# taz.de -- Presse-Kodex: Schleich wie Schleichwerbung | |
> Der Presserat hat dem "Weser-Kurier" eine öffentliche Rüge erteilt. Der | |
> schert sich aber nicht darum, veröffentlicht fröhlich weiter | |
> Schleichwerbung - und hat das Kontroll-Gremium ohnehin dreist belogen. | |
Bild: Angeblich sucht die Redaktion das Objekt der Woche aus. Es kostet 2.850 E… | |
Eine „öffentliche Rüge“ ist die schärfste Waffe, über die der Deutsche | |
Presserat verfügt. Im März hat der Weser-Kurier eine solche Rüge erhalten. | |
Das Gremium „Presserat“ dient der „freiwilligen Selbstkontrolle der Presse | |
in Deutschland“, zu den Trägern gehört unter anderem der Bundesverband der | |
Zeitungsverleger, in dem der Weser-Kurier Mitglied ist. Der Presserat soll | |
über den Pressekodex wachen, also die ethischen Grundsätze für Journalisten | |
und Zeitungsverlage. Dazu gehört auch die klare „Trennung von | |
redaktionellem Text und Anzeigen“, wie es im Praxis-Leitfaden zum siebten | |
Gebot des Kodex heißt. Und seine jüngste öffentliche Rüge hat sich der | |
Weser-Kurier wegen eines Verstoßes gegen die eingefangen, genauer: wegen | |
Schleichwerbung, und zwar durch die Rubrik „Objekt der Woche“ im | |
Immobilien-Teil. | |
„Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere | |
Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material“, heißt es in den Grundsätzen des | |
Presserates. Ein Fall von „Schleichwerbung“ liege vor, wenn eine | |
„redaktionelle Veröffentlichung, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, | |
Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen“, über ein „begründetes | |
öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht | |
oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird“. | |
Im Immobilien-Teil wird, unverändert auch nach der Rüge, jeden Samstag ein | |
„Objekt der Woche“ als Seitenaufmacher-Text mit großem Foto gezeigt, eine | |
schicke Immobile. Der Text dazu preist die Vorzüge des Objektes an. Ein | |
Hinweis auf die Vertriebsfirma ist wie eine Service-Fußnote dem Text | |
angefügt. Wenn das Werbung wäre und von der Immobilienfirma bezahlt, dann | |
müsste darüber „Anzeige“ stehen, mehr als 10.000 Euro kosten und alles w�… | |
in Ordnung. „Am Bürgerpark entsteht etwas Neues“ war die Überschrift am 1… | |
12. 2011. Diese Ausgabe hatte ein Leser dem Presserat gemeldet mit dem | |
Hinweis, das sei doch offenbar eine Werbe-Fläche, aber nicht also solche | |
gekennzeichnet. | |
Der Presserat fragte beim Weser-Kurier nach und bekam Auskunft. „Die | |
Rechtsvertretung der Zeitung teilt mit, dass auf der Seite ’Immobilien & | |
Wohnen‘ in der Samstags-Ausgabe regelmäßig über sogenannte ’Objekte der | |
Woche‘ berichtet werde“, heißt es im Protokoll. „Die Auswahl erfolge dab… | |
durch von der Zeitung beauftragte Redakteure. Die Veröffentlichungen seien | |
im Interesse der Leser und würden auf Projektierungen in unterschiedlichen | |
Stadtteilen hinweisen. Individualinteressen wirtschaftlich Beteiligter | |
hätten auf die Auswahl keinen Einfluss. Zudem werde die Seite als | |
’Verlagssonderseite‘ gekennzeichnet. Die Erwähnung von Ansprechpartnern f�… | |
die jeweiligen Objekte sei ebenfalls von Interesse für die Leser. Dadurch | |
müssten sie nicht mühsam recherchieren, sofern sie eine Kontaktaufnahme | |
wünschten.“ | |
Diese Darstellung, die der Presserat seiner Rüge über die Ausgabe vom | |
Dezember 2011 zugrunde legte, ist faustdick gelogen. Volker Schleich heißt | |
der Anzeigen-Akquisiteur, der im Jahre 2011 fürs Schleichwerbungs-„Objekt | |
der Woche“ zuständig war. Er verschickte an Immobilien-Firmen Werbematerial | |
–knapp 2.850 Euro kostet es, wenn man sein Immobilienangebot dort so | |
platzieren will, als hätten unbestechliche Redakteure da etwas mitzuteilen. | |
„Anzuliefern“ für diese Schleichwerbung sind „ein Foto oder | |
Computervisualisierung“, eine „Objektbeschreibung“ und die Anbieterdaten, | |
so steht es in dem Informationsblatt „Immobilienmarkt“. Verkauft wird | |
übrigens auch ein anderer redaktioneller Platz: „Top-Immobilie am | |
Sonnabend“ heißt der Text auf der dritten Seite der Immobilien-Beilage. | |
Das Autorenkürzel der Texte ist derzeit „wk“. Am 24. und 31. März ging es | |
um den Haustyp „Schwalbe“ der Brebau. Ein Schelm, wer das „wk“ als | |
Weser-Kurier entziffert. Die von den Immobilienfirmen angelieferten | |
Textinhalte müssen übrigens „seriös“ sein, heißt es in dem | |
Informationsblatt. Auf Anforderung gibt es für den Kunden einen | |
„Korrekturabzug“ der fertigen Texte. Absender: die Anzeigenabteilung. | |
3 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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