# taz.de -- Jüdische Geschichte: Parkplätze statt Synagogen | |
> Eine Ausstellung in Potsdam beschäftigt sich mit jüdischem Leben in der | |
> Region. Dass sie mit wenigen Exponaten auskommen muss, ist Teil der | |
> Geschichte. | |
Bild: Postkarte von Eberswalde mit der Synagoge im Vordergrund, Anfang 20. Jahr… | |
Das Thorafragment ist in einer Mopedwerkstatt aufgetaucht, den | |
Koscherstempel kramte ein älterer Herr aus seiner Schublade: Gut ein Jahr | |
lang recherchierten Studierende der Universität Potsdam in Zusammenarbeit | |
mit dem Moses Mendelsohn Zentrum nach Zeugnissen jüdischen Lebens in | |
Brandenburg. Sie haben Archive von Städten und Dörfern gesichtet, mit | |
Bewohnern gesprochen und Geschichten gesammelt. Dass die Ausstellung | |
„Synagogen in Brandenburg – eine Spurensuche“ trotzdem nur wenige Exponate | |
zu zeigen hat, ist Teil der Geschichte. | |
## Vergessen und verschollen | |
Denn vieles vom einst regen jüdischen Leben in Brandenburg bleibt vergessen | |
und verschollen. Bis in die 1930er Jahre standen in mehr als 50 Ortschaften | |
Synagogen oder Häuser jüdischen Gemeindelebens. Bereits im Mittelalter | |
fanden meist in privatem Rahmen jüdische Gottesdienste statt. Zu Beginn des | |
19. Jahrhunderts entstanden erstmals sakrale Stätten. Sie waren dem Leiter | |
des Moses Mendelsohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Uni | |
Potsdam (MMZ), Julius Schoeps, zufolge „schlichte Bauten eines angepassten | |
Judentums, rational und bescheiden“. | |
Einige der Gebäude wurden nach nur wenigen Jahrzehnten wegen Abwanderung | |
der Gläubigen aufgegeben. Die meisten Synagogen setzten die | |
Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht 1938 in Brand. Doch auch nach | |
1945 sollten die ehemaligen Stätten jüdischen Gemeindelebens der | |
kollektiven Erinnerung entzogen werden und in Vergessenheit geraten. | |
Dementsprechend existieren kaum Belege für die Bauten. Die Schau im Haus | |
der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) in Potsdam präsentiert | |
erstmals Zeugnisse von 44 Orten – ob Synagogen, Bethäuser oder | |
Privatwohnungen als Treffpunkte des religiösen Zusammenlebens. Auf | |
Farbtafeln sind die Orte daneben zu sehen, wie sie sich präsentieren – als | |
überaus gewöhnliche Ansichten: Brachen mit Parkschild, Neubaublocks, | |
Einkaufszentren, Einfamilienhäuser am Straßenrand. „Dabei macht man die | |
Entdeckung, dass die Orte der Synagogen im heutigen Stadtbild auf | |
erschreckende Weise nicht präsent sind“, sagt der Leiter des HBPG, Kurt | |
Winkler. „Es wird einem bewusst, wie Geschichte auch getilgt werden kann.“ | |
Oder, wie es der Historiker Schoeps ausdrückt: „Das Problem in Deutschland | |
ist, dass dort, wo Synagogen standen, heute Parkplätze sind.“ | |
Schoeps sieht in der Ausstellung folglich die Möglichkeit, Wissen über | |
jüdisches Leben in der Region zu vermitteln. Gerade in der angespannten | |
Diskussion über den Neubau der Synagoge in Potsdam (taz berichtete) sei | |
dies wichtig. Nach heftigen Kontroversen um den Entwurf des Architekten | |
Jost Haberland wurde im vergangenen Jahr ein Baustopp verhängt für die | |
Synagoge, die eigentlich im April dieses Jahres fertiggestellt sein sollte. | |
„Vielleicht hilft die Beschäftigung mit der Geschichte bei der hitzigen | |
Debatte“, hofft Schoeps. Hier werde schließlich nichts gänzlich Neues | |
geplant, sondern an Geschichte angeknüpft. | |
## Meilenstein der Gleichstellung | |
Schoeps verweist darauf, dass die Idee zur Ausstellung bereits im April | |
2009 aufkam, als die ersten Architekturentwürfe im Gewölbe des Hauses der | |
Brandenburgisch-Preußischen Geschichte gezeigt wurden. Eigentlicher Anlass | |
aber ist das sogenannte Emanzipationsedikt vom März 1812, mit dem Juden in | |
Preußen erstmals das Staatsbürgerrecht erhielten. Diesem Meilenstein der | |
Gleichstellung zwischen Preußen und Juden widmet sich eine zweite | |
Ausstellung im Haus, die die Auswirkungen des Gesetzes exemplarisch am | |
Leben der Familie Lesser betrachtet. | |
Ab Sommer soll „Synagogen in Brandenburg“ als Wanderausstellung an | |
verschiedenen Orten gezeigt werden. Die Kuratorin Elke-Vera Kotowski hofft, | |
dabei weitere Zeugnisse jüdischen Lebens aufzuspüren. Dafür will sie auch | |
die Bevölkerung zum Mitmachen aufrufen. „Ich bin mir sicher, dass es an | |
jedem Ort irgendein Exponat gibt.“ So vermuten die Historiker etwa auch | |
ehemalige Synagogen in Bad Wilsnack, Fürstenberg oder Ziesar. Bislang | |
fehlen jedoch eindeutige Quellen. | |
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23 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Grit Weirauch | |
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