# taz.de -- Überwachung von Rettungseinsätzen: Helfer mit Videowagen | |
> Sanitäter in Bremerhaven berichten von Übergriffen und wollen sich mit | |
> Kameras an ihren Rettungswagen schützen. Bremens Datenschutzbeauftragte | |
> hält das für illegal. | |
Bild: Hier geht es auch ohne Videoüberwachung: Rettungssanitäter außerhalb v… | |
Feuerwehrleute riskieren ihr Leben, um zu helfen. Sie trotzen den Flammen, | |
dem Rauch, einstürzenden Balken. Den Rettern in Bremerhaven aber begegnet | |
noch eine andere Gefahr: die Aggression der Bevölkerung. Elf tätliche | |
Angriffe auf RettungssanitäterInnen meldet die Feuerwehr allein für das | |
vergangene Jahr. Seit Herbst stattet die Feuerwehr neue Rettungswagen | |
deshalb mit Kameras aus - der Abschreckung wegen. Bremens | |
Landesdatenschutzbeauftragte aber hält das für gesetzeswidrig. | |
Zwar filmen die Kameras nur außerhalb der Wagen wenn diese stehen. Dennoch | |
forderte Bremens Landesdatenschutzbeauftragte Imke Sommer die Kameras | |
abzubauen: "Es gibt dafür keine Rechtsgrundlage." Überhaupt sollte die | |
Wirksamkeit von Kameraüberwachung diskutiert werden. "Teilweise werden | |
gefährliche Räume darüber erst definiert." Am Mittwoch trug sie ihre | |
Bedenken im Datenschutz-Ausschuss der Bremischen Bürgerschaft vor. Die | |
Mitglieder der Fraktionen wollen nun prüfen, inwiefern das bremische | |
Hilfeleistungsgesetz angepasst werden soll. Bis dahin bleiben die Kameras | |
dran an den drei der insgesamt zehn Bremerhavener Rettungswagen (RTW). | |
Für Jens Cordes, Amtsleiter der Feuerwehr Bremerhaven, ist die Überwachung | |
dringend nötig. Ende letzten Jahres seien einem Feuerwehrmann mit einer | |
Kopfnuss die Gesichtsknochen gebrochen worden, berichtet er. Ein Retter sei | |
nur knapp einem Messerangriff entkommen. Es käme zu | |
Medikamenten-Diebstählen, von einem haltenden Wagen seien während des | |
Einsatzes sogar schon Wagenteile abmontiert worden. Deswegen gebe es jetzt | |
neue Notrufknöpfe an den Funkgeräten, Deeskalationstrainig für die | |
Mitarbeiter - und die Kameras. "Letztendlich ist es ein Phänomen in ganz | |
Deutschland: Die Gewalt gegen Rettungskräfte wird stärker", sagt Cordes. | |
Tatsächlich hat das Rote Kreuz in Nürnberg für seine Retter | |
Stichschutzwesten angeschafft. Die Feuerwehren in Hamburg und Bremen | |
hingegen sehen bislang keinen Handlungsbedarf: Kameras sind weder im | |
Einsatz noch geplant. Auch die Johanniter, mit 131 Rettungswagen im | |
ländlichen Niedersachsen unterwegs, kommen ohne Videoüberwachung aus. | |
Die Bochumer Sozialwissenschaftlerin Julia Schmidt bezweifelt, dass es eine | |
Zunahme der Gewalt gegen Rettungskräfte gibt. Sie leitet die erste | |
repräsentative Untersuchung in Deutschland zu diesem Thema. Von einer | |
Verrohung oder steigenden Angriffszahlen zu sprechen, sei subjektiv geprägt | |
und statistisch nicht belegt, sagt sie. "Es handelt sich in der Regel, um | |
abwehrendes Verhalten der Patienten - die meist unter Alkohol- oder | |
Drogeneinfluss stehen." Das äußere sich durch Anspucken, Wegschubsen oder | |
verbale Gewalt. | |
Die Gewalt in Bremerhaven kann sich der Stadtsoziologe Jochen Schwenk nicht | |
erklären. Er hat die Entwicklung der durch Arbeitslosigkeit und Armut | |
geprägten Hafenstadt untersucht und kritisiert die Kommunalpolitik: "Statt | |
die Menschen aufzufangen, investiert die Stadt in Museen und lockt | |
Touristen von außerhalb an." | |
2 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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