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# taz.de -- Theatertreffen-Auswahl bekannt gegeben: Mit turnerischer Unterstüt…
> Die Berliner Festspiele geben die Auswahl zum Theatertreffen im Mai
> bekannt. Die Berliner Volksbühne gibt sich doppelt sportlich - und auch
> das HAU hat Grund zur Freude.
Bild: "Hate Radio" vom Hebbel am Ufer ist beim Theatertreffen dabei.
Das HAU-Theater aus Berlin freute sich am Dienstag dieser Woche, gleich mit
zwei Produktionen bei der Theatertreffen-Auswahl dabei zu sein, die das
Internetmedium nachtkritik.de bekannt gegeben hat. "Before your very Eyes"
vom Theaterkollektiv Gob Squad und "Hate Radio - Reenactement einer Sendung
des ruandischen Völkermordradios RTLM" von Milo Rau hatten es dort unter
die zehn Inszenierungen gebracht, die 2404 Leser des Online-Portals gewählt
haben.
Die Leser und damit das potenzielle Theaterpublikum selbst wählen zu
lassen, - und nicht, wie beim Theatertreffen der Berliner Festspiele, eine
Kritikerjury - das ist natürlich ein kritischer Schachzug von
nachtkritik.de, ein demokratisches Korrektiv gegenüber der oft umstrittenen
Auswahl des Festivals.
Doch was das HAU und die Volksbühne Berlin betrifft, haben die Leser dort
und die offizielle Jury dieses Jahr die gleichen Stücke ausgewählt. Das HAU
kann gleich noch eine jubelnde Mail schreiben, "Hate Radio", das
dokumentarische Stück über Pop und Propaganda ist zum Berliner
Theatertreffen im Mai ebenso eingeladen wie "Before Your Very Eyes". Für
Matthias Lilienthal, der am Ende der Spielzeit die Leitung des HAU
verlässt, ist das eine hochverdiente Anerkennung.
Das einemal stehen Schauspieler und Laien aus Ruanda auf der Bühne, das
andere Mal sieben Kinder aus Belgien, die in eine Zeitmaschine gesteckt
sich vorstellen müssen, wie das ist, älter und alt zu werden, wie sie sich
ändern werden und was sie alles aufgeben werden von ihren Erwartungen an
das Leben. "Das ist auf der einen Seite von großer spielerischer
Leichtigkeit", betonte Jurymitglied Christoph Leibold in der Vorstellung
der Auswahl, "auf der anderen Seite aber auch eine traurige und gemeine
Versuchsanordnung." Würde man sein Leben so im Fast Forward kennen, man
verlöre oft den Mut, es überhaupt zu führen.
## Nicht einfach abfeiern
Versuchsanordnung, das ist ein gutes Stichwort. Mit ihm könnte man viele
der Stücke der Auswahl überschreiben: Nicolas Stemanns neunstündiger
Faustmarathon (Thalia-Theater Hamburg/Salzburger Festspiele) behauptet,
alles nur vorläufig zu meinen und macht sich über sich selbst auch lustig -
und versucht dem zum Trotz auch in langen Monologen und Dialogen den Text
als Text zu begreifen. "John Gabriel Borkmann" vom norwegischen Kollektiv
Vegard Vinge, Ida Müller und Trond Reinholdtsen an der Berliner Volksbühne
herausgebracht, ist eine 12stündige Performance, irgendwo zwischen
Geisterbahn und Puppentheater, die vom Zuschauer nicht nur einige Stunden
seiner Lebenszeit verlangt, sondern auch Entscheidungen, wann mach ich
Pause, wie lange gehe ich mit, wann kehr ich zurück. Man muss, um solche
Inszenierungen zu besuchen, Theater nicht nur mögen, sondern ihm auch in
seinen Krisen Händchen halten und es durch seine Selbstzweifel begleiten
wollen. Die Auswahl der Jury ist auch ein Bekenntnis: Wir wollen ein
Theater, das uns als Zuschauer auch fordert.
Das ist eine Auswahl, über die man sich auch deshalb freuen kann, weil sie
nicht mehr einfach Stadttheater und Starensembles abfeiert, sondern
Produktionen mit ganz unterschiedlichen Vorraussetzungen nebeneinander
setzt: Weil ihre Stücke die Jury überzeugten. Und damit das
deutschsprachige Theater auch als vernetzt mit anderen Punkten der Welt
zeigen.
Gefordert ist jetzt auch Yvonne Büdenholzer, die neue Leiterin des
Theatertreffens, diese abendsprengenden Stücke zu programmieren, das
Langzeit-Sehen zu organisieren. Sie strahlte aber echte Freude darüber aus,
mit einer Auswahl aufwarten zu können, in der gleich fünf Regieteams und
Regiesseure zum erstenmal zum Treffen kommen. Dazu gehört auch Lukas
Langhoff, der in Bonn Bad Godesberg "Ein Volksfeind" von Ibsen als Drama
des Misstrauens gegenüber einem erfolgreichen Unternehmer mit
Migrationshintergrund inszeniert hat. Und Alvis Hermanis, der "Platonow"
von Tschechow in einer Art Big-Brother-Container spielen lässt (Burgtheater
Wien). Die Schauspieler leben dabei einfach die Geschichte, statt sie dem
Zuschauer vorzuführen und das hat einen sehr überraschenden Effekt.
Die Berliner Volksbühne ist auch mit "Die (s)panische Fliege" von Herbert
Fritsch eingeladen, der seine Schauspieler per Trampolin den sprachlichen
Kapriolen körperliche folgen lässt, und mit René Polleschs "Kill your
Darlings", ebenfalls mit turnerischer Unterstützung. Zwei weitere
Inszenierungen kommen aus den Kammerspielen München, von Karin Henkel
("Macbeth") und Johan Simons Trilogie der Stücke von Sarah Kane.
17 Feb 2012
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
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