# taz.de -- Flughafen-Bauarbeiten in Kritik: Löhne stürzen ab | |
> Unbezahlte Löhne, miese Arbeitsbedingungen: Immer mehr Bauarbeiter | |
> beschweren sich laut DGB über die Zustände am Flughafen Schönefeld. | |
Bild: Nicht allen von ihnen gefällt's hier: Bauarbeiter am BER | |
Unmenschliche Unterkünfte, illegale Verträge und Firmen, die sich, ohne | |
Lohn zu zahlen, ins Nichts auflösen: Von den Unregelmäßigkeiten auf der | |
Baustelle des Flughafens Schönefeld sind offenbar mehr Arbeiter betroffen | |
als bisher bekannt. Fast täglich kämen neue Beschwerden, berichteten | |
Mitarbeiter des Beratungsbüros der Gewerkschaft am Freitag. Im Dezember | |
hatten sich 40 Ungarn beschwert, weil sie monatelang keinen Lohn erhalten | |
hatten. | |
Laut Ildikó Pallmann vom Projekt Bündnis gegen Menschenhandel des DGB | |
hätten sich nun Arbeiter gemeldet, die im Juli auf der Baustelle | |
beschäftigt gewesen seien, und andere, die erst im Januar nach Berlin | |
gekommen seien. Sie hätten für unterschiedliche Unternehmen gearbeitet. | |
Im Dezember hatten sich zunächst vier ungarische Arbeiter an das DGB-Büro | |
gewandt. Imre K. Tekulics, Facharbeiter für Klimatechnik, war einer von | |
ihnen. Er sei über das Internet angeworben worden, erzählt er am Freitag | |
vor der Presse, 18 Euro Stundenlohn seien dort versprochen worden. "In | |
Berlin wurden wir in eine Wohnung in der Emser Straße in Neukölln gebracht, | |
sechs Leute auf etwa 60 Quadratmetern", so Tekulics. Ab sechs Uhr früh habe | |
er im neuen Terminal gearbeitet, manchmal bis halb neun abends, oft habe er | |
Aufgaben in großer Höhe verrichtet. Statt Lohn habe er nur 20 Euro | |
Taschengeld pro Woche erhalten. | |
Beraterin Pallmann sagt, andere Betroffene hätten von weitaus schlimmeren | |
Bedingungen berichtet. So seien manche in halb verfallene und dreckige | |
Unterkünfte gebracht worden, in denen sie Erbrochenes vom Boden putzen | |
mussten. "Manche Leute mussten wir erst einmal mit Essen versorgen, weil | |
sie so ausgehungert waren", sagte DGB-Bezirksvorsitzende Doro Zinke. Es sei | |
ein "Skandal", dass so etwas bei einem Prestigeprojekt wie dem Flughafen | |
Berlin Brandenburg passieren könne. Dieser gehört zu je einem Drittel dem | |
Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg. | |
Laut der Flughafengesellschaft ist ein Großteil der Bauaufträge an | |
Unternehmen aus der Region vergeben worden. Diese geben die Arbeiten jedoch | |
häufig an Subunternehmen weiter, was die Kontrolle erschwert. Die Verträge, | |
die die Arbeiter unterschrieben, sahen 11 Euro Stundenlohn vor. Sie | |
enthielten allerdings eine Klausel, dass die Arbeitsleistung | |
zufriedenstellend sein müsse. Eine solche Klausel "ist nach deutschem Recht | |
absolut unzulässig", sagt Manfred Frauenhofer von der DGB-Rechtsabteilung. | |
Ihm zufolge beträgt der Lohnausstand allein der 19 Arbeiter, die der DBG | |
vertritt, rund 100.000 Euro. | |
Die österreichisch-ungarische Firma Glamini Ausbau, die für die Anwerbung | |
der ungarischen Arbeiter verantwortlich war, ist in Deutschland nicht mehr | |
erreichbar. An die Arbeiter, die bereits nach Ungarn zurückgekehrt sind, | |
hat sie jedoch noch vor einer Woche Drohbriefe verschickt. Welches deutsche | |
Unternehmen den Subunternehmer Glamini angeheuert hatte, wollte der DGB | |
nicht sagen. | |
Der Flughafen wies die Vorwürfe zurück. "Alle Unternehmen, die Aufträge von | |
uns erhalten, unterzeichnen eine Vertrag, in dem sie sich zur Tariftreue | |
verpflichten", sagte Flughafensprecher Ralf Kunkel der taz. Sie müssten | |
sich darin verpflichten, auch nur Aufträge an Subunternehmen weiterzugeben, | |
die sich ebenfalls an diese Bestimmungen halten. Wo, wie im aktuellen Fall, | |
"kriminelle Energie" vorhanden sei, würden alle Regelungen nichts nützen, | |
so Kunkel. Der Flughafen kooperiere eng mit den Zollbehörden, die die | |
Baustelle regelmäßig kontrollierten, um Schwarzarbeit zu verhindern; die | |
Baustelle sei zudem abgesperrt und von einer Sicherheitsfirma bewacht, | |
sodass nur Befugte sie betreten können. | |
Mit der gewerkschaftlichen Seite ist die Kooperation offenbar weniger eng: | |
So beklagen sich Vertreter der IG Metall seit Langem, dass sie keinen | |
Zugang zur Baustelle erhalten und sich über Arbeits- und Lebensbedingungen | |
der Arbeitenden nicht informieren können. Hivzi Kalayci, der zuständige | |
Branchensekretär der IG Bau, hatte die Baustelle zu Beginn mehrfach | |
besucht. Dort hätten "Bedingungen wie im Mittelalter" geherrscht. "Die | |
Unterkünfte der Arbeiter waren eine Katastrophe, teilweise gab es auf der | |
Baustelle nicht mal Trinkwasser." | |
Von der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Arbeit war am Freitag keine | |
Stellungnahme zu erhalten. | |
27 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Juliane Schumacher | |
Juliane Schumacher | |
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