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# taz.de -- Abschluss Nationaler Volkskongress in China: Reformtheater in Peking
> Chinas Premier Wen Jiabao spricht sich für einen politischen Wandel aus.
> Gleichzeitig wird das Strafrecht gegen „Staatsfeinde“ verschärft.
Bild: Seit Jahrzehnten folgt das Pekinger Politschauspiel denselben Ritualen.
BERLIN taz | Die Bürger nehmen ihn kaum wahr, die Börsen jedoch reagieren
schnell: Kaum hatte Chinas Premier Wen Jiabao zum Abschluss des Nationalen
Volkskongresses angekündigt, die Regierung wolle weiter versuchen, den
Bauboom unter Kontrolle zu bekommen, fielen die Immobilienaktien an den
Börsen von Schanghai und Shenzhen.
Seit Jahrzehnten folgt das Pekinger Politschauspiel denselben Ritualen:
Fast 3.000 meist handverlesene Abgeordnete kommen im März zusammen. Sie
debattieren die zuvor von der Führung der Kommunistischen Partei
beschlossenen Rechenschaftsberichte und Gesetzesvorlagen und segnen sie ab.
Dies war auch in diesem Jahr nicht anders. Höhepunkt zum Schluss: die
Pressebegegnung des Regierungschefs, der drei Stunden Fragen chinesischer
und ausländischer Journalisten beantwortete. Allerdings waren viele Themen
zuvor von Kadern und Diplomaten mit den Reportern abgesprochen worden.
Kurz zuvor hatten rund 2.600 Delegierte für eine unter Juristen und
Bürgerrechtlern umstrittene Neufassung des Strafrechts gestimmt. Danach
dürfen Jugendliche und geistig Behinderte nicht mehr so schnell in
Umerziehungslager oder Gefängnisse eingeliefert werden. Verteidiger sollen
leichter mit ihren Mandanten sprechen können.
## „Staatsfeind“ ist ein weiter Begriff
Doch die neuen Regeln bekräftigen auch eine bereits praktizierte Willkür:
Sie erlauben Polizisten und Ermittlungsbehörden, Verdächtige monatelang an
einem geheimen Ort festzuhalten, ohne Anwälten und Angehörigen über ihr
Schicksal Bescheid zu geben. Es reicht, dass Polizisten oder Staatsanwälte
den Verdächtigen vorwerfen, „Terroristen“ oder „Staatsfeinde“ zu sein.
Gewöhnlich müssen die Familien Festgenommener nach 24 Stunden informiert
werden. Kritiker des Gesetzes wenden ein, dass der Begriff „Staatsfeind“
oft zu weit ausgelegt werde.
Vor diesem Hintergrund scheint es wenig zu passen, dass sich Premier Wen
den Journalisten als Reformer präsentierte: China brauche nicht nur mehr
soziale Gerechtigkeit und mehr Chancen für die Armen, erklärte er. China
brauche auch politischen Wandel, um einen Rückfall in die Kulturrevolution
(1966–1976) zu vermeiden. „Die Regierung hat ihre Macht vom Volke
bekommen“, sagte Wen. „Deshalb sollten wir die Bedingungen schaffen, dass
die Menschen die Regierung kritisieren können.“
Mit solchen Worten hat Wen schon in der Vergangenheit unter liberalen
Chinesen Hoffnungen geweckt. Doch die Kräfte in der Partei, die einen
härteren Kurs fahren wollen, sind derzeit ganz offenkundig stärker.
Bis zum Herbst, wenn eine neue Generation von Politikern an die Spitze der
Partei rückt, dürfte sich die Repression gegen Andersdenkende nach Ansicht
von vielen Fachleuten verschärfen. Die nächste Generation dürfte auch mit
wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben, der Boom der letzten Jahre
schwächt sich ab. Premier Wen sprach von einem Wirtschaftswachstum von
lediglich 7,5 Prozent.
14 Mar 2012
## AUTOREN
Jutta Lietsch
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