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# taz.de -- NS-Dokumentationsstätte: Erinnerung zu teuer
> Die Stadt Celle wollte Maßstäbe bei der lokalen Aufarbeitung der
> Nazi-Zeit setzen - und könnte an der klammen Haushaltslage scheitern.
Bild: Solche Fotos müssen wohl weiter im Stadtarchiv verstauben: Celle feiert …
CELLE taz | In Celle droht das Aus für eine Dokumentationsstätte, in der an
die lokale Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus erinnert werden
soll. Obwohl sowohl die Grünen als auch die CDU den Aufbau eines solchen
Zentrums gefordert haben, hat die Stadtverwaltung nun empfohlen, „die
Realisierung des Vorhabens zur Zeit auszusetzen“. Laut der für Kultur
zuständigen Stadträtin Susanne Schmitt (CDU) könnte frühestens 2014 „bei
einer unerwartet positiven Finanzentwicklung“ nochmal über das Projekt
nachgedacht werden.
Hintergrund sind die von der Celler Stadtverwaltung vorgelegten Zahlen über
die vermutlichen Kosten: die Sanierung des dafür vorgesehenen mehr als 100
Jahre alten Gebäudes würde alleine bis zu 1,4 Millionen Euro kosten, hinzu
kämen knapp eine weitere Million Euro für Forschungsarbeiten und die
Einrichtung der Ausstellung sowie jährlich rund 200.000 Euro für den
Betrieb.
„Das ist eine realistische Schätzung, die für eine Stadt dieser
Größenordnung eine finanzielle Herausforderung darstellt. Ich bin dennoch
optimistisch, dass die Pläne nicht vollkommen auf Eis gelegt werden“, sagt
Habbo Knoch, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten.
Der Historiker leitete 2011 einen Expertenworkshop, auf dem ein
Konzeptpapier für das Dokumentationszentrum ausgearbeitet wurde.
Danach sollte im sogenannten Torhaus, in dem einst KZ-Häftlinge und nach
dem Krieg Überlebende des Holocaust einquartiert waren, auf einer Fläche
von 360 Quadratmetern unter anderem der Aufstieg der Nationalsozialisten in
Celle, die mit der Machtübernahme der NSDAP verbundenen politischen und
gesellschaftlichen Veränderungen, der Ausschluss von Minderheiten aus dem
öffentlichen Leben sowie die sogenannte Celler „Hasenjagd“ dargestellt
werden – das Massaker vom 8. April 1945 an fliehenden KZ-Häftlingen.
„An diesem Konzept habe ich bislang keine Kritik gehört“, sagt Knoch. Er
ist überzeugt, dass inhaltliche Gründe keine Rolle für die Empfehlung der
Stadtverwaltung spielen.
Am 8. März soll der städtische Kulturausschuss Stellung nehmen. Dessen
Vorsitzende Amei Wiegel (SPD) setzt sich für die Dokumentationsstätte ein.
„So ein Lernhaus gibt es in ganz Norddeutschland nicht“, sagt Wiegel.
Möglicherweise müsse man einen anderen, günstigeren Standort suchen, aber
das Konzept dürfe „nicht baden gehen“.
Die rund eine halbe Million Euro für die Einrichtung der der Ausstellung
und die jährlichen 200.000 Euro für den Betrieb hält die SPD-Politikerin
für vertretbar. „Eventuell muss man das ganze Projekt zeitlich strecken“,
sagt Wiegel. Ursprünglich sollte die Dokumentationsstätte 2015 eröffnet
werden. Eine endgültige Entscheidung muss der Stadtrat treffen, in dem
neben den fast gleichstarken Parteien CDU und SPD fünf weitere Fraktionen
vertreten sind und es keine feste Mehrheiten gibt.
„Wir wissen noch nicht, wie wir uns entscheiden werden“, sagt
CDU-Fraktionsvorsitzender Heiko Gevers. Er hält die Pläne angesichts der
Finanzlage der Stadt – mehr als 150 Millionen Euro Schulden, der nicht
ausgeglichene Haushalt muss vom Innenminister genehmigt werden – für
derzeit nicht tragbar, betont aber: „Alle Fraktionen sind sich einig, dass
etwas gemacht werden soll, um die Bedeutung des Krieges und der NS-Zeit für
Celle darzustellen.“ Bislang spielt dieses Thema im einzigen Heimatmuseum
der Stadt keine große Rolle.
Darüber, wie eine lokale Aufarbeitung der NS-Zeit aussehen könnte, scheint
es unterschiedliche Vorstellungen zu geben. CDU-Fraktionschef Gevers
spricht davon, dass auch die wenigen Bombenangriffe auf die Celler
Bevölkerung dargestellt werden sollen. SPD-Politikerin Wiegel hält es für
erforderlich, die große Zahl der ab 1945 aus dem Osten kommenden
Flüchtlinge als Kriegsfolge in die Ausstellung mit einzubeziehen.
Das von Knoch vorgelegte Konzept dagegen will die Mechanismen der
nationalsozialistischen Herrschaft am Beispiel einer Kleinstadt verstehbar
machen. Ob die weiteren Forschungen zur NS-Zeit in Celle, die die Grundlage
für das geplante Zentrum bilden, realisiert werden können, hängt letztlich
ebenfalls vom Votum des Stadtrates ab.
5 Mar 2012
## AUTOREN
Joachim Göres
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