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# taz.de -- INKLUSION: Der große Zusammentanz
> Das Projekt "KlangKörper1", das heute Premiere hat, verbindet Landfrauen,
> Gymnasiasten, Förderschüler und Rollifahrer zu einem choreografischen
> Ganzen.
Bild: Freudenberger Landfrauen tanzen mit Förderschülerinnen aus Huchting.
„Bitte alle in den 130er-Block“ ruft Alexander Hauer, 260 Beine traben auf
die Bühne der Staplerhalle und stehen dann still – erstaunlich still.
Gymnasiasten und Förderschüler, Rollifahrer und Kampfsportler, Grundschüler
und grauhaarige Landfrauen konzentrieren sich auf den Beginn der
Choreografie, hinter ihnen setzten die Musiker der Deutschen
Kammerphilharmonie ihre Bögen an. Alexander Shelley gibt den Einsatz zu
Johann Sebastian Bachs Orchestersuite Nr. 4.
Massenchoreografien, aufgeregte Schüler, ein Spitzendirigent, das
Weltklasse-Orchester: Was sich unter dem Projekttitel „KlangKörper1“
derzeit in der Überseestadt tut, klingt nach dem Setting des berühmten
Dokumentarfilms „Rhyhm Is It!“ Doch Projektleiter Hauer ist – zum Glück!…
kein regionaler Royston Maldoom. Während der gelegentlich ziemlich
feldwebelige Brite große Schülermengen in kurzer Zeit zu eindrucksvollen
Figuren formen – um dann wieder zu entschwinden –, ist im „KlangKörper“
sehr viel Platz für Eigenes, auch Individuelles. Schon vergangenen Herbst
hatten Hauer und seine Co-Leiterin Corinna Bruggaier angefangen, mit
insgesamt sieben Gruppen einzeln zu trainieren. Eine Kickbox-Sequenz zur
Bach-Pavane? Kein Problem für Hauer, eben sowenig wie ein reigenartiger
Input, der mutmaßlich von den Freudenberger Landfrauen stammt. Allerdings
mussten sich alle Beteiligten auch auf jeweils völlig fremde Musikwelten
einlassen: Komponist Karsten Gundermann, dessen musikalischer
Spannungsbogen von der Peking-Oper bis zum Werbetrailer reicht, hat den
Bachsuiten zahlreiche Intermezzi hinzu gefügt, die den barocken Kontrapunkt
zu kräftigem Funk und Triphop verfremden.
Die Kammerphilharmonie, verstärkt durch Schlagzeug und E-Bass, live diesen
Gundermann spielen zu hören, ist schon für sich genommen ein Erlebnis: Wenn
MusikerInnen dieses Kalibers anfangen zu funken, ist die musikalische
Durchschlagskraft enorm. Auch bei den zuhörenden Schülern gibt es kein
Halten. Bei ihren Proben hatten sie nur eine Computer generierte
Orchester-Simulation, jetzt reißt sie der Livesound zu
Spontan-Choreografien hin.
Ein echter Komponist, das große Orchester: Der Aufwand und die
Aufmerksamkeit tun den Schülern sichtbar gut, bei ihren Lehrern löst die
Probendisziplin Erstaunen aus – wie aber klappt es mit der ebenso berühmten
wie oft nur oberflächlich bemühten „Integration“? Im „Klangkörper“ i…
sowohl auf der Bühne wie auch in den Pausen zu erleben: Offensichtlich sind
zahlreiche persönliche Beziehungen entstanden, und wenn Landfrau Ingrid mit
dem so genannten Schwererziehbaren Walzer tanzt, muss dem eine ganze Menge
Beziehungsarbeit voraus gegangen sein. Dass man sich überhaupt mal anfasst
ist ja auch zwischen SchülerInnen ansonsten nicht selbstverständlich.
Nur die Finanzierung des Großprojekts ist nicht gerade integrativ: Während
Niedersachsen viel zum 250.000 Euro-Etat beiträgt, kommt aus Bremen kein
Cent. Diese Schieflage wird vor allem bei den geplanten jährlichen
Fortsetzungprojekten problematisch werden, wenn die Anschubfinanzierung
durch die „Aktion Mensch“ weg fällt.
7 Mar 2012
## AUTOREN
Henning Bleyl
## TAGS
Inklusion
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