# taz.de -- Kolumne Unbeliebt: Gott gibt Ärger | |
> Bodo Ramelow ist gern Christ in der Linkspartei. Wie geht das zusammen? | |
> Telefonisch erwischen wir ihn kurz vor Ostern in einem Erfurter | |
> Großkaufhaus. | |
Der Sozialist Bodo Ramelow glaubt an Gott. Das ist nicht so normal in der | |
Linkspartei, deren Osthälfte in der DDR ziemlich viel Zeit damit verbracht | |
hat, Christen klein zu machen; und bei den Westlinken falten sie ja auch | |
nicht von morgens bis abends die Hände, sondern feiern seit ein paar | |
Jahrzehnten Kirchenaustritte als Emanzipation von den | |
Gemeindevertretereltern. | |
Aber Ramelow, Protestant, betet nicht nur, letztes Jahr forderte er von | |
seiner Linkspartei Respekt vor dem Papst und drohte mit Austritt, als ein | |
antireligöser Passus fürs Parteiprogramm diskutiert wurde. Trotzdem ist | |
Ramelow Chef der Linken im Thüringer Landtag, er hat für sie zuletzt 27 | |
Prozent geholt, er wollte ganz dringend Ministerpräsident werden, nur die | |
SPD hat das blockiert. | |
Auch in der Bundespartei ist er eine Nummer, er hat für sie viele | |
Wahlkämpfe organisiert. Man könnte auch sagen: Ramelow sucht Mehrheiten. | |
Und da macht es ihm nichts aus, als Linksparteichrist in der Minderheit zu | |
sein? Anruf um 15.09 Uhr, eine Woche vor Ostern. Ich erwische ihn im Real | |
in Erfurt, tiefe Stimme, er wirkt geschäftig, als suchte er sich gerade das | |
Abendessen aus. Macht er auch. | |
Wie wichtig ist Ihnen Ostern? „Hm? Die Chance, aus dem Megastress | |
rauszukommen.“ Christenfest?! „Für mich sind im religiösen Zyklus andere | |
Tage wichtiger.“ Welche? „Der Reformationstag.“ Typisch links. Er wird | |
wach. „Das ist jetzt keine Antihaltung, ich habe einfach keine Lust, Ihnen | |
was vorzuheucheln.“ | |
Jetzt kommt Ramelow im Real ins Erzählen. Nicht, wie er sich als Christ bei | |
den Linken unbeliebt macht, sondern umgekehrt: als Linker bei den Christen. | |
Denn so hat es angefangen, früher in Hessen. Im Konfirmandenunterricht will | |
er über den Vietnamkrieg streiten. Die Pfarrersfrau schmeißt ihn raus. In | |
der nächsten Gemeinde wird ein Diakon, der seine Freundin auf eine Freizeit | |
mitnehmen will, gefeuert. Ramelow tritt aus. | |
Jahre später in Thüringen. In Bischofferode kämpfen die Kalikumpel um ihre | |
Jobs. Die IG-Bergbau-Funktionäre kuschen. Die Pastorin und der katholische | |
Priester nicht. Er tritt wieder ein. | |
## Wut und das Lenin-Zitat | |
Als er 1999 in den Thüringer Landtag gewählt wird, erscheint er donnerstags | |
um 8.30 Uhr immer zur Andacht. Das hat vor ihm kein Linker gemacht. Die | |
CDU-Leute gucken. Die PDS-Leute lästern: "Der Bodo geht wieder Beten und | |
Falten". Ist ihm recht. Irgendwann kommt eine Kollegin mit, später gehen | |
sie zu dritt. | |
Wie passt Kirche zur Linkspartei? „Hm.“ Im Hintergrund piept die | |
Scannerkasse. Er zählt die Punkte ab. Befreiungstheologie, Püp, | |
Lukasevangelium, Püp, offene Jugendarbeit, Püp, Gegenbewegung, Püp. | |
Auf dem Parkplatz ist Ramelow wieder konzentrierter. | |
„In Westdeutschland waren die Kirchentage früher hochpolitisch. | |
Friedensbewegung, Dritte Welt. Es war bei Linken schick, sich zu bekennen.“ | |
Heute erhält er wütende Nachrichten von Genossen auf Facebook. „Es kommt | |
immer dieses Lenin-Zitat: Religion ist Opium für das Volk.“ | |
Macht ihm nichts aus. In Streitigkeiten steckt für ihn viel drin. | |
Die Militärseelsorger, Sozialkonzerne der Kirche, die selber ungerecht | |
handeln, er klingt aufgekratzt, alles schöne, klare Konflikte. Einmal trat | |
er mit einem Bischof auf. „Im Publikum: Gottes Bodenpersonal, meine Leute | |
und Neutrale“. Am Anfang waren alle erst voneinander irritiert. Dann | |
neugierig, dann ging ein feiner Streit los. Und Streit ist Ramelows Art, | |
Nähe zu suchen. | |
6 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Georg Löwisch | |
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