# taz.de -- Ermittlungen zur Neonazi-Terrorzelle: Bundesanwaltschaft will auch … | |
> Die Bundesanwaltschaft war in Ermittlungen gegen die Zwickauer | |
> Neonazizelle lange nicht involviert. Jetzt will Behördenchef Range mehr | |
> Befugnisse. | |
Bild: Es fehlte die besondere Bedeutung – also durfte Harald Range nicht ermi… | |
FREIBURG taz | Generalbundesanwalt Harald Range regt an, seiner Behörde im | |
Nachklang der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds mehr Macht | |
zu verschaffen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung schlug | |
Range am Wochenende vor, die Zuständigkeitsregeln für die | |
Bundesanwaltschaft zu präzisieren. "Man könnte eine 'besondere Bedeutung' | |
etwa immer dann annehmen, wenn ein länderübergreifender Zusammenhang | |
besteht", sagte Range. Derzeit ist die Bundesanwaltschaft bei | |
Staatsschutzdelikten nur zuständig, wenn der Fall "eine besondere | |
Bedeutung" hat. | |
Im Fall des Trios Nationalsozialistischer Untergrund, das neun ausländische | |
Kleingewerbler und eine Polizistin erschoss, war die Bundesanwaltschaft nie | |
in die Ermittlungen eingebunden. Viele wunderten sich, dass die obersten | |
Terrorbekämpfer ausgerechnet beim braunen Terror untätig blieben. | |
Als die drei mutmaßlichen NSU-Mitglieder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und | |
Beate Zschäpe 1998 untertauchten, erfuhr die BAW davon nur aus der Zeitung. | |
Über das Bundeskriminalamt (BKA) ließ sie bei der Justiz in Thüringen | |
anfragen, ob sich hier vielleicht eine terroristische Vereinigung gebildet | |
habe. Doch die Staatsanwaltschaft in Gera sah im Jahr 1999 nur ein "loses | |
Geflecht" von Einzelpersonen. Damit waren der BAW die Hände gebunden. | |
Auch in der Mordserie, die dann ab dem Jahr 2000 einsetzte, stellte die | |
Bundesanwaltschaft keine eigenen Ermittlungen an. Zwar war klar, dass für | |
die Attentate auf türkische und griechische Opfer die gleichen Täter | |
verantwortlich sein mussten, weil immer dieselbe Ceska-Pistole benutzt | |
wurde. Doch auch für Mordserien sind erst einmal die | |
Landesstaatsanwaltschaften zuständig, so weit nicht die innere Sicherheit | |
bedroht ist. | |
Als ein Polizei-Profiler 2006 endlich die These aufbrachte, die Morde | |
könnten das Werk eines rassistischen Einzeltäters oder einer Kleinstgruppe | |
sein, hat dies der BAW ebenfalls noch keine Übernahme der Ermittlungen | |
erlaubt. Schließlich war dies zu diesem Zeitpunkt nur eine Hypothese, die | |
sich auf keinerlei konkrete Spur stützen konnte. | |
## Keine "besondere Bedeutung" | |
Insoweit würde auch Ranges Vorschlag an diesem Dilemma nichts ändern: Beim | |
Abtauchen des Trios 1998 war noch kein "länderübergreifender Zusammenhang" | |
zu sehen. Und die spätere Mordserie war zwar eindeutig länderübergreifend, | |
aber nicht als Staatsschutzdelikt erkennbar. | |
Um der BAW in solchen Fällen einen Zugriff zu ermöglichen, müsste sie für | |
alle überregionalen Mordserien zuständig sein, bei denen sich ein | |
Staatsschutzdelikt zumindest nicht ausschließen lässt. Ob die Länder diese | |
Stärkung der Bundesjustiz mitmachen würden, ist aber zweifelhaft. Und falls | |
doch, müsste wohl sogar das Grundgesetz geändert werden, damit sich die | |
Bundesanwaltschaft neben Staatsschutzdelikten und Völkermord auch um | |
unpolitisch erscheinende Gewaltkriminalität kümmern darf. | |
Es ist auch keineswegs ausgemacht, dass es der Bundesanwaltschaft im Fall | |
der Ceska-Mordserie gelungen wäre, den Zusammenhang zu den drei | |
untergetauchten Bombenbastlern aus Thüringen herzustellen. Schließlich | |
bearbeitet die Bundesanwaltschaft im Bereich rechte Gewalt nur wenige Fälle | |
und kennt daher Personen und Strukturen nur rudimentär. | |
Der Grund dafür ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2002. | |
Nach einem rassistischen Brandanschlag auf ein von Vietnamesen bewohntes | |
Haus in Jessnitz bei Dessau verneinte der Bundesgerichtshof eine "besondere | |
Bedeutung" des Falles. Seitdem hält sich die Bundesanwaltschaft bei | |
punktuellen rechten Anschlägen zurück und überlässt diese der örtlichen | |
Staatsanwaltschaft. | |
20 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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