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# taz.de -- Obskure Bürger-Bespitzelung: SMS-Schnüffler bleiben geheim
> Niedersachsens Sicherheitsbehörden beauftragen eine Privatfirma mit der
> Bespitzelung von Bürgern mittels "stiller SMS". Genaue Zahlen kann die
> Software nicht erfassen.
Bild: Keine Privatsache mehr: SMS.
Wochenlang versuchte die Linksfraktion im niedersächsischen Landtag
herauszubekommen, wie viele „stille SMS“ die Sicherheitsbehörden in
Niedersachsen zur Ortung von Personen herausgeschickt haben, um
Bewegungsprofile von Zielpersonen zu erstellen. Anders als auf Bundesebene
oder in anderen Bundesländern – keine Antwort. Erst als die Linke den
Landtagspräsidenten aufforderte, ein Machtwort zu sprechen und auf die
verfassungsrechtliche Auskunftspflicht zu pochen, bekam die Öffentlichkeit
jetzt ansatzweise eine Auskunft.
Danach werden geheime SMS in Niedersachsen von einer Privatfirma versandt.
Name? Geheim. Wie viele? Unbekannt. „Das ist echt der Hammer“, sagt die
innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Pia Zimmermann.
Dass stille SMS längst zum Repertoire geheimdienstlicher und polizeilicher
Ermittlungen gehören, ist kein Geheimnis mehr – obwohl sie
verfassungsrechtlich problematisch sind. Im Jahr 2010 verschickte das
Bundeskriminalamt 96.314 „stille SMS“, das Bundesamt für Verfassungsschutz
107.852 und die Zollfahndungsbehörden sogar 236.617. Bundespolizei und
Militärischer Abschirmdienst führen angeblich keine Statistik.
In Hamburg ist die Anzahl von stillen SMS des Verfassungsschutzes von 71 im
Jahr 2007 auf 25.658 im vorigen Jahr gestiegen. Waren 2010 davon 19
Personen betroffen, sind es 2011 nur noch sieben Handybesitzer gewesen.
Hamburgs Polizei hat dem Hamburger Senat zufolge im Jahr 2010 109.048
Ortungs-Impulse ausgestrahlt. Sie nutze die stille SMS sowohl zur
Gefahrenabwehr als auch zur Strafverfolgung. Dafür wird eine Software in
Anspruch genommen, die das Bundesland Nordrhein-Westfahlen verwaltet.
In Niedersachsen tickt die Technik anders. Die vom Landesamt für Zentrale
Polizeiliche Dienste in Nordrhein-Westfalen verwaltete Software zum Versand
von Ortungs-Impulsen werde von Niedersachsen nicht genutzt, heißt es in der
Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der Linkspartei. Detaillierte
Informationen über den technischen Leistungsumfang des von Hamburg
genutzten und über Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Systems
lägen Niedersachsen nicht vor.
„Wir haben eine andere Software“, sagt Vera Wucherpfennig vom
Innenministerium der taz. Die Polizei in Niedersachsen nutze zum Versenden
von „stillen SMS“ den Server eines privaten Anbieters, der jedoch bei der
Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage nicht benannt werden könne,
das verbiete die niedersächsische Verfassung. „Wir sind nicht das einzige
Bundesland, das einen privaten Anbieter in Anspruch nimmt“, sagt
Wucherpfennig. „Die inhaltliche Auswertung der Daten liegt aber in der Hand
der Polizei oder der Sicherheitsbehörden.“
Durch die Erteilung der Auskunft über den Anbieter würden schutzwürdige
Interessen Dritter verletzt. „Der Anbieter, der um Vertraulichkeit gebeten
hat, muss mit erheblichen Nachteilen für seine Geschäftstätigkeit und
gegebenenfalls auch mit Angriffen auf seine Systeme rechnen, wenn bekannt
wird, dass er auch im Bereich der verdeckten polizeilichen Maßnahmen
Dienstleistungen erbringt“, sagt Wucherpfennig. „Das Ministerium für
Inneres wird insoweit jedoch bei Bedarf in vertraulicher Ausschusssitzung
hierüber Auskunft erteilen.“
Für Pia Zimmermann von der Linken ist die Überwachung außer Kontrolle
geraten. Zumal das Innenministerium angeblich nicht mitteilen könne, wie
viele stille SMS auf Anweisung der Sicherheitsorgane versandt worden seien,
weil dazu die eigene Software fehle. Obwohl sie Mitglied des
Innenausschusses und selbst in den Kontrollausschüssen sei, wäre das
Handeln der Firma einfach „nicht kontrollierbar“, beklagt Zimmermann. Denn
eine Handy-Ortung sei keine Lappalie. „Einmal erfasst – zack. Und man ist
im Raster drin“, sagt Zimmermann. „Wir werden das Thema im Innenausschuss
ansprechen.“
Selbst wenn eine eigene Software 80.000 Euro kosten würde, wären das für
den Innenhaushalt Peanuts, findet Zimmermann. „Demokratie kostet eben
Geld.“
27 Feb 2012
## AUTOREN
Kai von Appen
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