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# taz.de -- Transsexualität: Gegen die Angst vor der Abweichung
> Das Bündnis „Alex“ demonstriert gegen die Psychiatrisierung eines
> Transmädchens. Am Montagnachmittag findet eine Demo in Berlin statt.
Bild: Wer ist Junge, wer Mädchen? Manchmal nicht eindeutig zu beantworten.
BERLIN taz | Sind Transsexuelle krank? Müssen sie „geheilt“ werden? Wenn
nicht, warum werden sie dann so behandelt? Für den heutigen Montag ruft ein
Bündnis aus Engagierten der Trans-, Inter- und Queer-Bewegung dazu auf, in
Berlin gegen die Pathologisierung von Transsexualität zu demonstrieren.
Anlass ist ein Gerichtsbeschluss, nach dem das Jugendamt ein elfjähriges
Trans-Mädchen in die Psychiatrie der Charité-Klinik einliefern darf.
Das unter dem Pseudonym „Alex“ bekannt gewordene Kind ist ein Mädchen mit
männlichen Geschlechtsmerkmalen, dessen getrennte Eltern sich nicht einigen
konnten, wie mit der Transsexualität umzugehen sei. Deshalb wurde die
Gesundheitsfürsorge an das Jugendamt übertragen. Dort befand kürzlich eine
neue Pflegerin, dass das Kind in die Psychiatrie gehöre. Das Berliner
Kammergericht gab ihr letzte Woche recht. Mutter und Kind ziehen dagegen
nun vor das Bundesverfassungsgericht.
„Das ist ein besonders krasser Fall von Pathologisierung“, sagte Diana
Demiel, eine der zur Demo aufrufenden Aktiven, im Gespräch mit der taz.
„Kein Mensch kann das Geschlecht eines anderen Menschen von außen
bestimmen. Das ist eine unverschämte Anmaßung von Psychiatern.“ Dass die
Mutter dem Kind die Transsexualität „induziert“ haben solle, wie das
Jugendamt annimmt, hält Demiel für ausgeschlossen. „Das ist eine klassische
Position von misogyner Psychoanalyse, in der der Mutter generell die Schuld
zugewiesen wird. Das gilt auch in der Psychoanalyse als überholt“, so
Demiel.
Besonders der Ansatz der Charité wird in der Szene stark kritisiert: „Der
Leiter der Sexualmedizin, Klaus Beier, ist ein orthodoxer Psychoanalytiker,
der sich an Konversionstherapien orientiert, mit denen früher Homosexuelle
’geheilt‘ werden sollten. Die werden für Homosexuelle längst nicht mehr
angewandt“, sagte Demiel. Man könne allen Transmenschen nur dringend raten,
sich an unabhängige Beratungsstellen jenseits der Charité zu wenden.
Die Demo findet um 15 Uhr vor der Bildungsverwaltung, Bernhard- Weiß-Straße
6, in Berlin-Mitte statt.
Berichtigung
Auf [1][www.taz.de] war unter der Überschrift „Gegen die Angst vor der
Abweichung“ in einem Artikel vom 26.3.2012 über den Fall eines
transsexuellen Kindes und eine daraufhin initiierte Demonstration zu lesen:
„Anlass ist ein Gerichtsbeschluss, nach dem das Jugendamt ein elfjähriges
Trans-Mädchen in die Psychiatrie der Charité-Klinik einliefern darf.“
Diese Behauptung ist unzutreffend. Zutreffend ist vielmehr, dass das
Kammergericht die Beschwerde der Kindesmutter gegen einen erstinstanzlichen
Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg, mit welchem sie erfolglos die
Rückübertragung der Gesundheitssorge für das Kind begehrte, zurückgewiesen
hatte. Darüber hinaus erklärt die Berliner Charité hierzu ergänzend, sie
sei nicht bereit, das Kind gegen dessen erklärten Willen oder gegen den
erklärten Willen seiner Mutter aufzunehmen. Das Kind wird also nicht in die
Berliner Charité zwangseingeliefert.
Weiter war in dem Beitrag der taz eine Aktivistin zum Behandlungsansatz der
Charité mit den Worten zitiert: „Der Leiter der Sexualmedizin, Klaus Beier,
ist ein orthodoxer Psychoanalytiker, der sich an Konversionstherapien
orientiert, mit denen früher Homosexuelle ’geheilt‘ werden sollten." Sowohl
die Berliner Charité als auch Klaus Beier erklären hierzu, sie wenden diese
Therapien nicht an.
Gleichwohl war er einer von drei Verfassern des Buches „Sexualmedizin -
Grundlagen und Praxis“, das zuletzt im Jahre 2005 in 2. Auflage
veröffentlicht wurde. In einem namentlich nicht bezeichneten Abschnitt zum
therapeutischen Vorgehen bei Geschlechtsidentitätsstörung heißt es dort:
„Folgende psychotherapeutische Settings haben sich als hilfreich erwiesen
[...]: [...] geschlechtskonforme Verhaltensangebote [...] und adäquate
Verhaltensweisen belohnt [...]. Geschlechtsatypische Verhaltensweisen
werden nicht beachtet bzw. - beiläufig - unterbunden (nicht jedoch
sanktioniert).“
Chefarzt Klaus Beier lässt dazu mitteilen, dass er diese Passage nicht
selbst verfasst habe, sondern hierdurch lediglich die Position einer
kanadischen Arbeitsgruppe wiedergegeben werde. Leitete er noch am 12.1.2012
per E-Mail „einige Originalarbeiten zum Thema“ von anderen Verfassern an
die Autorin der taz weiter, ohne mitzuteilen, dass diese Aufsätze
anscheinend nicht ausnahmslos seine eigene wissenschaftliche Auffassung
wiedergeben, bezieht er sich nunmehr ausdrücklich nur noch auf eine
Publikation im Deutschen Ärzteblatt aus dem Jahre 2008, in der das Vorgehen
der Charité adäquat beschrieben werde.
Dagegen heißt in einem anderen der insgesamt drei übersandten Fachaufsätze
zur Behandlung von „Geschlechtsidentitätsstörungen bei Jungen“ übersetzt:
„Die spezifischen Ziele, die wir für Jungen haben, sind die Entwicklung
eines positiven Verhältnisses zum Vater (oder einer Vaterfigur), positiver
Beziehungen zu anderen Jungen, geschlechtstypischer Fähigkeiten und
Verhaltensweisen, um sich in die Gruppe Gleichaltriger oder zumindest einen
Teil von ihnen einzufügen und sich als Junge wohlzufühlen. [...] Die
Behandlung ist abgeschlossen, wenn der Junge regelmäßig die Gegenwart
gleichgeschlechtlicher Freunde sucht und sein geschlechtsübergreifendes
Verhalten weitgehend normal erscheint.“ Die Redaktion
26 Mar 2012
## LINKS
[1] /!90293/
## AUTOREN
Heide Oestreich
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