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# taz.de -- Kommentar Schulabschlüsse: Ausgebremster Standesdünkel
> Immer wieder wird gerufen, das Abitur sei im Vergleich von ausländischen
> Abschlüssen zu deutschen Ausbildungsabschlüssen etwas Besseres. Das ist
> Humbug.
Es gibt in diesem Land Menschen, die das Abitur mit Zähnen und Klauen
verteidigen. Besonders augenfällig wurde das zuletzt im Hamburger
Schulstreit, als das Bildungsbürgertum alle Geschütze auffuhr, um seinen
Nachwuchs vor einem längeren gemeinsamen Lernen mit den weniger
Privilegierten zu bewahren.
Jetzt hat dieser Standesdünkel einen Dämpfer erhalten. Immer wieder hatten
die Kultusminister und Philologenverbände in den vergangenen Monaten
gerufen, die deutsche allgemeine Hochschulreife sei im Vergleich zu
entsprechenden ausländischen Schulabschlüssen und zu deutschen Abschlüssen
in Ausbildungsberufen etwas Besseres. Eines der immer wieder vorgebrachten
Argumente: Nur in Deutschland befähige das Abi zum direkten Unizugang ohne
weitere Prüfung.
Das jedoch, so zeigt ein Blick über die europäischen Grenzen, ist Humbug.
In den meisten Nachbarländern dürfen die Schüler mit ihrem Abschlusszeugnis
in der Tasche in die Hörsäle. Außerdem können mittlerweile auch deutsche
Abiturienten ein Lied davon singen, dass an so mancher Hochschule spezielle
Eingangsprüfungen abzulegen sind.
Die Absurdität der von den Kultusministern gewünschten Bewertung tritt zu
Tage, wenn man das Szenario zu Ende denkt. Hätten sie sich durchgesetzt,
dann hätte ein Abiturient, der nach der Schule eine Ausbildung aufnimmt und
abschließt, seine berufliche Qualifikation entwertet. Ein wahrer
Schildbürgerstreich.
Auch in fünf Jahren, wenn der Deutsche Qualifikationsrahmen überprüft wird,
sollte sich also der unaufgeregte und realistische Blick auf das hiesige
Bildungssystem durchsetzen. Sonst droht ein deutscher Alleingang in Europa,
der die Vergleichbarkeit von Abschlüssen konterkarieren würde. Vor allem
aber wäre eine Höherbewertung des Abiturs der beste Weg, den drohenden
Fachkräftemangel noch zu befeuern. Denn etliche Fachkräfte lernen in dualen
Ausbildungsgängen.
31 Jan 2012
## AUTOREN
Eva Völpel
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