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# taz.de -- Pankower Haushalt: Rettung mit Unbekannten
> Bezirksverordnete beschließen Haushalt ohne Kürzungen bei der Kultur. Die
> Künstler misstrauen den Lösungen.
Bild: Pankow und die Kunst: Udo Lindenberg hat seinen Sonderzug auch als Bild v…
Die Pankower Politiker erklären die von der Schließung bedrohten
Kultureinrichtungen des Bezirks für gerettet – die Künstler buhen sie dafür
aus. Diese seltsame Situation herrschte am Mittwochabend, als die
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) nach fünfeinhalb Stunden Sitzung den
Pankower Haushalt verabschiedet hatte.
Zwar war es den Bezirksverordneten gelungen, einen kompletten
Kulturkahlschlag abzuwenden. So ist im nun beschlossenen Haushalt sowohl
der Erhalt des Kulturareals Ernst-Thälmann-Park als auch der von
Musikschulstandorten und Bibliotheken vorgesehen. Dafür soll das
Kulturareal nun an einen Treuhänder übergeben werden und von diesem zur
Nutzung für das Theater unterm Dach, die Wabe und die Galerie Parterre
zurückgemietet werden. Dadurch will der Bezirk jährlich 100.000 Euro plus
knapp 8 Millionen Euro für die Sanierung des Geländes einsparen.
Doch die Künstler trauen dieser Rechnung nicht über den Weg. Mit lauten
Zwischenrufen sowie angemeldeten Redebeiträgen mischten sie sich immer
wieder in die Diskussion ein, die der Verabschiedung des Haushalts
vorausging. Zwischenzeitlich war im Tagungssaal nicht einmal mehr ein
Stehplatz frei. So viel Publikum ist die Pankower BVV sonst nicht gewöhnt.
„Mir hat diese Gleichung zu viele Unbekannte“, meint etwa Jens Becker vom
Aktionsbündnis Berliner Künstler. Schließlich habe die Gesellschaft für
Stadtentwicklung (GSE), die als Treuhänderin im Gespräch ist, das Haus
bislang nicht geprüft und niemand wisse, wie viel Miete sie verlangen
werde. Außerdem stände die endgültige Verabschiedung des Pankower Haushalts
durch das Abgeordnetenhaus ja auch noch aus. „Wir haben die Sorge, dass das
Land das Areal dem Bezirk endgültig wegnehmen könnte“, sagt Becker.
Auch die anderen Parteien sparten nicht mit Kritik am Haushaltsentwurf, den
federführend SPD und Grüne erarbeitet hatten und der auch die Abgabe des
Bezirksamtsgeländes in der Fröbelstraße an den Liegenschaftsfonds vorsieht.
„Sie versuchen, das Interesse der Öffentlichkeit derzeit zu nutzen, um
einen künstlichen Druck zur Abgabe von Immobilien aufzubauen“, sagte
Johannes Kraft, Vorsitzender der CDU-Fraktion. Zwar gebe es beim
Thälmann-Park einen Sanierungsrückstand, aber die Übertragung sei ein
Schnellschuss. „Sie sagen ja nicht nur, dass wir das Gelände an einen
Treuhänder abgeben sollen. Sie sagen auch noch, an wen.“ Michael van der
Meer, Fraktionsvorsitzender der Linken, bezweifelte, dass so eine
Übertragung überhaupt finanziell sinnvoll sein könne: „Da wurde doch mit
Wunschpreisen gerechnet.“
Zwar verteidigten SPD und Grüne ihren Haushalt vehement gegen die Kritik.
„Die klare Botschaft ist, dass die kulturellen Einrichtungen gesichert
werden können“, sagte Cornelius Bechtler (Grüne), Vorsitzender des Pankower
Finanzausschusses. Möglich sei das nur, indem die wenigen finanziellen
Mittel in Menschen statt in die Sanierung maroder Häuser gesteckt würden.
Dennoch konnte er nicht bestreiten, dass die Verhandlungen mit den
möglichen Treuhändern erst jetzt aufgenommen werden. Für das Kulturareal
Thälmann-Park wird dieser Haushalt somit nur zu einer Absichtserklärung für
den Erhalt. Wirklich gesichert ist nichts. „Wir werden die Entwicklung der
kommenden Monate genau beobachten“, erklärte Becker vom Aktionsbündnis.
Für die Künstler ist der Überlebenskampf damit längst nicht ausgestanden.
Immerhin wissen sie nun aber den politischen Willen auf ihrer Seite. Anders
ergeht es den Besuchern der Seniorenfreizeitstätte „Stille Straße“. Diese
Einrichtung ist die einzige von der ursprünglichen Kürzungsliste, die
tatsächlich geschlossen werden soll. Die Angebote sollen jedoch in anderen
Räumen des Bezirks weitergeführt werden. „Wartet, bis ihr selber alt
werdet“, schrie eine alte Dame, als der Beschluss verkündet wurde. „Dauert
ja nicht mehr lange.“
15 Mar 2012
## AUTOREN
Juliane Wiedemeier
## TAGS
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
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