkeit aus dem Fernsehen erfahren und bin fast vom Hocker | |
gefallen." Als sie am Samstag in den Laden kam, zeigte ihr eine | |
Mitarbeiterin das Fax, das Schlecker am Freitagnachmittag an alle Filialen | |
bundesweit geschickt hatte. "Da stand, dass der Betrieb für drei Monate | |
weiterlaufen wird." Sie sei angehalten worden, keine Interviews zu geben, | |
sagt sie und kommentiert ihre aktuelle Situation denn auch nur knapp:"Ich | |
schreibe schon Bewerbungen." | |
Der Pressesprecher von Schlecker verteidigt die Kommunikationspolitik: | |
"Anders als per Fax können wir alle 30.000 Mitarbeiter in Deutschland nicht | |
erreichen." Medien und Angestellte hätten außerdem nur zeitgleich | |
informiert werden können. "Bei so vielen Arbeitnehmern können wir die | |
Mitarbeiter nicht vorab benachrichtigen." Die Nachricht würde sofort an die | |
Medien durchsickern. "Lieber geben wir deshalb die Nachricht zeitgleich an | |
die Öffentlichkeit mit hinaus, auch wenn einige Mitarbeiter das Fax | |
übersehen und dann die Nachricht aus dem Fernsehen oder dem Radio | |
erfahren." | |
24 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Goll | |
Juliane Schumacher | |
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