Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Riesending Weiberwirtschaft: Frau, Frau, Frau!
> Die Genossenschaft „Weiberwirtschaft“ ist das wohl größte Ding der
> deutschen Frauenbewegung. Hier finden Frauen ideale Bedingungen, um ein
> Unternehmen zu gründen.
Bild: Auch der ehemalige Berliner Bürgermeister besuchte schon die Weiberwirts…
Am Anfang wurden sie belacht, heute gibt es Warteschlangen: Die
Genossenschaft „Weiberwirtschaft“ ist längst ein Riesenerfolg mit
Vorbildcharakter, allein in Deutschland gibt es mittlerweile zwölf
Gründerinnenzentren, in denen gezielt Frauen beim Aufbau einer
selbstständigen Existenz geholfen wird – das Original in Berlin ist
allerdings das größte seiner Art in ganz Europa.
„Männer dürfen bei uns arbeiten, ja, aber Frauen sind die Chefs“, erklärt
Katja von der Bey, Mitglied des Vorstands und Geschäftsführerin. In der
Wirtschaftsforschung spricht man bereits von einer Feminisierung der
Existenzgründung: „Früher waren es vor allem Frauen, die sich in prekäre
Gründungen begaben – im Gesundheits- und Kreativbereich zum Beispiel war
noch nie viel Geld zu verdienen. Aber heute arbeiten auch viele Männer am
Existenzminimum.“
Als die „Weiberwirtschaft“ im Jahr 1986 von Westberliner Frauen gegründet
wurde, ging es vor allem darum, der ungerechten Wirtschaftsförderung der
öffentlichen Hand entgegenzuwirken: „Die Gründungsförderung war und ist vor
allem technisch orientiert, auf Männer, die bereit sind, mit der Bahn und
dem Auto weite Strecken zurückzulegen. Frauen bevorzugen andere
Wirtschaftszweige, personennahe Dienstleistungen. Sie sind auf
Laufkundschaft angewiesen und wollen in der Nähe ihres Wohnorts arbeiten –
ganz einfach, weil sie sich statistisch immer noch häufiger um die Kinder
kümmern.
## Gründerzentrum im Kiez
So entstand die Idee: Wir brauchen ein Gründerzentrum im Kiez, seinerzeit
in Kreuzberg. Der Staat half nicht, also bedurfte es der Selbsthilfe. In
der Frauenbewegung der Achtziger wurde ja auch viel gejammert, nun sollte
es um Taten gehen.“ Katja von der Bey selbst hatte in den Achtzigern
Kunstgeschichte in Westberlin studiert. „Wir dachten damals ja, wir können
jetzt alles machen; das war und ist aber nicht so: Die Stellen haben dann
doch immer die Männer bekommen, und noch immer verdienen Frauen weniger.“
Aus der Idee ist heute ein recht großes Ensemble in Berlin-Mitte geworden,
ein ökologisch sanierter Gewerbehof. 1989 wurde die Genossenschaft
gegründet, im Jahr 1992 ging es dann richtig los: „Wir kauften ein Haus von
der Treuhand – und wurden prompt als größenwahnsinnig bezeichnet. Aber wenn
etwas ’Weiberwirtschaft‘ heißt, dann kann das nicht nur so ein kleines Ding
sein. Jetzt ist es ein Riesending der Frauenbewegung, das Vermögen der
Genossenschaft beträgt heute 18,6 Millionen Euro – auch wenn wir noch
Schulden abbezahlen müssen.“
Die „Weiberwirtschaft“ ist heute ein faszinierendes Konglomerat
verschiedener Unternehmen: Modellbau für Messen, eine Papierrestauratorin,
Körpertherapie, Anwaltskanzleien, eine Frauenfahrschule – was es nicht
alles gibt. Eine der Unternehmerinnen bietet „Trauring-Kurse“ an, Paare
können bei der Goldschmiedin unter Anleitung ihre eigenen Ringe anfertigen.
Hinzu kommen Non-Profit-Organisationen wie das Lesbenarchiv „Spinnboden“,
Cafés und Restaurants und natürlich eine eigene Kita.
All das wird ermöglicht durch die Genossenschaft, die auch kleine
Gewerberäume zu erschwinglichen Mieten anbietet: „Wir haben zum Beispiel
’Milchmädchentarife‘, das heißt, es gibt Räume, die im ersten halben Jahr
nur 150 Euro brutto warm kosten“, inklusive Nutzung der Infrastruktur, von
der Kinderbetreung bis zu den Tagungsräumen. Die Frauen können sich beraten
lassen. Und tauschen sich natürlich auch untereinander aus: Wie geht das
mit der KSK, der Steuer? Sogar ein Tochterunternehmen ist entstanden, die
„Gründerinnenzentrale“, die sich um Beratung, Vernetzung und Mentoring
kümmert.
## Lila Latzhose
Ob es Ressentiments von jungen Frauen gegenüber der Weiberwirtschaft gibt,
Stichwort „lila Latzhose“? „Im Gegenteil habe ich den Eindruck, dass das
System Wirtschaft kritisch hinterfragt und die Idee der Selbsthilfe für
Jüngere wieder interessant wird. Hier wird auch niemandem eine Corporate
Identity aufgezwungen. Es muss auch niemand Genossin werden.“ Es gibt
nunmehr 1.700 von ihnen, ein Anteil kostet 103 Euro, „nicht mehr als eine
Markenjeans, das war die Idee“, erklärt von der Bey. Hat funktioniert.
3 Mar 2012
## AUTOREN
Martin Reichert
## TAGS
tazlab 2012: „Das gute Leben“
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.