# taz.de -- Demonstrationen in Irland: Iren üben sich in zivilem Ungehorsam | |
> Mehr als 10.000 Menschen demonstrieren in Dublin gegen die | |
> Haushaltssteuer. Nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung hat sich | |
> überhaupt dafür registrieren lassen. | |
Bild: Proteste gegen die Haushaltssteuer am Samstag in Dublin. | |
DUBLIN taz | Die Iren lassen ihre Regierung auf dem Trockenen sitzen. Am | |
Samstag demonstrierten mehr als 10.000 Menschen vor dem Kongresszentrum in | |
Dublin gegen die umstrittene Haushaltssteuer. Im Gebäude, wo der Parteitag | |
der Regierungspartei Fine Gael („Stamm der Gälen“) stattfand, verteidigte | |
der zuständige Minister Phil Hogan diese Steuer und bedankte sich bei | |
denjenigen, die sie bezahlt haben. | |
Das ist weit weniger als die Hälfte der Bevölkerung. Zahlreiche linke | |
Organisationen sowie neun Abgeordnete und Gewerkschaften hatten zum zivilen | |
Ungehorsam aufgerufen – mit Erfolg: Trotz massiver Kampagnen der Regierung | |
und Androhung saftiger Strafen haben sich lediglich 800.000 von 1,8 | |
Millionen Haushalten für die Steuer registriert. | |
Selbst diese Zahl ist beschönigt, denn sie enthält knapp 90.000 | |
Registrierungsanträge, die noch nicht bearbeitet worden sind. Es ist | |
durchgesickert, dass sich zahlreiche Spaßvögel als Micky Maus oder Donald | |
Duck angemeldet haben. Statt der erhofften 160 Millionen Euro hat die | |
Regierung bisher erst 62 Millionen eingenommen. | |
Das Geld sei für die Dienstleistungen der Bezirksverwaltungen unerlässlich, | |
sagte Hogan. Zwei Tage zuvor hatte er in einem Interview noch gefragt: | |
„Würdest du eine Gebühr zahlen, wenn du mit der Dienstleistung unzufrieden | |
bist?“ | |
Er sprach in dem Fall von sich selbst. Der Independent on Sunday hatte | |
herausgefunden, dass Hogan es ablehnt, die Abgaben für Dienstleistungen in | |
seinem Penthaus in Villamoura an der Algarve zu zahlen. Hogan ärgert, dass | |
die Zeitung die Geschichte aufgegriffen hat. „Es geht nicht um öffentliche | |
Dienstleistungen“, sagte er und: „Ich habe ein Recht auf Privatsphäre.“ | |
## Keine Meldepflicht in Irland | |
Der Bevölkerung ist das Recht auf Privatsphäre per Gesetz aberkannt worden. | |
In Irland gibt es keine Meldepflicht. So hat man in das neue | |
Haushaltssteuergesetz eine Klausel eingebaut, die es der Regierung erlaubt, | |
sich bei den Elektrizitätswerken der persönlichen Daten der Kundschaft zu | |
bemächtigen, um herauszufinden, wer nicht bezahlt hat. Der | |
Datenschutzbeauftragte Billy Hawkes wurde nicht konsultiert. Er müsse | |
sicherstellen, dass nur ein Minimum an Informationen herausgegeben werde, | |
sagte er. | |
Weiterer Ärger steht der Regierung am 31. Mai ins Haus. An dem Tag müssen | |
die Iren über den EU-Fiskalpakt abstimmen. Premierminister Enda Kenny | |
sagte, das Referendum biete eine vorzügliche Gelegenheit, zu zeigen, dass | |
Irland an die Zukunft des Euro glaube. | |
„Zusammen werden wir ein System einer verantwortungsbewusste | |
Haushaltsführung aufbauen“, sagte Kenny. Irland werde bei der Erfüllung | |
seiner Zahlungsverpflichtung nicht versagen, und man werde mit der Troika | |
aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem | |
Währungsfonds über einen billigeren Weg beraten, um Irlands Schulden zu | |
finanzieren. | |
Bisher hat die Bankenrettung 64 Milliarden Euro gekostet, am Wochenende | |
sind weitere 3,1 Milliarden Steuergelder an die Pleitebank Anglo-Irish | |
überwiesen worden. Angesichts dieser Zahlen und der Sparhaushalte muss sich | |
die Regierung auf einen weiteren Akt des zivilen Ungehorsams Ende Mai | |
gefasst machen. | |
1 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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