# taz.de -- Umstrittener Elfmeter: Kopf frei für den Klassenerhalt | |
> Hertha BSC kassiert im vierten Spiel unter Michael Skibbe die vierte | |
> Niederlage. Nach dem Aus im DFB-Pokal kann sich das Team auf den | |
> Abstiegskampf konzentrieren. | |
Bild: Kurz danach geht Gladbachs de Camargo (links) theatralisch zu Boden | |
Der Schurke war schnell ausgemacht. Daran gab es für Michael Skibbe, der am | |
Mittwochabend noch verdrießlicher dreinschaute als sonst, nichts zu | |
deuteln. Er bilanzierte: "Die Geschichte des Spiels lässt sich auf einen | |
einzigen Pfiff reduzieren. Für die Entscheidung im Spiel hat Herr Brych | |
gesorgt." | |
Felix Brych, der Schiedsrichter. Diese Deutung mag zwar die populärste | |
aller Spielerklärungen sein, überzeugend ist sie jedoch selten. In diesem | |
speziellen Fall jedoch, beim Ausscheiden der Berliner im Pokalviertelfinale | |
gegen Gladbach (0:2), war die simple Analyse des Hertha-Trainers auf den | |
ersten Blick durchaus nachvollziehbar. Bis zur 101. Minute hatte die gut | |
organisierte Defensive der in der Bundesliga vom Abstieg bedrohten Berliner | |
keine ernsthafte Gefahr durch die Gladbacher aufkommen lassen. Doch rannte | |
Verteidiger Roman Hubnik, der bei einem Zweikampf im Strafraum das Knie von | |
Igor de Camargo in den Rücken bekam, wutentbrannt auf den Gladbacher | |
Stürmer zu. Der tat so, als ob er heftigst von einem Kopfstoß | |
niedergestreckt worden wäre. Für eine Billigfilmproduktion ein durchaus | |
realitätsnahes Täuschungsmanöver. Und auch Felix Brych ließ sich | |
beeindrucken und zeigte Hubnik Rot - eine Fehlentscheidung. Zudem gab es | |
einen Elfmeter für die Gäste, den Filip Daems humorlos zur Führung | |
einnetzte. | |
Herthas ewiger Traum vom Pokalfinale in der eigenen Stadt war zerplatzt. | |
Und damit auch die Hoffnung auf Mehreinnahmen in Millionenhöhe. Nicht nur | |
Skibbe, sondern auch der aufgebrachte Manager Michael Preetz hätten dafür | |
wohl am liebsten den Schiedsrichter mit seinem Privatvermögen in Haftung | |
genommen. Preetz stellte den Journalisten in Aussicht, dass Brych sich noch | |
deren Fragen stellen würde. Und man hatte dabei den Eindruck, als wünsche | |
sich der Manager nichts sehnlicher, als eben eine solche inquisitorische | |
Fragerunde. Brych zeigte sich von de Camargos Aktion später schockiert. | |
Doch an den Pranger hätte Brych sowieso nicht allein gestellt werden | |
dürfen. Des Fehlverhaltens hatten sich natürlich auch der fallsüchtige de | |
Camargo und Hubnik schuldig gemacht. Letzterer hatte seinen Gegenspieler | |
zwar nicht gestoßen, war aber wütend auf ihn zugestürmt. Hubnik wurde am | |
Donnerstag vom Deutschen Fußball-Bund mit einem Spiel Sperre belegt. | |
Erstaunlicherweise waren die Hertha-Profis, die mitten im hitzigen | |
Geschehen standen, eher zu dieser Einsicht fähig als die | |
Verantwortungsträger am Seitenrand. Kapitän André Mijatovic, Andreas Ottl | |
und Peter Niemeyer bekundeten unisono, Kollege Hubnik hätte de Camargo gar | |
nicht so nahe kommen dürfen. Ottl formulierte es am deutlichsten: "Man muss | |
sich in solch einer Situation auch an die eigene Nase fassen. In einer so | |
spielentscheidenden Situation, darf man sich so etwas nicht leisten." | |
Der Schaden ist immens. Hertha hatte eine gute Leistung gezeigt, doch | |
darüber wollte Niemeyer gar nicht weiter reden. "Davon können wir uns | |
nichts kaufen", sagte er. Gästetrainer Lucien Favre, früher in Diensten des | |
Hauptstadtklubs, betonte mehrfach, dass er die Schlüsselszene, der kurz vor | |
Schluss durch einen Konter das 0:2 gefolgt war, gar nicht gesehen hätte. Er | |
machte seinem ehemaligen Arbeitgeber aber Mut für den Abstiegskampf und | |
süßholzraspelte: "Hertha hat Qualität. Aber mit Raffael sind sie viel | |
besser. Deshalb mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft von Hertha." | |
In der Tat belebte die Rückkehr des zuvor lange gesperrten Brasilianers das | |
Offensivspiel der Berliner, insbesondere als er in die zentrale Position | |
rückte, nachdem Fabian Lustenberger verletzungsbedingt ausgewechselt werden | |
musste. Für das wichtige Duell beim Mitabstiegskandidaten VfB Stuttgart | |
geraten die Berliner nun noch tiefer in personelle Nöte. Mit dem Ausfall | |
wichtiger Spieler gäbe es wenigstens einen weiteren populären | |
Erklärungsansatz für eine Niederlage. | |
9 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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