# taz.de -- taz-Genosse über Matthias Wolf: „Einer, der über uns richtet“ | |
> Union-Berlin-Fan und taz-Genosse Olaf Forner über den Fall Matthias Wolf. | |
> Vielen im Verein war der Sportjournalist zu kritisch. Er wurde gemobbt | |
> und musste gehen. | |
Bild: Ein Präsident mit Vergangenheit: Dirk Zingler, Vereinsboss bei Union Ber… | |
taz: Herr Forner, Zweitligist Union Berlin gilt als „guter“ Verein, mit | |
linken, engagierten Fans. Doch gegenüber dem Sportjournalisten Matthias | |
Wolf hat sich Union alles andere als gut verhalten. Er wurde gemobbt. Sein | |
damaliger Auftraggeber, die Berliner Zeitung, hat ihn schließlich von der | |
Union-Berichterstattung abgezogen. Für Sie okay? | |
Olaf Forner: Die Geschichte mit Matthias Wolf hat uns immer schon | |
beschäftigt. Es gab einen ständig schwelenden Konflikt zwischen ihm und | |
fast der gesamten Fanszene. Man hat da auch sehr viel persönlich genommen, | |
von beiden Seiten. Das kulminierte in dem Moment, als es Wolfs Geschichte | |
über Dirk Zingler, unseren Präsidenten, in der Berliner Zeitung gab. | |
Wolf hatte über Zinglers Dienst im Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ | |
berichtet. Man muss wissen, dass Union zu DDR-Zeiten ein Verein war, der | |
sich sehr stark abgegrenzt hat vom Stasi-Klub BFC Dynamo. Die Weinroten vom | |
BFC waren verhasst. Eigentlich hätte man annehmen können, dass sich die | |
Union-Fans von Zingler distanzieren. Warum war das nicht so? | |
Auch ich finde die Stasi nicht gut. Ich war damals ganz klar in der | |
Opposition. War nicht bei den Pionieren und auch nicht in der FDJ. Ich habe | |
den Wehrdienst an der Waffe verweigert, im Oktober 1989 dann den Wehrdienst | |
sogar total. So viel dazu. Aber bei der Bewertung der Stasigeschichte muss | |
man Unterschiede machen, ob jemand Inoffizieller Mitarbeiter war oder im | |
Wachregiment. Zingler hätte in der Fanszene massive Probleme gehabt, wenn | |
er jemand verraten oder ans Messer geliefert hätte. | |
Wenn Zingler IM gewesen wäre, dann hätte man ihm zugesetzt? | |
Natürlich. Es lief doch so in der DDR: Wenn du keine Karriere machen | |
wolltest, dann musstest du dich nicht mit dem Staat arrangieren. Wenn du | |
aber Vergünstigungen haben wolltest, dann musstest du Kompromisse eingehen. | |
Zingler ist also bloß einen foulen Kompromiss eingegangen, den man ihm als | |
Union-Fan mal eben so verzeihen kann? | |
Nicht verzeihen, aber wir als DDR-Bürger können das nachvollziehen. Nur | |
ganz wenige haben sich doch gegen das System gestellt. | |
Zingler hat beim Wachregiment den weinroten Trainingsanzug getragen. Und er | |
hat in seiner Zeit als Union-Präsident stets das Anti-Stasi-Image | |
kultiviert. Er hat etwa Sitze aus der Tribüne reißen lassen, weil ihre | |
Farbe dem Weinrot vom BFC ähnelte, oder er hat einen Vertrag annulliert, | |
der Union 10 Millionen Euro eingebracht hätte, weil der Sponsor von einem | |
einstigen Hauptmann der Stasi vertreten wurde. | |
Bei anderen Vereinen ist es so, dass die meisten Geschichten in der | |
Öffentlichkeit breitgetreten werden. Bei Union versuchen wir das zu | |
verhindern. Wir sind eine Familie. Wenn etwas schiefgeht, dann reden wir | |
intern darüber. Es bleibt in der Familie. Probleme gibt man nicht an die | |
Presse weiter. Wir schützen uns. | |
Matthias Wolf ist also der Union-Familie zu nahe getreten. | |
Ja. Er hat immer eine extreme Distanz zum Verein gewahrt. | |
Das muss er als kritischer Journalist. | |
Wir als Fußballfans sehen das anders. Er hätte die Union-Befindlichkeit | |
besser transportieren müssen, die Sicht des Vereins. Er hat sich als unser | |
Gegner dargestellt, der nur guckt, wo der Haken ist. | |
Und Sie sehen keinen Haken? | |
Zingler ist jemand, der den Verein vorangebracht hat. Er ist einer von uns, | |
aus der Fankurve. Er hat Dinge in den Verein gebracht, die der Seele des | |
Union-Fans entsprechen. Klar, ein Fußballfan ist kein objektiver Mensch. | |
Wir vertreten unsere Interessen. | |
Das heißt, ein Verein wie Union kann keinen kritischen Journalismus | |
aushalten? | |
Wir sind es gewohnt, von der Presse in die Pfanne gehauen zu werden. Wir | |
waren doch immer die randalierenden Ossis, der runtergewirtschaftete | |
Verein. Man hat das Gefühl, über uns wird nicht fair geschrieben. Und von | |
der Berliner Zeitung haben wir gerade erwartet, dass sie fair berichtet. | |
Herr Wolf hat doch immer nur über das Negative berichtet. | |
Finden Sie es legitim, dass der Journalist im Stadionheft denunziert wurde, | |
dass Fans mit T-Shirts rumgelaufen sind, auf denen eine durchgestrichene | |
Wolfsschnauze zu sehen war, dass der Stadionsprecher verkündete: „Ich | |
glaube, dass wir uns die Dinge nicht von Leuten erklären lassen müssen, die | |
damals gar nicht hier waren.“ Dass Wolfs Fragen in der Pressekonferenz | |
nicht mehr beantwortet wurden. Ist das der Stil von Union? | |
Wir haben eine bestimmte Kultur geschaffen. Leute von außen kommen einfach | |
nicht mehr so leicht an Insiderinformationen heran. Das ist der Union-Stil. | |
Und der Stadionsprecher hat uns allen aus dem Herzen gesprochen. Die | |
Stimmung war zu 90 Prozent gegen Wolf. Wir fühlten uns als DDR-Bürger | |
angegriffen. | |
Sie als DDR-Oppositioneller kennen die Stasimethoden, auch die berüchtigte | |
„Zersetzung“. Hat Union Berlin im Fall Wolf nicht das gleiche Spiel | |
getrieben? | |
Nein. Wolf hat für eine Ostzeitung geschrieben. Und er, der Wessi, hat sich | |
aufgeführt als einer, der über uns richtet. | |
Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Wie kann es sein, dass | |
Union-Präsident Zingler beim Chefredakteur der Berliner Zeitung, Uwe | |
Vorkötter, interveniert und einen Journalisten anschwärzt, der dann prompt | |
fallen gelassen wird? | |
Zuallererst haben doch die Leser interveniert. Es wurden massenweise Abos | |
gekündigt. Die Zeitung musste reagieren. | |
Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April | |
erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie am Samstag an Ihrem Kiosk | |
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13 Apr 2012 | |
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## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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