# taz.de -- 16 Jahre in rechter Musikszene: Olli ist raus | |
> Er ist da nicht einfach hineingerutscht, sondern wollte richtig | |
> mitspielen: Oliver Podjaski, ein Star der Rechtsrockszene. Heute ist für | |
> ihn "dieser ganze Kram nur Müll". | |
Bild: Sänger Olli und Bandkollegen auf dem Ausschnitt eines Covers ihrer Band … | |
LÜBECK taz | Er stand vorn im Rampenlicht, gab den Takt vor und sang: | |
"Wieder volles Rohr. White Power. Wieder mächtig rechtsextrem. Arschtritte | |
für das System!" - "Kommt und gebt ihr den Rest, zerschlagt die rote Pest!" | |
Oder: "Deutschland steht auf! Volk ans Gewehr zur Gegenwehr! Schmeißt die | |
Kanaken endlich raus!" - Die harte Musik war für Oliver "Olli" Podjaski, | |
den Sänger von "Hauptkampflinie" (HKL), die politische Waffe. "Mit der | |
Musik wollte ich die Leute erreichen, den Hass schüren, die Feinde | |
benennen", sagt er jetzt und betont: "Das ist Vergangenheit." | |
Ist diese Geschichte wirklich wahr? Wie würde der 46-Jährige auf Fragen | |
reagieren? Wie antworten? Immerhin war "Olli" 16 Jahre in der Szene, hat 33 | |
Tonträger veröffentlicht und weitere eigene Musikprojekte verfolgt. Er war | |
ein Star der Szene zwischen NPD und Kameradschaften. Das Tattoo-Studio | |
"Wolfsblut" in Lübeck ist an diesem Abend noch hell erleuchtet. Sehr hell. | |
"Um ordentlich stechen zu können", sagt Podjaski. An den weißen Wänden des | |
Studios hängen Tattoo-Motive - Tribals, Schriftzüge, Totenköpfe. Jedoch | |
keine Schwarze Sonne, das Szenezeichen für die SS, stattdessen Yin und | |
Yang. Ein politisch eindeutiges Motiv findet sich auf einem Plakat: "Good | |
Night - White Pride". | |
Podjaski, Glatze und Ring im Ohr, lächelt offen. Er sitzt auf einem Stuhl | |
und sagt: "Ich bin wirklich raus. Ich weiß, dass dieser ganze Kram nur Müll | |
war." Und schiebt nach: "Ich weiß, schwer zu glauben, wenn jemand wie ich | |
das jetzt sagt." Nicht nur weil er so lange mit der Musik Politik gemacht | |
hat. Sondern auch weil er als Erwachsener, mit 28, und nicht als | |
13-Jähriger in die Szene reingerutscht ist. Bei den Republikanern in Kassel | |
wird er aktiv, fungiert als Kassenwart. "Ausländerfeindlichkeit und | |
Nationalismus waren bei uns im Elternhaus unterschwellig präsent", erinnert | |
sich Podjaski, der 1965 in Berlin zur Welt kam. "Meine Eltern sind treue | |
CDU-Wähler", schickt er nach. Mit so einem Hinweis will sich mancher | |
Aussteiger gern etwas entlasten - nicht so der Ex-HKL-Chef: "Verantwortung | |
für mein Handeln will ich so nicht abtun." | |
## Mit Bomberjacke durch Kassel | |
An seiner hellgrauen "Everlast"-Jacke zieht er die Ärmel etwas hoch. Er | |
überlegt, zögert. Podjaski will sprechen. Mit einem Journalisten. | |
Rechtsrock, sagt er weiter, hätte ihn damals nicht nur begeistert. "Ich | |
wusste, das will ich auch machen." Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr | |
wendet sich Podjaski, der Gitarre spielt, an den damaligen | |
Rechtsrockproduzenten Thorsten L. aus Düsseldorf. Der lässt ihn in der | |
Rechtsrockgruppe "08/15" mitspielen, die er betreut. 1996 gründet Podjaski | |
in Kassel, wo er damals lebt, mit Timo Sch. die Band "Hauptkampflinie" - | |
HKL. Die beiden haben sich bei einem Treffen der Szene zum "Heldengedenken" | |
kennengelernt. | |
Mit Bomberjacke und Doc-Martens-Stiefeln läuft er durch Kassel, ist auch in | |
Schlägereien verwickelt. Wegen einer solchen Schlägerei wird er zu einer | |
Geldstrafe von 2.000 Mark verurteilt. | |
1997, ein Jahr nach der Gründung von HKL, veröffentlichen sie die erste CD | |
"Zwischen allen Fronten". Danach erscheint bis 2010 fast jedes Jahr eine | |
neue CD mit einschlägigen Titeln wie "Rock das Reich", "Odins Krieger" oder | |
"Ultranational". Fünf- bis sechsmal im Jahr treten sie auf. Die Konzerte | |
organisieren das "Blood & Honour"-Netzwerk (B&H) oder die | |
"Hammerskin"-Szene, aber auch die NPD. Im Jahr 2000 wird die deutsche | |
Sektion des internationalen B&H-Netzwerkes verboten. "Ich war nie | |
Mitglied", sagt Podjaski heute. | |
## Einmal gibt's 10.000 DM | |
Im Durchschnitt erhalten sie pro Auftritt zwischen 300 und 500 Euro. | |
Konzertanfragen kommen per E-Mail über die Szene. "Vieles ging über Jens | |
Pühse", berichtet Podjaski. Der heutige NPD-Bundesgeschäftsführer | |
produzierte selbst Rechtsrock. Bei der "Arischen Bruderschaft" um Thorsten | |
Heise war Podjaski Mitglied. "Als wir bei einem Sampler mit dabei waren, | |
bei dem auch ,Lunikoff' mitwirkte, starteten wir als HKL richtig durch", | |
sagt Podjaski. | |
Seit Jahren gilt "Lunikoff" mit Sänger Michael Regener als einer der Stars | |
der Szene. Regener hatte sich zunächst mit der Band "Landser", die 2005 vom | |
Bundesgerichtshof als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde, eine | |
Fangemeinde erworben. Heute ist Regener der Bandchef der | |
"Lunikoff-Verschwörung". Über 160 Rechtsrockbands gibt es in Deutschland. | |
Etwa 30 "nationale Liedermacher" touren zudem durchs Land. Mehr als 100 CDs | |
mit rechtsextremen Inhalten kommen jährlich auf den Markt. Über die Musik | |
beginnt oftmals der Einstieg in die Szene. Die NPD versucht mit Gratis-CDs | |
Erst- und Jungwähler zu gewinnen. Über 90 Versandhandel bedienen den Markt. | |
Längst ein Millionengeschäft, weil neben den CDs auch Bekleidung, | |
Accessoires, Fanartikel und Utensilien angeboten werden. | |
Für eine CD, die Podjaski mit HKL einspielt, erhalten sie 10.000 DM. Die | |
meistverkaufte CD kommt auf 7.000 Exemplare. "Zeitweilig gehörten wir zu | |
den fünf Topbands der Szene", erzählt Podjaski. So ziemlich jeder | |
Szeneversand hatte auch HKL-CDs im Katalog. Mehrere CDs von HKL wurden | |
indiziert. "Das steigert das Szeneansehen", sagt Podjaski heute und räumt | |
ein, als Texter "gern deutlich" geworden zu sein, selbst in Liebesliedern | |
wie "Rechtsextreme": "Ja, sie ist rechtsextrem und das finde ich so schön, | |
denn sie kann die Welt mit meinen Augen sehn." | |
## Langsames Umdenken | |
So getextet, so empfunden - und jetzt ist das alles vorbei? "Wenn man da so | |
drinsteckt, sind solche Sätze normal", sagt Podjaski. "Echt krass, dachte | |
ich, als bei einem Konzert eine Hakenkreuzfahne hing." Mit der Zeit gewöhne | |
man sich eben "an all das Nationalsozialistische, das Radikale". | |
Langsam, sehr langsam, beginnt das Umdenken. "Oft sagte ich mir aber da | |
noch, du darfst nicht zweifeln. Du bist auf dem richtigen Weg." Vor drei | |
Jahren kommt er immer mehr ins Grübeln. Podjaskis Frau, die seine Ansichten | |
nie geteilt hat, unterstützt ihn. "Im Urlaub lernten wir in Griechenland | |
nette Nichtdeutsche kennen, tranken, hingen zusammen ab. Abends habe ich | |
mich dann gefragt: Was würden die wohl denken, wenn die wüssten, was für | |
Texte ich mache? Die denken dann doch, was für ein Arsch!" Allmählich | |
wachsen bei ihm die Bedenken, dass die Beurteilung der Menschen nach | |
Herkunft und Heimat falsch ist. Auch die offene Gewalt schreckt den | |
dreifachen Vater zunehmend ab. "Und das, obwohl man selbst zuschlug", sagt | |
er. "Ich bekam das alles nicht mehr zusammen." Ein erster Schritt der | |
Abgrenzung: Er lässt die Naziporträts auf seinem Rücken überstechen - für | |
1.000 Euro. "Das war so ziemlich das Allererste, was ich überhaupt gemacht | |
habe", betont er. | |
Es gibt dann aber auch Streit um Geld, die HKL-Auftritte werden kritisiert. | |
Nach einem Auftritt bei "Rock für Deutschland" 2008 im thüringischen Gera | |
heißt es, Olli sei besoffen, es wäre überhaupt ein mieser Auftritt gewesen. | |
Später kursiert die Behauptung, dass es ihm nur ums Geld gehe. Im Internet | |
eskaliert ein Streit um Fahrtkosten. Nach einem Konzert bei der NPD in | |
Coburg im selben Jahr schlagen ihn "Kameraden" zusammen, brechen ihm das | |
Jochbein. Ein Daumen springt seitdem immer wieder aus dem Gelenk. | |
## Den Ausstieg erklärt | |
Der "Ehrenkodex" verbietet eine Anzeige. Waren es diese Erfahrungen, die | |
zum Ausstieg führten? Nein, sagt Podjaksi, denn schon früher habe es intern | |
Ärger und Streit gegeben. "Ich konnte nicht mehr an diesen Götzen deutsches | |
Vaterland glauben und kann nur warnen." | |
Schon 2009 will Podjaski aussteigen. Er löst die HKL auf. Es folgt eine | |
"Ausstiegserklärung" und ein Schreiben, das sich bewusst an die Rechten | |
richtet. Dennoch erscheint 2010 noch eine CD, und bis heute finden sich im | |
Szeneversandhandel CDs von HKL. Das ärgere ihn, versichert er, doch daran | |
könne er nichts ändern. "An den Einnahmen bin ich nicht beteiligt." In | |
seinem Tattoo-Studio sammelt er stattdessen Geld für Kinder in der Dritten | |
Welt. "Eine kleine Sache", sagt Podjaski. Aber ein großes Umdenken. Er | |
bereue seine Vergangenheit, wolle Verantwortung übernehmen. "Ich glaube, in | |
der Szene ist noch gar nicht ganz rum, dass ich raus bin", vermutet er. Das | |
dürfte sich nun ändern. An die Aussteigerhilfe "Exit" hat er sich längst | |
gewandt. | |
20 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
## TAGS | |
Rechtsrock | |
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