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# taz.de -- Kommentar Zapfenstreich Wulff: Eben kleinlaut, jetzt in großer Pose
> Gerade bei denen, die jetzt von einem „unehrenhaften“ Verhalten Wulffs
> sprechen und sich moralisch aufplustern, scheint der doppelte Boden ihrer
> Argumente deutlich durch.
Bild: Allein unter Militärs: So wird es wohl auch am Donnerstag laufen für Ch…
Wenn die Bundeswehr Christian Wulff zum Ende seiner Präsidentschaft „Ebony
and Ivory“ bläst, werden viele Politiker den alten McCartney-Song von der
Gleichheit nicht mitschunkeln können. Sie wollen es nicht. Die noch
lebenden Ex-Staatoberhäupter haben für den Zapfenstreich am Donnerstag
abgesagt, Oppositionspolitiker sprechen von einer unangemessenen Ehrung für
Wulff. Und selbst wer gar nicht eingeladen ist, erzählt jetzt gern und
öffentlich herum, warum er sowieso nicht gekommen wäre.
Aus dem Großen Zapfenstreich wird so ein kleiner, aus der höchsten Ehrung
der Bundeswehr für eine Zivilperson ein letzter symbolischer Akt der
Missbilligung Wulffs. Das mag einerseits bei einem an sich selbst
gescheitertes Verfassungsorgan, bei einem Politiker, der mit
Kreditfreundschaften, Drohanrufen und flexiblem Umgang mit der Wahrheit für
Schlagzeilen sorgte eine angemessene Form des Schlussstriches sein.
Andererseits scheint gerade auch bei denen, die jetzt von einem
„unehrenhaften" Verhalten Wulffs sprechen und sich moralisch aufplustern,
der doppelte Boden ihrer Argumente deutlich durch. Sozialdemokraten, die
noch vor Wochen meinten, ein neuerlicher Rücktritt von der
protokollarischen Spitze des Staates würde diesen in eine Krise führen,
weiden jetzt die spät erfolgte Demission parteipolitisch aus. Abgeordnete,
die sich in der Frage der Versorgung des Ex-Präsidenten eben noch hinter
dem Hinweis versteckten, die Gelder stünden ihm nun einmal zu, wollen das
für den Zapfenstreich nicht gelten lassen, auf den ein scheidendes
Staatsoberhaupt formal betrachtet ebenso Anspruch hat.
Hatte es ihnen am Mumm gefehlt, den Sold für den Ex-Präsidenten wenigstens
vorübergehend zu stoppen, soll Wulff nun mit dem Boykott des Zapfenstreichs
an der ohnehin schon beschädigten Ehre getroffen werden. Wo es aber kaum
mehr um das demokratiepolitisch dünne Eis geht, durch das der Mann mit dem
Hannoveraner Freundeskreis brach, um die gefährliche Nähe von Wirtschaft
und Politik, sondern fast nur noch um Maßstäbe der persönlichen Moral,
müssten diese auch für alle gleichermaßen gelten.
Ist Wulff, den man mit politischer Kritik nicht schonen soll, etwa die
Ausnahme in einem Betrieb, der sich gern um sich selbst zuerst kümmert?
Dieselben Leute, die jetzt wegen Wulffs Ehrensold und der Gewährung
weiterer Privilegien mit großer Pose auf der Barrikade stehen, waren
kleinlaut, als sich der Bundestag im vergangenen Juni für dieses und
kommendes Jahr eine Diätenerhöhung um insgesamt fast 600 Euro genehmigte.
Damals hieß es, der naheliegende Eindruck der Selbstbedienung könne
korrigiert werden, wenn auch eine angemessene Versorgungsregelung gefunden
würde – ein Versprechen, das umgehend in einer Kommission versenkt wurde,
von der man seither nichts mehr gehört hat.
„There Is Good And Bad In Ev'ryone“, singen Paul McCartney und Stevie
Wonder in „Ebony and Ivory“. Bei Wulffs von Absagen gezeichnetem
Zapfenstreich am Donnerstag wird leider nur die Instrumentalfassung
gespielt. Wahrscheinlich hätte sowieso keiner richtig hingehört.
Anmerkung der Redaktion: Wie am Dienstagmittag vom Bundespräsidialamt
bekannt gegeben wurde, wird „Ebony and Ivory“ nun doch nicht beim Großen
Zapfenstreich gespielt. Zu hören sein wird eine Serenade aus dem
„Alexandermarsch“ von Andreas Leonhardt, „Over the Rainbow“ von Harold
Arlen, „Da berühren sich Himmel und Erde“ von Christoph Lehmann sowie die
„Ode An die Freude“ von Ludwig van Beethoven (dapd).
6 Mar 2012
## AUTOREN
Tom Strohschneider
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