| # taz.de -- Studierendenproteste in Kanada: „Es wird militanter werden“ | |
| > Kanada möchte die Studiengebühren in den nächsten fünf Jahren um 75 | |
| > Prozent erhöhen. Dagegen formiert sich eine neue Studierendenbewegung in | |
| > Quebec. | |
| Bild: Klare Botschaft: „Nein zur Erhöhung der Gebühren“. | |
| 200.000 Studierende, Eltern und Hochschulangehörige haben am Donnerstag in | |
| Montreal gegen die geplante Erhöhung der Studiengebühren in Quebec | |
| protestiert. Die Demonstration war der vorläufige Höhepunkt einer neuen | |
| Studierendenbewegung, die Quebec seit Wochen in Atem hält. „Eine der | |
| größten Demonstrationen in der Geschichte Quebecs“, berichtet Olivier | |
| Lavoie* begeistert über den Tag. | |
| Der Student der „Université du Quebec a Montreal“ war Ende der Woche mit | |
| auf der Straße. Von einem Dach grüßten Studierende den Demozug mit einer | |
| Banderole: „Blockieren wir zusammen die Erhöhung“. Ab dem Herbst dieses | |
| Jahres will die Regierung von Quebec die Studiengebühren in den nächsten | |
| fünf Jahren stufenweise jedes Jahr von aktuell 2.168 kanadische Dollar auf | |
| 3.793 Dollar pro Jahr erhöhen. Eine Steigerung von 75 Prozent. | |
| Seit Mitte Februar boykottieren die Studierenden in Quebec ihre | |
| Universitäten und Colleges, beinahe täglich gab es Demos, Aktionen und auch | |
| Blockaden. Laut Angaben des linkssyndikalistischen Zusammenschlusses | |
| „Coalition large de l'Association pour une solidarité syndicale étudiante“ | |
| (Classe) befinden sich derzeit 192 000 Studierende im unbefristeten Streik | |
| und 193.000 im befristeten Streik. In Quebec zahlen die Studierenden die | |
| niedrigsten Studiengebühren aller Provinzen Kanadas. Das hat auch | |
| historische Gründe, sagt Olivier. | |
| Wie in Deutschland ist auch in Kanada Bildung Ländersache. Im traditionell | |
| eher linken Quebec gibt es seit der Studierendenbewegung der sechziger | |
| Jahre eine „Deckelung“ der Studiengebühren, erzählt Olivier. Die will die | |
| Provinzregierung nun, in Zeiten klammer öffentlicher Haushalte, aufheben. | |
| Zielscheibe des Protest auf der Großdemo am Donnerstag war auch der | |
| Premierminister der aktuell regierenden liberalen Partei John James | |
| Charest. Dessen Reaktion auf die Proteste: „Darüber haben wir schon | |
| jahrelang debattiert, die Studierenden und ihre Eltern hatten nun wirklich | |
| genug Zeit, zu sparen“. | |
| „Keine Festnahmen, keine Verletzten, keine Gewalt“, so beschrieb eine | |
| kanadischen Zeitung am Freitag den Protest. Das lag wohl auch daran, das | |
| die Polizei sich bei der Großdemo zurückgehalten hatte – angesichts der | |
| massenhaften Beteiligung der Studierenden. In den letzten Wochen hatte es | |
| immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Studierenden und der Polizei | |
| gegeben. Dabei setzte die Polizei wiederholt Tränengas und Pfefferspray | |
| ein. Höhepunkt war die Verletzung des 22-jährigen Studenten Francois | |
| Grenier. Sein rechtes Auge wurde Anfang März durch eine Blendgranate der | |
| Polizei schwer verletzt. Ob der Student auf diesem Auge jemals wieder sehen | |
| kann, ist unklar. | |
| Am Wochenende debattierten die Studierenden, wie der Protest verstärkt | |
| werden könne. Die beiden größten Studierendengewerkschaften Quebecs, die | |
| „Federation etudiante collegiale du Quebec“ (FECQ) und die „Federation | |
| etudiante universitaire du Quebec“ (FEUQ), kündigten an, den Protest auch | |
| in öffentliche Auftritte von Parlamentsabgeordneten zu tragen. Dieses Jahr | |
| stehen in Quebec Parlamentswahlen an. Die oppositionelle „Parti Quebecois“ | |
| kündigte bereits an, die Erhöhung der Studiengebühren zurückzunehmen, wenn | |
| sie in die Regierung gewählt wird. | |
| Ob es bei der „Bearbeitung“ von Abgeordneten bleiben wird, ist unklar. Ein | |
| Vertreter eines offensiveren Vorgehens ist der linkssyndikalistische | |
| Zusammenschluss „Classe“. Am Donnerstag zogen Mitglieder der Gruppe ein | |
| riesiges Transparent über einen Teil der Demonstration. „Der 22. März ist | |
| nur der Anfang“, stand darauf. | |
| Das hofft auch Olivier. Er will weiter streiken: „Wir befinden uns im | |
| unbefristeten Streik, bis die Bildungsministerin auf unsere Forderungen | |
| eingeht“, sagt er. Die hat schon klargestellt, dass sie an der Erhöhung der | |
| Studiengebühren festhalten will und Gespräche mit | |
| StudierendenvertreterInnen ablehnt. Olivier erwartet deshalb eine | |
| Eskalation der Proteste. „Es wird militanter werden“, prophezeit er. Schon | |
| am Dienstag wollen die Studierenden erneut auf die Straße zu gehen, weitere | |
| Demos sollen Anfang April folgen. | |
| *Name geändert | |
| 25 Mar 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Moritz Wichmann | |
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| Weltsozialforum | |
| Kanada | |
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