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# taz.de -- Kolumne Blicke: Bäcker, bleib bei deinen Semmeln!
> In Oberbayern läuft einiges schief, man sagt jetzt Brötchen. Aber nicht
> alles wird schlechter. Die Menschen schauen gütiger.
Um in den Winterferien von Berlin nach München und retour zu gelangen,
nutzte ich nicht meine (selbst bezahlte, nicht presserabattierte) Bahncard
25, sondern den interessanten Service von [1][bahnfuechse.de], einem
Berliner Reisebüro, das Zugriff auf Fahrkarten vieler europäischer Bahnen
hat, die oft günstiger sind als das DB-Angebot.
Wir reisten mit Tickets der Österreichischen Bundesbahnen. Trotz
Schneetreibens kam der Zug pünktlich in München an, was der Schaffner bei
jedem Kontrollgang stolz betonte. Sie sind schon echt süß geworden bei der
Bahn. Mal sehen, was ihnen bei der Rückfahrt einfällt.
Ja, ich bin im Urlaub! Sitze nicht in der muffigen Redaktionsstube, sondern
in der gleißenden Wintersonne vor einer Hütte nahe der Stümpflingbahn,
Spitzingsee, Landkreis Miesbach, Regierungsbezirk Oberbayern, Planet Erde.
Auf dem Pulverschnee liegen die geliehenen Carver (Head - ich hätte lieber
Atomic gehabt), vor mir steht ein Glas Jagatee, und wenn ich den Kopf
drehe, sehe ich meinen Sohn die Abfahrt hinunter grundschwingen - hat er
heute gelernt.
Es ist, kurz gesagt, paradiesisch. Ausrüstung und Skipässe kosten zusammen
einen Fuchzger, nach einer Presseermäßigung wurde nicht gefragt, das
Zubringerauto Ford Fiesta wurde von den eigenen Eltern leihweise zur
Verfügung gestellt, die auch kostenfrei die Betreuung des kleineren Sohnes
übernahmen: Nicht mal am Berg lässt einen die Affäre Wulff zur Ruhe kommen!
Dabei liegt die CSU doch viel näher. Denn einst war das hier ihr
unbestrittenes Herrschaftsgebiet. Heute ist die Partei so verunsichert,
dass Herr Dobrindt die Partei Die Linke verbieten lassen will. Die CSU
arbeitet daran, dass alle ihre Abgeordneten auch per E-Mail zu erreichen
sind, und insofern überrascht einen nicht mehr viel.
Ich möchte aber in meiner augenblicklich grundgriabigen Hochstimmung hier
am Spitzingsee lieber etwas Konstruktives beitragen. Werte CSU, es gibt
noch echte Skandale: Am Kurfürstenplatz in M-Schwabing bietet eine Bäckerei
ein Sonderangebot von drei frisch gebackenen "Sonnenblumenbrötchen" an.
Obwohl ich noch nicht verrentet bin, kann ich mich durchaus der Zeiten
entsinnen, als das Wort Brötchen, in einer Münchner Bäckerei ausgesprochen,
für sizilianische Stille und anschließend beißenden Spott sorgte. Von
Schrippen war in dieser Zeit noch nicht mal die Rede, Berlin gab es damals
auch sozusagen noch gar nicht. Verbiete die "Brötchen", Dobrindt! Bäcker,
bleib bei deinen Semmeln!
Aber nicht alles wird schlechter. Der Ton im Oberland ist freundlicher
geworden. Hatte man als Bub noch Furcht vor den verwitterten Block-, äh,
Liftwarten, die einen zusammenstauchten, wenn man es mit dem
Schleppliftbügel nicht gleich hinbekam, so sind ihre Blicke heute gütig.
Unentwegt rauchend stehen sie am Spitzing wie am Blomberg, wo wir rodelten,
bereit und vollziehen in größter Ruhe ihre doch etwas eintönige Arbeit. Nur
ein Schild am Lifthäusl spricht noch die alte Sprache: "Aus der Spur fahren
- Karte weg!" Womit wir dann wieder in der großen Politik wären. Zeit,
wieder auf die Ski zu kommen!
2 Feb 2012
## LINKS
[1] http://www.bahnfuechse.de/
## AUTOREN
Ambros Waibel
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