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# taz.de -- Wahl in Finnland: Verloren und doch gewonnen
> Der Grüne Pekka Haavisto verliert die Stichwahl um die finnische
> Präsidentschaft. Doch das Ergebnis ist ein starkes Signal für Offenheit
> und Toleranz.
Bild: 37 Prozent bekam Pekka Haavisto (r.), hier mit seinem Partner Antonio Flo…
STOCKHOLM taz | Sauli Niinistö heisst Finnlands neuer Staatspräsident. Mit
klaren 62,6 Prozent setzte sich der Kandidat der konservativen
"Sammlungspartei" bei der Stichwahl am Sonntag gegen seinen Konkurrenten
Pekka Haavisto von den Grünen durch.
Haavisto konnte seine Stimmenzahl im Vergleich zum ersten Wahlgang aber
nochmals auf 37,4 Prozent verdoppeln. Damit stimmten fünfmal so viele
WählerInnen für ihn, als noch im vergangenen Jahr bei der Parlamentswahl.
Mit diesem Wahlresultat für "grün" stellte Haavisto einen neuen
Europarekord auf. Er hält bereits einen anderen: 1995 wurde er erster
grüner Minister auf nationaler Ebene in einem europäischen Land.
Niinistö löst nun am 1. März die bisherige Amtsinhaberin Tarja Halonen ab.
Damit geht nicht nur eine 3 Jahrzehnte lange Periode ausschließlich
sozialdemokratischer Präsidenten zu Ende. Erstmals nach 50 Jahren übernimmt
wieder ein Konservativer das oberste Staatsamt, wobei diese Partei derzeit
mit Jyrki Katainen auch den Regierungschef stellt. "Ich habe wohl gewonnen,
weil ich so bin, wie die meisten Finnen", analysierte Niinistö in der
Wahlnacht selbst seinen Sieg.
Sein Konkurrent Haavisto kann das nicht von sich behaupten. Den Grünen, der
offen homosexuell ist und als ehemaliger Kriegsdienstverweigerer oberster
Befehlshaber der finnischen Armee werden wollte, taten die meisten Medien
trotz seiner umfassenden diplomatischen Erfahrungen als Konfliktmakler vor
allem in Afrika noch vor einigen Monaten als hoffnungslosen Außenseiter im
Bewerberfeld der acht KandidatInnen ab.
## Vergleich mit Obama
Doch nach der Wahl ruft ihn nun beispielsweise die Tageszeitung
Hufvudstadsbladet zum "zweiten Sieger" aus: Der 53-jährige sei "Symbol
einer Klimaveränderung" in Finnland geworden. Er habe sich konsequent gegen
Fremdenfeindlichkeit und für ein offenes und tolerantes Finnland
ausgesprochen. Und damit ganz offenbar den Nerv vieler FinnInen getroffen.
"Haavisto hat eine Kampagne geführt, die der Obamas in den USA ähnelte",
sagt der Staatswissenschaftler Göran Djupsund: "Eine Kampagne die von unten
gewachsen ist. Da war plötzlich jemand, mit dem sich die identifizieren
konnten, die etwas Neues, eine Veränderung haben wollten." Dieses Bedürfnis
war wohl umso stärker in einem Finnland, das nach dem Wahlerfolg der
ausländerfeindlichen "Wahren Finnen" bei den Parlamentswahlen im April
letzten Jahres international plötzlich als Symbol für Intoleranz,
Nationalismus und Ausgrenzung galt.
"Es ist etwas passiert mit Finnland", sagt auch Haavisto selbst: "Ich bin
zufrieden. Es war eine schöne Kampagne und ich freue mich, viele
Jugendliche dazu gebracht zu haben, sich erstmals politisch zu engagieren."
Wurden für den Grünen am Wahltag in der Hauptstadt mit 54 Prozent sogar
deutlich mehr Stimmen als für den Sieger Niinistö (46 Prozent) abgegeben,
hatte sich Haavisto vor allem auf dem Land schwerer getan. Angesichts
verfassungsrechtlich kräftig geschrumpfter Befugnisse des Präsidenten, dem
neben seiner repräsentativen Rolle nur noch im aussen- und
verteidigungspolitischen Bereich ein Mitspracherecht zusteht, drehten sich
die Debatten meist weniger um die unterschiedlichen politischen Konzepte,
sondern die Person der beiden Kandidaten und deren familiäre Verhältnisse.
## Schmutzkampagne im Netz
Und da wurden dann auch schon mal Bibeln geschwungen und der grüne
Kandidat, der seit acht Jahren mit seinem in Ecuador geborenen Mann Antonio
Flores in "registrierter Partnerschaft" lebt, musste sich vorhalten lassen,
er sei "unmöglich": Zwei Männer im Präsidentenschloss seien ganz einfach
nicht vorstellbar.
##
Auch Medienkommentare schwadronierten, ob das Ansehen des Präsidentenamts
vor allem bei Staatsbesuchen im Ausland nicht "degradiert" werden könnte.
Es gab vereinzelte Morddrohungen und er habe "Antonio empfohlen, seinen
Namen besser nicht mehr zu googeln, wenn er seine gute Laune nicht
verlieren will", charakterisierte Haavisto selbst eine Schmutzkampagne im
Netz, die vor allem in den letzten beiden Wochen vor der Wahl angeschwollen
war.
Doch die Zeiten ändern sich. Heute kaum vorstellbar gab es noch vor 12
Jahren eine hitzige Debatte über die Frage, ob die nun scheidende
Präsidentin Halonen wirklich mit ihrem Mann ins Präsidentenschloss
einziehen könne, obwohl das Paar ohne Heiratsurkunde zusammen lebte.
6 Feb 2012
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Finnland
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