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# taz.de -- Interview mit Frank Henkel: "Ich bin nicht der bessere Polizist"
> Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) äußert sich im taz-Interview über
> Chaoten, die das Guggenheim Lab bekämpfen, die Strategie der Polizei am
> kommenden 1. Mai und sein eigenes Image als Hardliner.
Bild: Berlins christdemokratischer Innensenator Frank Henkel
taz: Herr Henkel, was ist ein Chaot?
Frank Henkel: Mhm. Ein Chaot ist, glaube ich, jemand, der eine gewisse
Ordnung, eine gesellschaftliche Norm stört.
Sie bezeichneten die Gegner des BMW-Guggenheim-Labs kürzlich als Chaoten.
Deeskalation vor dem 1. Mai sieht anders aus, oder?
Ich sehe nicht, dass ich da etwas überspitzt habe. Der Chaoten-Begriff ist
das, was am Ende von meiner Kritik übrig geblieben ist. Ich habe mich aber
viel differenzierter geäußert. Ich habe gesagt, dass ich absolut
Verständnis habe für Menschen, die Sorge vor der Gentrifizierung ihres
Kiezes haben. Ich habe aber auch gesagt: Wer Entwicklungen per se ablehnt
und im Fall des BMW Guggenheim Lab sagt, er werde es bekämpfen, egal wo es
steht – der wird einer weltoffenen Stadt nicht gerecht.
Der 1. Mai wird Ihre erste große Bewährungsprobe: Haben Sie Bammel?
Ich glaube, Bammel oder Aufgeregtheit sind hier falsche Begriffe. Ich habe
Respekt, keine Frage. Aber ich gehe erst mal von einem friedlichen 1. Mai
aus, zu dem ich meinen Beitrag leisten will.
Sie haben keine schlaflosen Nächte, dass die autonome Szene dem
CDU-Innensenator wie angekündigt einen „feurigen Empfang“ bereiten könnte…
Ich schlafe gut, keine Sorge.
Was ist denn Ihre Messlatte für diesen Tag?
Ich habe keine Messlatte. Mein Ziel ist es, den Anspruch aller einzulösen,
einen friedlichen 1. Mai zu erleben. Das betrifft Teilnehmer der
Demonstrationen, Besucher des Myfests, Anwohner und Gewerbetreibende – und
auch die Polizeibeamten. Der 1. Mai ist ein Tag, an dem Menschen an vielen
Orten zu wichtigen Themen Stellung nehmen und dafür auf die Straße gehen.
Ich fände es bedauerlich, wenn es einigen wenigen gelänge, diese Botschaft
zu überschatten.
Ihr SPD-Vorgänger Ehrhart Körting setzte dabei auf Deeskalation. Und Sie?
Ich setze auf Kontinuität. Es ist nicht mein Anspruch, hier zu
experimentieren. An der bewährten Doppelstrategie halte ich fest. Das
heißt, es wird viel Kommunikation geben, aber auch ein schnelles, gezieltes
und konsequentes Vorgehen gegen Gewalttäter. Die Berliner Polizei hat in
den letzten Jahren einen richtigen Weg eingeschlagen und eine große
Expertise aufgebaut. Sie wird von erfahrenen Einsatzleitern geführt und hat
auf diesem Weg meine volle politische Unterstützung und mein Vertrauen. Ich
habe immer gesagt, und dabei bleibe ich: Ein Innensenator ist nicht der
bessere Polizist.
Wie bereiten Sie sich persönlich auf den 1. Mai vor?
Das Wichtigste ist für mich das Reden im Vorfeld. Ich werde viele Gespräche
in Kreuzberg führen: mit Gewerbetreibenden, Initiatoren des Fests, der
Polizei, migrantischen Communitys. Mit dem Bezirksbürgermeister habe ich
schon gesprochen.
Die Demo-Route soll von Kreuzberg in die Stadtmitte führen: begrüßenswert
oder ein Sicherheitsrisiko?
Das ist keine Frage meines persönlichen Befindens, sondern eine Abwägung
zwischen dem Grundrecht der Demonstrationsfreiheit und anderer Einwände.
Ich bin mir sicher, dass die Versammlungsbehörde dies in Einklang bringen
wird.
Bereitet es Ihnen Sorge, dass der Tag ohne offiziellen Polizeipräsidenten
ablaufen wird?
Nein, wir haben eine sehr gute Vizepolizeipräsidentin, mit der ich in enger
Abstimmung stehe – nicht nur zum 1. Mai.
Macht das Margarete Koppers nicht zur perfekten Kandidatin für die
Neubesetzung des Amts?
Ich will der Stadt einen Polizeipräsidenten nach dem Prinzip einer
Bestenauslese präsentieren, der den gestellten Ansprüchen gerecht wird.
Wann fällt die Entscheidung?
Wir befinden uns in den letzten Zügen des Beteiligungsverfahrens. Ich
hoffe, dass wir im letzten Quartal dieses Jahres das Amt besetzt haben.
Kommen wir zu Ihnen. Wie sehen Sie sich in Ihrer Rolle als Innensenator?
Ich habe meine politische Rolle, egal in welcher Funktion, immer so
verstanden: möglichst viel kommunizieren, vernünftige Lösungen mit Augenmaß
finden, pragmatisch handeln. Daran wird sich in meiner Funktion als
Innensenator nichts verändern.
In der Zeit als innenpolitischer Sprecher der Union haben Sie eher den
Wadenbeißer und Hardliner gemimt.
Na ja (lacht). Ich habe es immer für richtig gehalten, Dinge auch auf den
Punkt zu bringen. In der Opposition gibt es natürlich Situationen, in denen
man zugespitzter formuliert, als man es in der Regierung machen würde, das
gestehe ich Ihnen zu. Das mag dem einen oder anderen vielleicht mal zu
pointiert gewesen sein. Man kann es nicht allen recht machen. Das ändert
aber nichts daran: Mein politischer Stil ist immer gewesen zu
kommunizieren.
Nach dem 1. Mai 2003 haben Sie von Bürgerkriegsszenarien wie in Beirut
gesprochen und scharf die Deeskalationsstrategie von Rot-Rot angegriffen.
Ich habe mich immer sehr an diesem Begriff Deeskalation gestört. Damit wird
per se unterstellt, dass Polizei, nur weil sie vor Ort ist, eskaliert.
Deshalb nenne ich es Doppelstrategie.
Würden Sie solche Vergleiche wie den mit Beirut heute noch verwenden?
Ich kann die Dinge doch im Nachhinein nicht anders beurteilen, als ich sie
vor einigen Jahren beurteilt habe. Damals hat eine Gruppe von Autonomen ein
Autohaus gestürmt. Die Polizei stand drum herum und durfte nicht
eingreifen.
Vielleicht sieht man die Dinge nach einem Perspektivwechsel anders.
Ich sehe sie genauso. Es gab von mir auch in der Vergangenheit durchaus
Anerkennung für die Maßnahmen, die die Polizei entwickelt hat, um das
Risiko von Ausschreitungen zu mindern: die Ausleuchtung der Areale
beispielsweise, wo sich Auseinandersetzungen abgespielt haben, das
Parkverbot und das Flaschenverbot, die Gefährderansprachen im Vorfeld. Was
diese Dinge betrifft, habe ich mich gefragt, warum wir da nicht schon
früher draufgekommen sind. Da habe ich meinen Amtsvorgänger auch
unterstützt und gelobt.
Sie haben im Wahlkampf eine Nulltoleranzstrategie gefordert. Ist die schon
da oder kommt die noch?
Die Toleranz in unserer Stadt endet dort, wo Gewalt anfängt. Dabei bleibe
ich.
Trotzdem: Das Image des Hardliner Frank Henkel droht zu verblassen, seit
Sie Innensenator sind.
Das liegt vielleicht eher an dem Blick zweier taz-Redakteure und nicht so
sehr in der Gesamtwürdigung des Frank Henkel als CDU-Landesvorsitzender,
als Fraktionsvorsitzender, als Spitzenkandidat und jetzt als Innensenator.
Sie lassen ganz schön den Softie raushängen.
Ich bleibe dabei: Ich habe mich nicht verändert. Wenn jemand die falsche
Brille aufhat, ist das nicht mein Problem.
Riskieren Sie nicht, die konservative CDU-Klientel zu enttäuschen?
Warum sollte das so sein? Ich stelle fest, dass in Berlin kein Platz für
Gewalt ist. Ich spreche mich für einen friedlichen 1. Mai aus. Damit
enttäusche ich diese Gruppen sicher nicht. Die Bevölkerung erwartet sicher
nicht, dass ich mich mit Autonomen, die offen zu Gewalt aufrufen, an einen
Tisch setze. Solche Leute disqualifizieren sich für mich als
Gesprächspartner.
In der Innenverwaltung hängt die Ahnengalerie aller Berliner Innensenator
der Nachkriegszeit. Darunter auch ihre CDU- Vorgänger Lummer, Kewenig,
Heckelmann, Schönbohm und Werthebach. Wem fühlen Sie sich nah?
Jeder muss seinen eigenen Stil finden. Alle meine Vorgänger waren in einer
bestimmten Zeit mit bestimmten Herausforderungen konfrontiert. Die Zeit ist
heute eine andere.
Der Integrationsbeauftragte Günter Piening ist explizit zurückgetreten,
weil er keine Zukunft für die Integrationspolitik unter Rot- Schwarz sieht.
Besorgt Sie dieses Urteil?
Herr Piening hat für sich eine persönliche Entscheidung getroffen. Ich
wünsche ihm alles Gute.
Ist mit der CDU keine moderne Integrationspolitik zu machen?
Keineswegs. Das Integrationspapier der Berliner CDU ist über die
Stadtgrenzen hinaus auf Anerkennung gestoßen.
Nach dem Mord in Neukölln an einem migrantischen Jugendlichen ist die
Community verunsichert: Was sagen Sie diesen Menschen?
Bei dem Thema ist jetzt eine hohe Sensibilität nötig, so wie es die Polizei
tut. Ich selbst habe am letzten Donnerstag die Eltern des ermordeten Jungen
besucht. Einen Tag vorher war ich in der Sehitlik-Moschee, die ja zum
wiederholten Male bedroht und mit Farbbeuteln angegriffen wurde.
Gibt es inzwischen Anhaltspunkte zu den Tathintergründen?
Nein, aber die Ermittlungen laufen auf Hochtouren.
Was war Ihre Botschaft an die Familie und die Community?
Natürlich habe ich mein Beileid ausgedrückt und somit gezeigt, dass die
Familie in ihrer Trauer nicht allein ist. Ich habe ihnen versichert, dass
die Polizei alles dafür tun wird, den Mörder zu fassen und seiner Strafe zu
übergeben. Aber Polizei und Justiz allein werden die zunehmende Brutalität
und Verrohung nicht lösen können. Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche
Debatte darüber, warum wir eine Situation erleben, in der offenbar die
letzte Hemmschwelle fällt. Es geht darum, die Liberalität und
Weltoffenheit, die Stärken dieser Stadt, zu schützen.
16 Apr 2012
## AUTOREN
Plutonia Plarre
Konrad Litschko
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