# taz.de -- Schauspieler Dieter Pfaff: Der es gut macht | |
> Dieter Pfaff ist gestorben. Der 65-Jährige erlag einem Krebsleiden. Unser | |
> Autor traf den Schauspieler im vergangen April bei Dreharbeiten zu „Der | |
> Dicke“. | |
Bild: Das „Der Dicke“-Team: Die Schauspieler Dieter Pfaff (links), Sabine P… | |
Abends nach der letzten Klappe legt die Maskenbildnerin Dieter Pfaff einen | |
heißen Lappen aufs Gesicht und wischt mit der Schminke auch den Drehtag | |
weg. „Dieses Ritual tut mir gut“, sagt Pfaff, „nach einem Tag unter | |
Hochspannung kann ich nicht einfach aufspringen und nach Hause fahren.“ Die | |
aktuelle Rolle jedoch bleibe an ihm haften, „die trage ich mit mir | |
spazieren und nehme sie abends mit ins Bett“. | |
Den Schauspielerberuf nennt der 64-Jährige „emotionalen Hochleistungssport“ | |
– was aus seinem Mund alles ein bisschen schräg klingt. Sport? | |
Hochspannung? Wie er da auf seinem plüschigen Hotelzimmersessel thront, | |
wirkt Pfaff wie der sanftmütigste, entspannteste Mensch unter Gottes Sonne. | |
Wer braucht noch Walgesänge, wenn man doch einfach diesen Mann angucken | |
kann? Verstärkt wird die beruhigende Wirkung von Pfaffs bemerkenswert | |
zarter, leicht brüchiger, seelenvoller Stimme, die aus Prinzip keine | |
Hörbücher liest und nur selten öffentlich singt, aber auf diesen Jammer | |
kommen wir sicher später noch mal zurück. | |
Ehrenberg heißt die Figur, die Dieter Pfaff ab heute wieder in 13 neuen | |
Folgen der ARD-Serie „Der Dicke“ verkörpert – und damit ist schon vieles | |
gesagt über diesen Hamburger Anwalt der kleinen Leute. Und auch über seinen | |
Darsteller. „Ich bemühe mich, ein guter Mensch zu sein“, sagt Pfaff. „Das | |
klingt vielleicht ein bisschen kitschig, aber so ist es.“ | |
## Ein Gutmensch? | |
Wer ihn indes verdächtigt, ein „Gutmensch“ zu sein, kann sich auf ein | |
Donnerwetter gefasst machen, „denn ein Gutmensch ist jemand, der nur so | |
tut, als wäre er ein guter Mensch.“ Ein Blender also. Und auf dicke Hose | |
machen ist Pfaff tatsächlich wesensfremd. Auf die Frage nach seinem | |
sozialen Engagement antwortet er: „Das ist meine Sache, inwieweit ich das | |
mache.“ Klar ist nur: Er macht. | |
„Der Dieter macht sich immer ’nen Kopp“, sagt Thorsten Näter, „ist der | |
fürsorglichste Mensch, den ich kenne.“ Der Autor von „Der Dicke“, der se… | |
gemeinsamen Dreharbeiten 1994 mit Pfaff befreundet ist, will aber nichts | |
davon hören, dass dieser sich in der Serie letztlich selbst spielt. Klar | |
habe er eine Figur konzipiert, die ihrem Darsteller naheliege, sagt Näter, | |
„aber mit Dieter verwechseln sollte man den Ehrenberg trotzdem nicht“. | |
Pfaff hat Routine darin, Männer zu spielen, mit denen er sich | |
identifizieren kann und damit auch der Zuschauer. Pfaff macht nicht viel, | |
das aber sehr glaubwürdig. Angefangen hat seine Suche nach Wahrhaftigkeit | |
durch Reduktion mit dem Kommissar Sperling, den Pfaff sich ausgedacht hat, | |
aus Notwehr und Eigensinn, „weil ich keine Lust hatte, für den Rest meiner | |
Tage komische Dicke in Nebenrollen zu spielen.“ | |
Also hat er der skurrilen Figur des Polizisten Otto in der Krimiserie „Der | |
Fahnder“ den Melancholiker Sperling entgegengesetzt und sich seine | |
komödiantische Ader eine Zeit lang versagt. Bis zum „Dicken“, „dem Versu… | |
beide Seiten in mir miteinander zu verbinden.“ | |
## Pfaff ist immer im Dienst | |
Bei durchgehenden Hauptrollen in Reihen oder Serien sei man zwangsläufig | |
näher bei sich als in Einzelfilmen, ist Pfaff überzeugt. Anfangs wollte er | |
zeigen, wie verschieden er sein kann, wie wandelbar, heute wolle er in | |
jeder Figur seinen „Kern“ aufscheinen lassen: „Individualität ist ein | |
wichtiger Schlüssel, um Menschen zu berühren.“ Was ihm in seinen Rollen, ob | |
als Psychotherapeut „Bloch“ oder Franziskanermönch „Bruder Esel“, so g… | |
gelingt, dass seine Fans sich revanchieren, wenn sie ihn treffen: „Menschen | |
neigen dazu, mich anzufassen.“ | |
Es klopft an der Zimmertür, die Redakteurin. „Hier, mein Schatz“, sagt | |
Dieter Pfaff, „ich habe einen Schal mitgebracht, der nach eurem Besuch | |
liegen geblieben ist. Da hinten auf dem Bett. Ist das deiner?“ Pfaff ist | |
immer im Dienst, für seine Mitmenschen genau wie für seine Figuren oder | |
besser: für den ganzen Film. Es gehe nicht darum zu zeigen, dass er „ganz | |
dolle Kunststücke“ kann, sagt Pfaff. „Wir alle dienen einer Geschichte.“ | |
Regisseur und Drehbuchautor Thorsten Näter schwärmt von der „Vehemenz und | |
Konzentration“, mit der Pfaff sich in jede seiner Rollen hineinwerfe. | |
„Dieter nimmt seinen Job wichtig“, sagt Näter. „Wenn er beim Drehen an | |
einem Totenbett gestanden hat, dann hat er wirklich an einem Totenbett | |
gestanden.“ Pfaff vor sich selbst schützen könne man kaum. „Das ist keine | |
Entscheidung, das ist sein Wesen.“ Oder mit Pfaffs Worten: „Ich habe | |
gelernt, dass meine Nerven außerhalb meiner Haut enden, damit das, was in | |
mir vorgeht, sichtbar wird. Das heißt aber auch: Es gibt keinen Schalter, | |
den ich umlegen kann, wenn ich meine Ruhe haben will.“ | |
Thorsten Näter schätzt Pfaff aber nicht nur als Schauspieler und Mensch, | |
sondern auch als kreativen Sparringspartner mit Anspruch, „der immer dafür | |
plädiert, mehr Ernsthaftigkeit zu wagen und nicht nur dem | |
Publikumsgeschmack das Wort zu reden“. Dieser unter Schauspielern eher | |
unübliche Blick für das große Ganze mag damit zu tun haben, dass Pfaff | |
seine Karriere als Theaterdramaturg, Autor und Regisseur begonnen hat. | |
Der gebürtige Dortmunder war auch mal Kulturreferent der Stadt Landshut und | |
Schauspielprofessor in Graz. Als er sich mit Mitte 30 endlich an die | |
Schauspielerei heranwagte, hatte er schon ein filmreifes Leben vorzuweisen. | |
„Ich glaube nicht an gerade Wege“, sagt Pfaff, „es war immer eine große | |
Lust zu spielen da, aber andere haben mir das lange nicht zugetraut – und | |
ich selbst mir auch nicht.“ | |
## Ureigene Melancholie | |
Die inneren Hemmungen zu überwinden, das war für Dieter Pfaff immer ein | |
großes Thema. In der Schauspielerei ist der Knoten schnell geplatzt, weil | |
er bald Bestätigung erfahren hat, „du selbst weißt ja nicht, ob du gut | |
bist“, aber sein ursprüngliches Berufsziel Rockstar hat er aufgegeben, weil | |
er sich seinem Helden Eric Burdon hoffnungslos unterlegen glaubte. „Als | |
Schauspieler kenne ich dieses Gefühl der Unzulänglichkeit nicht.“ | |
Seine Arbeit verteidigt Pfaff kompromisslos. Filme mache er nicht fürs | |
Portemonnaie, „sondern aus Überzeugung“. Entsprechend heftig reagiert er | |
auf Kritik am „Dicken“, diesen betulichen Geschichten mit einer einfachen | |
Moral und Schmunzelhumor, die sich nach 45 Minuten in Wohlgefallen | |
auflösen. „Sie müssen sich an den Gedanken gewöhnen, dass andere Menschen | |
diese Geschichten völlig anders sehen“, sagt er. „Viele freuen sich, dass | |
soziale Themen angesprochen werden, alltägliche Ungerechtigkeiten.“ | |
Für Pfaff sind es Märchen für Erwachsene. „Wir müssen von Utopien | |
erzählen“, sagt er und zitiert frei nach dem 20 Jahre älteren, 1989 | |
gestorbenen britischen Psychiater Ronald D. Laing: „Meine Generation hat es | |
fabelhaft verstanden, alles zu beschreiben und festzuhalten, was beschissen | |
ist. Darin sind wir perfekt. Wir haben aber vergessen, von Menschen zu | |
erzählen, die versuchen, begehbare Wege zu finden.“ | |
So einer sei der Ehrenberg, dieser vom Saulus zum Paulus mutierte frühere | |
Anwalt der Bosse, „der nicht mehr für irgendwelche Kapitalisten lügen | |
wollte, die Nase gestrichen voll hatte. Die Worte blieben ihm im Halse | |
stecken. Und er schämte sich.“ Pfaff predigt nun. Er nimmt nicht nur seinen | |
Job wichtig, sondern auch das Schlechte in der Welt. „Meine Figuren können | |
sehr zornig werden und ich auch“, sagt er. „Ich bin nicht der gemütliche | |
Dicke, der milde durch die Gegend wallt, bin, wenn es sein muss, schon sehr | |
wehrhaft.“ | |
Dieter Pfaffs ureigene Melange aus Sensibilität und Kraft transportieren | |
auch die YouTube-Clips seines Auftritts bei der NDR-Kneipensession „Inas | |
Nacht“. Er singt kernige Rockoldies: „All Along The Watchtower“, „Ring … | |
Fire“. Man möchte die Videos immer und immer wieder angucken – diese | |
Stimme! Diese Präsenz! Doch als Musiker macht Pfaff sich rar. Aufträge für | |
Hörbücher nimmt er gar nicht erst an. „Talent ist ein Geschenk, mit dem man | |
demütig umgehen muss“, sagt er. Nur ein weiterer Schauspieler, der auch | |
noch singt, wolle er bloß nicht sein. Ganz oder gar nicht, angesichts | |
seiner Selbstzweifel eher gar nicht. „Ich verwerte schon genug von mir, ein | |
paar Dinge muss man auch für sich behalten.“ Das bisschen Privatsphäre | |
eines öffentlichen Menschen, doppelt exponiert durch seinen Beruf und sein | |
Gewicht. | |
Vor zwei, drei Jahren, erzählt Pfaff, habe er zu seiner Frau gesagt: „Eva, | |
im Grunde muss ich mir nichts mehr beweisen.“ Es hat ein halbes Jahr | |
gedauert, bis ihm klar wurde: „Wenn ich nichts mehr will, bin ich tot, kann | |
ich abtreten.“ Diese Erkenntnis habe ihn geprägt, so erschrocken war er | |
über sich selbst: „Die Reise ist noch lange nicht zu Ende“, sagt Dieter | |
Pfaff, „meine Suche nach dem Wahrhaftigen geht weiter.“ | |
„Der Dicke“: 20.15 Uhr, ARD | |
17 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
David Denk | |
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