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# taz.de -- Olaf Scholz über Genossenschaften: „Zur taz passt dieses Modell�…
> Man muss mit seinem Geld auskommen, meint Olaf Scholz, heute
> Bürgermeister von Hamburg. Vor 20 Jahren riet er der taz, zum Überleben
> eine Genossenschaft zu gründen.
Bild: „Die Idee war, dass eine Genossenschaft eine sehr moderne Form demokrat…
tazlab: Herr Scholz, die taz hat Ihnen zu danken – Sie haben damals dem
Geschäftsführer des jungen Unternehmens den Tipp gegeben, sich als
Genossenschaft zu etablieren.
Olaf Scholz: Ich war es nicht allein. Anfang der Neunziger war ich
Rechtsanwalt und Syndikus des Zentralverbandes deutscher
Konsumgenossenschaften – und taz-Leser.
Und lasen damals typischerweise von einer taz-Rettungskampagne?
Es ging jedenfalls um die Zukunft der taz, ja. So stellte ich den Kontakt
her. Die Idee war, dass eine Genossenschaft eine sehr moderne Form
demokratischer Selbstorganisation in der Wirtschaft sein kann.
Weshalb?
So wird möglich, unabhängig von einer Börse Eigenkapital einzusammeln, ohne
dass das dazu führt, dass die einen mehr, die anderen weniger zu sagen
haben. Ein Projekt, das als Unternehmen jenseits von Profit überleben will.
Sie, noch kein Spitzenpolitiker, griffen zum Hörer …
… das weiß ich nicht mehr ganz genau. Habe ich einen Brief geschrieben? Ich
glaube, ich habe Kalle Ruch (bis heute Geschäftsführer der taz, d. Red.)
angerufen. So kam es zu Gesprächen, mit ihm und Johnny Eisenberg.
War man überrascht, Ratschläge zum publizistischen Überleben zu erhalten?
Das müssen Sie Ihre Kollegen fragen. Aber für mich war offensichtlich, dass
man am besten eine Genossenschaft begründet, um die Eigenkapitalprobleme
der taz zu lösen – versehen mit einer juristischen Struktur samt
eingebauter Wirtschaftsprüfung. Man muss mit seinem Geld auskommen!
Tipps von einem Sozialdemokraten!
Ich weiß nicht, mit welchen Vorstellungen über die SPD Sie durch die Welt
laufen. Ich hatte die taz seit ihrer Gründung gelesen. Damals, als es um
die Genossenschaft ging, lag meine Zeit als stellvertretender
Bundesvorsitzender der Jungsozialisten ja noch nicht weit zurück. Komplett
andere Vorstellungen als jene, von denen in der taz zu lesen war, hatten
wir ja nicht.
Wie haben Sie, jenseits Ihrer Lektüre, die taz erlebt?
Kalle Ruch kam mir als hochprofessioneller – ich hoffe, ich tu ihm da jetzt
nichts an – Manager dieses Unternehmens entgegen. Das Vertrauen, das auch
die Prüfer des Genossenschaftsverbandes schnell zu ihm gewinnen konnten,
hat bestimmt dazu beigetragen, dass aus der ersten Idee schließlich die
Gründung und seither ein stabiles Unternehmen geworden ist. Er – wie
überhaupt die taz – hat auch beim Prüfungsverband viele Freunde gefunden,
auch manche, die vielleicht bis dahin in die Zeitung taz noch nie
reingeschaut hatten. Und ich war vielleicht sowieso nicht der Spießer, der
sich vorstellte, dass alternativ gleich chaotisch bedeuten muss.
Ihr Verhältnis zur taz heute?
Ich teile nicht alles, was in Ihrer Zeitung steht. Aber die taz ist ein
Teil meiner Vorstellungswelt als fortschrittlicher Politiker in
Deutschland. So würde ich mich jedenfalls selber verstehen.
Von Ihnen abgesehen …
… ist die taz eine Zeitung, die inzwischen über eine lange Geschichte und
Stabilität verfügt. Sie ist für die demokratische Öffentlichkeit in
Deutschland unverzichtbar. Gäbe es sie nicht (mehr), würde ich als
sozialliberaler Bürger sie vermissen.
Ist das Genossenschaftsmodell nur für die taz nützlich?
Keineswegs, die Schaffung einer erwerbswirtschaftlichen Form, die
solidarisch verankert bleibt, ist für sehr viele Initiativen und Projekte
geeignet. Letztlich hat die Genossenschaftsform mit bewirkt, dass sich ein
ganz bestimmter Teil der Presseöffentlichkeit, der mir wichtig ist,
erhalten konnte.
Gilt das auch für andere Unternehmen?
Zur taz passt dieses Modell – weil ihr Publikum ein starkes Bewusstsein für
Selbstorganisation hat. Wer's nicht hat, für den ist eine Genossenschaft ja
ungeeignet. Ich glaube, diese hat die starke Leser-Blatt-Bindung der taz
stabilisiert.
Was bewog Sie überhaupt, sich während ihres Jurastudiums mit
Genossenschaften zu beschäftigen? Das war ja nicht gerade ein angesagtes
intellektuelles Beschäftigungsfeld.
Ich kannte als Kind natürlich Einkaufsgenossenschaften, die aus der
Arbeiterbewegung hervorgegangen waren. Aber zunächst hat mich dieses Feld
nicht mitgerissen – Skepsis jedoch hatte ich auch nie entwickelt. Bis heute
finde ich es erstaunlich, dass die Gemeinwirtschaft so wenig Beachtung
findet.
Was unterscheidet Genossenschaften von anderen Unternehmensformen?
Sie sind darauf gerichtet, Ziele durchzusetzen, die von den normalen
Marktprozessen nicht erreicht werden. Das ist wichtig. Dass man immer noch
preiswert Lebensmittel einkaufen konnte, ist eine große Verbesserung für
unglaublich viele Menschen gewesen und eine Erfindung der
Konsumgenossenschaft.
Es hat Fehlentwicklungen …
… gegeben, ja, aber die co op AG ist ja als AG pleitegegangen, nicht als
Genossenschaft.
Hat Genossenschaft noch Zukunft?
Natürlich! Im Wohnungsbau, in der Landwirtschaft, auch im
Lebensmittelbereich – und im publizistischen Sektor, siehe die taz. Ich
hoffe, dass es weiter möglich sein wird, manches, was an selbst
organisiertem Wirtschaften heute interessant wird, über die Rechtsform der
Genossenschaft zu gestalten.
Gibt es keine Probleme – etwa für junge Unternehmensideen?
Das Genossenschaftsrecht darf nicht dazu führen, dass die Bildung von
gemeinwirtschaftlichen Unternehmen allzu aufwendig und kompliziert wird. Es
wäre vernünftig, wenn die Bedingungen strikt ausformuliert werden, aber die
Hürden vor der Gründung einer Genossenschaft nicht zu hoch sind.
Wo wären Genossenschaften modern noch denkbar?
Soziale Medien rufen eigentlich danach, dass sich Gleichgesinnte zu einem
Netzwerk zusammenschließen – in einer Genossenschaft. Das wäre naheliegend.
Und ich kann mir vorstellen, dass in bestimmten Konsumgüterbereichen mehr
Genossenschaften nötig sind. Ob das nun unter dem Stichwort „Fairtrade“
stattfindet oder unter „biologische Lebensmittel“ ist einerlei.
Sind Sie taz-Geno-Mitglied?
Nein, nicht mehr. Meine Regel lautet: Ich bin, außer als – nicht aktiver –
Anwalt in meiner Kanzlei – nirgendwo mehr an Unternehmen beteiligt. Das
verhindert Interessenkollisionen.
Und falls Sie nicht mehr Bürgermeister von Hamburg sind?
Wäre das denkbar.
Was wünschen Sie der taz?
Persönlich, dass die taz und die Genossen auch in Zukunft glücklich sind.
Dass sie angesichts der Veränderungen im Mediensektor immer wieder mit
neuen Einfällen weiterkommen wollen. Die taz wird gebraucht!
23 Mar 2012
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
tazlab 2012: „Das gute Leben“
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