# taz.de -- Otto Rehagel in Berlin: Fußballtennis, keine Tore | |
> Otto Rehhagel ist der Gauck der Bundesliga: Ein Hoffnungsträger für die | |
> Hauptstadt. Jetzt muss er Hertha retten. Erstmal werden Kopfbälle geübt. | |
Bild: Rehakles überwacht jede Liegestütz, damit weiter der hässlichste Fußb… | |
Als hätte der Herrgott selbst eingegriffen! Beim Einstand des neuen Chefs | |
am Dienstag öffnete er noch einmal die Schleusen zum hoffentlich letzten | |
Schneegestöber dieses Winters. Klein, hart und gut frisiert sah König Otto | |
seinen Männern zu, "die Trainerlegende überwachte sogar jeden Liegestütz", | |
dichtete die BZ und verkündete "Schluss mit Weicheitraining". | |
Tags drauf ist alles anders auf dem Trainingsareal von Hertha BSC im | |
Westend. Der Tag ist, wie der Berliner schon mal sagt, "ein Träumchen", die | |
Vögel zwitschern, eine laue Brise weht aus Südwest - in den Südwesten | |
müssen sich die Berliner orientieren. | |
Am Samstag im Spiel gegen Augsburg darf jedenfalls keine Niederlage her. | |
"Letztes Jahr in der 2. Liga war es ein Spitzenspiel", sagt Stürmertalent | |
Pierre-Michel Lasogga nach der Trainingseinheit, "dieses Jahr ist es ein | |
Kellerduell". Und da hat er unbedingt recht. | |
## Ein paar Kopfbälle – spielentscheidend | |
Die Stimmung stimmt auf jeden Fall, sagt Lasogga, man hat Spaß beim Üben, | |
sagt auch Lewan "Kobi" Kobiaschwili, aber "vom Fussballtennis schießt man | |
keine Tore". Und was hat ihnen Rehhagel gesagt, als er sie in der Mitte der | |
90-minütigen Trainingseinheit zusammenrief beziehungsweise -pfiff? Die gut | |
150 Kiebitze am Spielfeldrand - doppelt so viele wie sonst - haben ja nur | |
gesehen, wie er auf Zuwurf von Co-Tainer René Tretschok ein paar Kopfbälle | |
gemacht hat. Dass gutes Kopfballspiel Spiele entscheidet und dass man das | |
am besten schon als kleiner Junge lernt, zitiert Lasogga seinen neuen | |
Trainer. | |
Ja. Hm. Warum nicht? Rehhagel muss ja nicht das neuerdings hochkomplexe Amt | |
des Bundespräsidenten bedienen. Er will und soll nur die alte Dame Hertha | |
retten, jene Großinstitution, die sich bislang am stursten der | |
Hauptstadtrolle Berlins verweigert und auf Westberliner, wenn nicht | |
Spandauer Niveau verharrt. | |
Obwohl: Die Neuköllner Straßenreinigung funktioniert noch schlechter als | |
das Management vom BSC - das jetzt erstmal aus der Schusslinie sei, heißt | |
es bei den Fans am Spielfeldrand. Michael Preetz, der sich den | |
Sport-Bild-Ehrentitel "schlechtester Manager der Bundesliga" nicht umsonst | |
eingefangen hat ("Da sind auch Fakten dabei, die zutreffen", kommentierte | |
gewohnt zungenfertig Ex-Ex-Trainer Markus Babbel), hat mit Rehhagel | |
zumindest den fetten Köder gesetzt. Die Medien schlucken ihn gierig runter | |
- so wie FDP-Chef Rösler es mit Gauck gelungen ist. | |
Rehhagel muss dafür gar nichts tun. Und er tut auch nichts, zumindest nicht | |
in der Öffentlichkeit, hier und heute. Außer sich ausgiebig die | |
bemerkenswert dunkle Haarpracht zurechtzurücken. Wie ein von vielen | |
Schlachten gebeugter Bismarck huscht er in Trippelschritten über den Platz, | |
guckt milde und entzieht sich bei Trainingsende der Presse und den Fans - | |
man soll dem Affen ja nicht zu viel Zucker geben. | |
## Redet miteinander | |
Es ist so hübsch hier bei diesem lockeren Vormittagskick, weil alles normal | |
zugeht, ohne das ganze Aufputschbrimborium. Es ist wie bei der D-Jugend, | |
nur dass statt "Jungs" der Ruf "Männer" über den Rasen schallt - und statt | |
"Hört auf zu quatschen!" heißt es hier bei den Profis "Redet miteinander!" | |
Es wird viel gelobt, gelacht und gejauchzt - aber ob die Laune authentisch | |
gut ist, weiß wohl niemand. | |
Laune ist letztlich ergebnisabhängig - vor allem, weil Hertha in der Saison | |
2009/10 ja schon mal mit ansehnlichem Fußball abgestiegen ist, nachdem sie | |
Trainer Favre entlassen hatte, der heute mit Gladbach um Meisterschaft und | |
Champions-League-Einzug spielt. | |
Der alte Mann also, der die Griechen mit Berliner-Mauer-Fußball zum | |
EM-Titel brachte und zu dessen aktivem Sprachschatz noch das Wort "Libero" | |
gehört; der keine Mütze trägt, wie es die Hard-boiled-Generation Ronald | |
Reagan und folgende eben hält; der es einen Kabinenapplaus wert findet, | |
dass er mit seiner Frau Beate seit fast fünfzig Jahren verheiratet ist. Und | |
plötzlich, während man zurück ins Zentrum einer Stadt fährt, die gut drei | |
Erstligaclubs vertragen könnte, da denkt man, das klappt: Mit dem Otto und | |
der Hertha. Muss ja. | |
22 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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