# taz.de -- Investoren in Prenzlauer Berg: Da braut sich was zusammen | |
> Im Biergarten der Bötzow-Brauerei gründete Karl Liebknecht 1919 den | |
> Revolutionsausschuss. Nun hat ein Investor große Pläne für das Gelände. | |
> Den Bezirk freuts. | |
Bild: Das Areal der Bötzow-Brauerei an der Prenzlauer Allee um 1900. | |
Die Sache mit dem Dornröschenschlaf ist für dieses Gelände gelaufen. Zwar | |
steht das Unkraut noch meterhoch, und Teile des Hofs dienen als illegales | |
Sperrmülllager; in den großen Backsteinbauten klaffen Löcher, und an den | |
Türen wird vor Einsturzgefahr gewarnt. Doch die vielen Fuß- und | |
Reifenspuren belegen, dass etwas passiert: Ein Investor hat das Areal der | |
ehemaligen Bötzow-Brauerei an der Grenze von Mitte und Prenzlauer Berg | |
gekauft. Er ist zwar nicht der Erste, der große Pläne für das Gelände hat - | |
aber wohl der Erste mit realistischer Aussicht auf Erfolg. | |
Fast 140 Jahre ist es her, dass der Berliner Unternehmer Julius Bötzow auf | |
dem fast 24.000 Quadratmeter großen Areal an der heutigen Prenzlauer Allee | |
eine Brauerei samt Biergarten errichten ließ. Die Geschäfte liefen gut, | |
bald durfte er sich königlicher Hoflieferant nennen - was Karl Liebknecht | |
nicht davon abhielt, Anfang Januar 1919 den Revolutionsausschuss im | |
dortigen Biergarten zu gründen. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die | |
Gebäude der Brauerei stark zerstört, der Betrieb musste eingestellt werden. | |
Zu DDR-Zeiten wurde das Areal als Lager genutzt. Nach der Wende mangelte es | |
zwar nicht an potenziellen Investoren. Doch weder ein geplantes | |
Einkaufszentrum noch Hotels, Lofts oder Büros wurden hier verwirklicht. Das | |
Gelände war dafür einfach zu groß - die nötigen Investitionen wären zu hoch | |
gewesen. Stattdessen wucherten Pflanzen um die Brauereianlagen, die mehr | |
und mehr verfielen. In einigen Teilen des Geländes - darunter in den | |
Lagerhallen tief unter der Erde - wurde (und wird teilweise noch immer) | |
gefeiert: Clubs wie das Deep genießen einen legendären Ruf. | |
Im Herbst 2010 entdeckte Hans Georg Näder das Areal. Der Chef des | |
Medizintechnikunternehmens Otto Bock Health Care kaufte es innerhalb von | |
acht Wochen für 17 Millionen Euro. Weitere 80 Millionen Euro will er in die | |
Instandsetzung der Brauereigebäude investieren, sagt Näder. Denkmalgerecht, | |
wie er betont, sollen die Altbauten auf dem hinteren Teil des Geländes | |
saniert und zu luxuriösen Lofts mit bis zu 1.700 Quadratmetern Wohnfläche | |
umgebaut werden. | |
## Natürlich mit Tiefgarage | |
In die ehemaligen Gewölbekeller sollen kleine Geschäfte und Bistros | |
einziehen; auf der bisherigen Brachfläche an der Prenzlauer Allee sind | |
Neubauten geplant. Neben Büros, einem Hotel und Kultureinrichtungen soll | |
hier laut Näder auch das Unternehmen Otto Bock selbst unterkommen: | |
Vorgesehen sind eine Rollstuhlmanufaktur sowie eine Kreativfabrik - ein | |
Thinktank, in dem die Mitarbeiter des inzwischen global agierenden | |
Unternehmens zusammenkommen können. Damit die vielen Beschäftigten und | |
Besucher des Areals nicht alle mit der Tram anreisen müssen, soll darüber | |
hinaus eine Tiefgarage mit bis zu 500 Parkplätzen entstehen. | |
Woher das Geld für die umfangreichen Investitionen kommt, dazu schweigt | |
sich das Unternehmen aus. Dennoch ist der Bezirk sicher, dass es mit der | |
Wiederbelebung der zentralen Fläche diesmal klappt. "Wir haben mit Hans | |
Georg Näder einen finanziell potenten Investor gefunden, der das Gelände | |
behutsam entwickelt will", sagt Jens-Holger Kirchner, Pankows grüner | |
Stadtrat für Stadtentwicklung. Er sei froh, dass nach so langer Zeit | |
endlich etwas passiere. "Das Konzept ist vielfältig und mehr als | |
interessant", findet Kirchner. Zudem seien mit dem Büro van Geisten/Marfels | |
Architekten beteiligt, die in Pankow bereits beim Umbau der Alten Mälzerei | |
gezeigt hätten, dass sie historische Gebäude zeitgemäß sanieren können. | |
Bei allem Lob will Kirchner doch gerne noch Einfluss auf bestimmte Aspekte | |
der Planung nehmen: Die hohe Zahl an Parkplätzen etwa hält er angesichts | |
der Nähe zum Alexanderplatz für "völlig übertrieben", auch die Architektur | |
der Neubauten an der Prenzlauer Allee würde er gerne noch einmal | |
diskutieren. Derzeit sind dort quer zur Straße stehende, längliche | |
Glasbauten geplant, die auf Stelzen aufgebockt sind, sodass man unter ihnen | |
hindurchgehen kann. Investor Näder vergleicht diese Konstruktionen mit | |
Raumschiffen - für Kirchner sieht das eher nach frisch gelandeten | |
Heuschrecken aus, wie er sagt. Die Assoziation entfesselter Investoren | |
findet er allerdings eher unglücklich: "Hier geht es immerhin um die | |
Gestaltung des Tors zum Prenzlauer Berg. Das ist noch einmal eine | |
Diskussion wert", meint Kirchner. | |
## Liebknecht-Gedenkstein | |
Im Prinzip finde er das Konzept der Mischnutzung auf dem neuen Gelände gut, | |
sagt auch Michail Nelken, Kirchners Amtsvorgänger und mittlerweile | |
stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linke-Fraktion im Bezirk. Im | |
Detail stößt er sich jedoch an den Plänen, den Zugang zum Gelände von der | |
Prenzlauer Allee an die Straßenecke zur Saarbrücker Straße zu verlegen. | |
Schließlich steht an dieser Stelle bislang ein Gedenkstein, der an Karl | |
Liebknecht und die Ereignisse von 1919 erinnert. Hier müsse eine | |
alternative Lösung gefunden werden, fordert Nelken. | |
Beim Investor gibt man sich angesichts dieser Forderungen, die letztlich | |
alle Pläne jenseits der Sanierung der Altbauten infrage stellen, gelassen. | |
Man befinde sich in einem langfristigen Planungsprozess, der begleitet | |
werde von einem permanenten Dialog mit dem Bezirk, sagt Sebastian Peichl, | |
Kreativberater des Projektes. Das letzte Wort allerdings wird der Bezirk | |
haben, der den notwendigen Bebauungsplan beschließt. | |
## Kein Protest in Sicht | |
Bisher immerhin sieht es so aus, als ob beide Seiten großes Interesse an | |
einer Einigung hätten - und nicht einmal eine Bürgerinitiative funkt | |
dazwischen. Während engagierte Bürger in Prenzlauer Berg sonst gerne auf | |
die Straße gehen, wenn Straßen saniert, Wohnhäuser gebaut oder Bäume | |
gefällt werden, bleibt im Fall der Bötzow-Brauerei alles ruhig. Aus einigen | |
Bürgerinitiativen, die in der Vergangenheit aktiv waren, heißt es, es gebe | |
in diesem Fall kein Konfliktpotenzial. Das sieht auch Michail Nelken von | |
der Linkspartei so, der sich nicht mal über die geplanten Luxuslofts | |
aufregen will: "An diesem Ort können wir das Problem des fehlenden | |
bezahlbaren Wohnraums ohnehin nicht lösen", sagt er. Die soziale | |
Infrastruktur sei in diesem bereits dicht besiedelten Teil Prenzlauer Bergs | |
bereits am Limit. Zudem, so Stadtrat Jens-Holger Kirchner, "ist das ein | |
Privatgrundstück, das der Eigentümer nutzen kann, wie er will". | |
Noch in diesem Jahr soll mit der Sanierung der Altbauten begonnen werden. | |
Die Neubauten können folgen, sobald der Bebauungsplan steht. Laut Kirchner | |
kann das aber noch einige Jahre dauern - auf den Dokumenten, die das | |
Unternehmen ins Internet gestellt hat, ist vom "Masterplan 2020" die Rede. | |
26 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Juliane Wiedemeier | |
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