# taz.de -- 10 Jahre nach dem Bürgerkrieg in Angola: Das Einmannsystem | |
> Präsident Eduardo dos Santos regiert bereits seit 32 Jahren in Angola. | |
> Die Proteste in der Hauptstadt nehmen zu, vor allem Jugendliche fordern | |
> seinen Rücktritt. | |
Bild: Der Präsident Eduardo dos Santos ernennt Richter, kauft Staatsfirmen und… | |
JOHANNESBURG taz | Vor zehn Jahren ging in Angola einer der blutigsten | |
Bürgerkriege Afrikas zu Ende. Seit der Unabhängigkeit des Lande 1975 bis | |
zum Friedensschluss vom 4. April 2002 kämpften die Rebellen der Unita | |
(Nationalunion für die totale Unabhängigkeit Angolas) unter Jonas Savimbi | |
gegen die Regierung der einst marxistischen Befreiungsbewegung MPLA | |
(Angolanische Volksbefreiungsbewegung). | |
Der Krieg forderte Millionen Opfer und endete mit Savimbis Tod. Heute ist | |
Angola dank seines Ölreichtums eines der reichsten Länder Afrikas und ist | |
friedlich. Doch nehmen die Spannungen zu, wie Experten und Politiker aus | |
Angola und Südafrika anlässlich des 10. Jahrestags des Friedens | |
feststellen. | |
Angeregt durch die Revolutionen in arabischen Ländern, demonstrieren | |
Jugendliche immer öfter in Angolas Hauptstadt Luanda: Sie fordern den | |
Rücktritt von Präsident Eduardo dos Santos, der bereits seit 32 Jahren | |
regiert. Dos Santos ist inzwischen der dienstälteste Machthaber Afrikas. | |
Die letzte Präsidentschaftswahl war vor 20 Jahren. | |
Die reichen Ölquellen Angolas, des nach Nigeria zweitgrößten Ölförderers | |
Afrikas südlich der Sahara, sind in der Hand der internationalen Ölfirmen | |
und der angolanischen Staatsfirma Sonangol, und die Profite daraus fließen | |
vor allem in die Taschen der Präsidentenelite. Zwei Drittel der 16,5 | |
Millionen Angolaner leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von 2 Dollar | |
am Tag. | |
„Für die Opposition ist kein Platz“, sagt Elias Isaac, Angola-Direktor der | |
Open Society Initiative für das südliche Afrika (OSISA). Die herrschende | |
Elite übe auch eine strikte Kontrolle über die Zivilgesellschaft und die | |
Medien aus – Mitglieder der Präsidentenfamilie haben zwei private Zeitungen | |
aufgekauft, als Konkurrenz zu den Staatsmedien. Unabhängige Stimmen werden | |
unterdrückt. | |
## „Das Problem ist nicht die Partei“ | |
„Auch die südafrikanische Regierung ist gut mit Angola befreundet. Die | |
alten Verbindungen aus den Zeiten der Befreiungskämpfe in der Region wirken | |
nach“, so Isaac. „Das Gute: Das Kriegsende hat Raum geschaffen, um | |
Forderungen an die Regierung zu stellen.“ | |
Isaac hofft, dass die Demonstrationen zunehmen. Die frustrierte Jugend | |
fülle jetzt den Platz, den die zur Oppositionspartei umgewandelte, aber | |
wegen ihrer kriegerischen Vergangenheit diskreditierte Unita nicht | |
einnehmen kann. Die Unita hat jetzt die Jugendorganisation Jura | |
(Revolutionäre Jugendbewegung) gegründet, um die Proteste zu kanalisieren. | |
Die Unterdrückung sei drastisch und alles drehe sich um den Präsidenten, | |
sagt auch Marcolino Moco, ehemaliges Führungsmitglied der Regierungspartei | |
MPLA und von 1992 bis 1996 Premierminister. Moco ist bis heute | |
MPLA-Mitglied, aber er ist ein scharfer Kritiker des Präsidenten. „Mit dem | |
Ende des Krieges hat Dos Santos noch mehr Macht gewonnen“, meint Moco. Der | |
Präsident ernennt die Richter, kauft Staatsfirmen und selbst Banken in | |
Portugal. | |
„Wir nennen Angola ’das Einmannsystem‘.“ Nur ein einziges Mitglied der | |
Opposition arbeite in der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol. Dos Santos | |
kontrolliere die Ölgelder. Ähnlich sei es im Diamantenhandel. Kein Kind, | |
dessen Vater der Opposition angehört, erhalte ein Stipendium vom Staat. | |
„Das Problem ist nicht die Partei, es ist das Regime, denn das gehört Dos | |
Santos“, sagt Moco. Er hofft, dass niemand zu den für Ende August, Anfang | |
September geplanten Wahlen gehen wird. Bei Angolas ersten Parlamentswahlen | |
nach dem Krieg 2008 siegte die MPLA mit 82 Prozent. Danach sollte es | |
Präsidentschaftswahlen geben, doch 2010 änderte die Regierung die | |
angolanische Verfassung und schaffte die Direktwahl des Präsidenten ab – | |
bei den Parlamentswahlen in diesem Jahr wird somit Dos Santos im Amt | |
bleiben, sofern die MPLA ihre Mehrheit behält, woran niemand zweifelt. | |
Dass prominente Mitglieder der Regierungspartei auf eine Wahlniederlage | |
hoffen, ist ungewöhnlich. Doch auch zehn Jahre nach Kriegsende will niemand | |
in Angola zurück in den Krieg. | |
4 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Martina Schwikowski | |
## TAGS | |
Angola | |
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