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# taz.de -- Öko ist moderne Moral des 21. Jahrhunderts: Viel mehr als ein Rekl…
> Wer auf sich hält, schwört auf öko. Denken und Handeln jenseits der
> Finanzkrise: "Das gute Leben - Es gibt Alternativen". Ein Happening in
> Berlin.
Bild: Einsatz für das gute Leben. Urban Gardening in Berlin.
Wer auf sich hält, schwört auf öko. Sagt, dass er grüner isst. Den eigenen
ökologischen Fußabdruck möglichst klein hält. Und nötigenfalls, nach einer
Fernreise, sogar an eine Umweltorganisation spendet, als sei ein Ablass des
schlechten Gewissens nötig. Wer modern sein will, darf kein Umweltschwein
sein. So gerann das Wort "öko" zu einer Chiffre, zu einem
Dreibuchstabensymbol, das sich jeder und jede anheftet, um weltanschaulich
ganz auf dem Laufenden zu sein.
Aber ist das wirklich schlecht, ja, ideologisch verblendet? Weil es sich
inzwischen keine Firma mehr nehmen lässt, mit grünem Siegel, Öko-Anmutung
oder fairem Image zu werben? Muss das kritisiert werden, weil selbst diese
kleinen promotionellen Gesten an den Strukturen nichts ändern können? Ist
es nicht so, dass Themen wie der Klimawandel oder die Entschleunigung der
finanzökonomischen Rasereien durch die Börsen- und Staatsbudgetkrisen an
den Rand gedrängt wurden?
Zutreffend scheint: Öko ist der Kern einer modernen Moral, die des 21.
Jahrhunderts. Wer nicht abgehängt werden will, muss sich diesem - sagen wir
- Fluss stellen. Ohne Ökologisches, ohne gedankliche Mühe zur nachhaltigen
Verbesserung der Umwelt wird nichts gehen. Weder politisch noch
gesellschaftlich.
Öko gehört immer stärker zum Fundament eines neubürgerlichen Wertekanons
und ist wichtig für die Beantwortung der Frage, wofür es sich zu leben
lohnt. Öko ist jene große Erzählung von eine besseren Welt, die im 19.
Jahrhundert die liberale und im vorigen die sozialdemokratische war. Das
ist die Basis, auf der sich Stuttgart 21 und der Machtwechsel in
Baden-Württemberg vollzogen hat.
## Von zwei Seiten unter Beschuss
Was das aber ist: Das gute Leben!, bleibt offen, auf alle Fälle umstritten.
Das Neue steht von zwei Seiten unter Beschuss. Auf der einen Seite arbeiten
die klassischen Wirtschaftskonservativen gegen das Neue. Ziel ist es, die
Internalisierung der Umwelt- und Sozialkosten zu verhindern und den Status
quo des Wirtschaftens zu bewahren. Auf der anderen Seite wird die
bürgerliche Bewegung von links kritisiert, als blind für Klassen- und
Verteilungsfragen.
Der taz Kongress des Jahres 2012 will die neue Bewegung ermutigen - auch
durch die Kritik, die sie unbedingt verdient hat. Baden-Württemberg ist
jetzt ein Testgebiet für die Frage, ob und wie Gesellschaft und Politik die
gegenseitige Lähmung überwinden, sich gegenseitig stützen können sowie die
Wirtschaft dynamisieren.
Das tazlab wurde nach dem 30. Geburtstag der taz als jährliches Labor zu
Zukunftsfragen gegründet - ein taz-Kongress in jedem Jahr. Dieser Kongress
wäre der erste, der das Thema vom guten Leben nicht klimatologisch oder
politisch, sondern von dem gerade stattfindenden gesellschaftlichen Wandel
angeht. Denn die wichtigste und übelste Lüge der vergangenen, neoliberalen
Debatten war stets: dass es keine Alternativen gibt. Wir aber sagen
überzeugt anders: Es gibt Alternativen.
Und über diese soll auf dem tazlab am 14. April im Berliner Haus der
Kulturen nachgedacht werden. Nicht allein über Ökofragen der klassischen
Art, sondern eben auch über alle Aspekte gesellschaftlichen Zusammenlebens:
Wie muss über eine gelingende Integrationspolitik in der Bundesrepublik
nachgedacht werden? Wie kann das Leben von MigrantInnen verbessert werden?
Müssen No-go-Areas hingenommen werden?
Wie definiert sich eigentlich die moderne Frauenfrage, überhaupt die der
Geschlechterdemokratie? Wie ist es denn um Alternativen bestellt - wie
haben sie sich entwickelt seit dem legendären Tunix-Kongress 1978 in
Berlin? Etwa die taz, die sich aktuell in der Medienkrise als
selbstbewusstes Medium präsentiert? Wie konnte ihr gelingen, woran andere
scheitern?
## Mehr als Nischenexistenzen?
Wie fällt überhaupt die Bilanz von alternativen Ökonomien aus -
repräsentieren sie mehr als Nischenexistenzen? Können alternative Projekte,
die sich zu Unternehmen auswuchsen, Vorbilder für Start-up-Interessierte
sein?
Das gute Leben? Das gibt es, und immer mehr Menschen sind heftig
entschlossen, die eigene Existenz diesem Leitsatz zu widmen. Und dem
anderer Menschen. Denn, so viel wusste die alternative Bewegung schon
immer, als egoistisches Unterfangen missrät jeder Vorsatz, ein Leben nach
eigenem Gusto zu führen. Das gute Leben - das ist ein solidarisches Projekt
mit anderen, lokal wie international.
Beteiligen Sie sich an diesem tazlab zum "Guten Leben". Schicken Sie uns
Ihre Vorschläge, sagen Sie uns, mit wem sie am 14. April im Berliner Haus
der Kulturen der Welt debattieren wollen. Eingeladen sind u. a. bislang
Winfried Kretschmann, Richard Sennett, Saskia Sassen, Slavoj Zizek - und
zugesagt hat auf alle Fälle die vielgelobte Wirtschaftsexpertin der
Linkspartei, Sahra Wagenknecht. Viele andere werden mitstreiten wollen -
und Sie doch auch?
31 Jan 2012
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
tazlab 2012: „Das gute Leben“
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