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# taz.de -- Kolumne Trends und Demut: Das Leben ist eine Lodge
> Reisen ohne Allüren: Mit der Balenciaga-Tasche ab auf den Toyota-Pick-up.
> Über einen neuen Humanismus des Reisens und nicht exportierbare Butler.
Bild: Die Lodge: Akklimatisieren leicht gemacht.
Menschen, die sich jenseits der abgeflogenen Routen durch die Welt bewegen,
jedes Ziel als neues Abenteuer verstehen und das Monocle-Magazin im Abo
haben, müssen sich fühlen wie Humanisten mit Reisepass. Das Zimmer im
Guesthouse war kahl und schäbig? Aber geht schon in Ordnung, immerhin hatte
man einen coolen Direktflug von Miami nach Maputo. In spätestens zwei Tagen
akklimatisiert man sich in der 50-Sterne-Lodge, wo das Airbook auf dem
Marmortisch liegen kann, ohne dabei gleich drei Kakerlaken zu zerquetschen.
Nun blätterte ich in London kürzlich durch ein englischsprachiges Magazin
aus Berlin, das unter dem Titel Endless das Reisen mit der Familie
zelebriert, inhaltlich und ästhetisch irgendwo zwischen Nido, The Travel
Almanach und The Gentlewoman. Die über 170 Seiten richten sich an eine
Kreativindustrie in ihren Dreißigern, Mütter und Väter, die auf Reisen ohne
Allüren ihre Balenciaga-Tasche auf den Toyota-Pic-up werfen und den
Nachwuchs in Shorts und Petit-Bateau-Friesennerz durch Bangkok schleppen.
Das Konzept dreht sich um das Auf-Reisen-sein, gespickt mit Produktstrecken
zu all den Gadgets (Schweizermesser) und Schönheiten
(2.700-Dollar-Strandtaschen), die man in Nairobi oder Jakarta so braucht.
Lustigerweise gibt es das „Igitt, alles voller Kakerlaken“-Geschrei, das
auf Reiseseiten wie TripAdvisor so kultiviert wird, hier auch: Um den Grad
an Schäbigkeit eines kargen Hotelzimmers in Indonesien ertragen zu können,
klammert der Autor sich im Bett an ein Buch über Karl Lagerfeld.
In den besuchten Hotels und Lodges findet man dagegen Frieden und
futuristische Badezimmer. Bei der Reise in ein Luxusresort auf Bali widmet
das Heft ein ganzes Kapitel dem Butler. Zunächst stellt der Autor klar,
dass ihm ein eigener Diener logischerweise echt unangenehm ist, da er eher
nicht so ein „Master-mäßiger Typ“ sei. Doch er müsse wirklich sagen, dass
dieser Butler namens Wayan sehr freundlich war. Natürlich war er
freundlich. Das ist sein Job! Oder hätte er seinen Frust über die
ungleichen Lebensverhältnisse offen ausleben sollen? Als Zeichen von
Respekt wurde er von den Reisenden behandelt wie ein Familienmitglied.
Wie verflixt dieses total menschliche Urlaubmachen, auf Augenhöhe mit dem
Anderen, tatsächlich ist, entblößt schließlich diese Bemerkung: „… if t…
was one thing I would have wanted to take home from Bali, it would have
been Wayan“. Take home from Bali. Das klingt nach süßem Katzenbaby, das
gerettet werden soll, und es ist erstaunlich, wie weit man sich mit so
einem Grundhumanismus heute aus dem Reisefenster lehnen kann. Der letzte
Satz, ganz witzig gemeint, macht es nicht besser: „Well, the manager said
no.“ Wie jetzt, den Diener darf man nicht mitnehmen? Und er will auch gar
nicht? Honey, hier fahren wir nie wieder hin!
10 Apr 2012
## AUTOREN
Julia Grosse
Julia Grosse
## TAGS
Mode
Ikea
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