# taz.de -- Debatte über Subventionen: Kulturtempel unter Zugzwang | |
> Eine neue Studie unter Beteiligung der Universität Hildesheim belegt: Um | |
> junge Migranten zu erreichen, müsste die öffentliche Kulturförderung | |
> umstrukturiert werden. | |
Bild: Für Menschen mit Migrationshintergrund tendenziell uninteressant: Die Op… | |
HAMBURG taz | Es sind unbequeme Zeiten für die subventionierten | |
Kultureinrichtungen im Land. Vor wenigen Wochen erst dachten die Autoren | |
Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz in ihrer | |
Polemik „Der Kulturinfarkt“ laut darüber nach, ob nicht die Hälfte aller | |
subventionierten Theater und Museen wegen struktureller und inhaltlicher | |
Lähmung geschlossen werden sollte. | |
Nun veröffentlichten das Zentrum für Kulturforschung und die Universität | |
Hildesheim die Studie „Interkulturbarometer“, welche ebenfalls die | |
gegenwärtige Praxis der öffentlichen Kulturförderung infrage stellt. | |
Die Studie untersucht, welche kulturellen Bedürfnisse und Gewohnheiten | |
Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Deutschen haben. Dazu | |
wurden 2.800 Menschen befragt. Ein Schwerpunkt der Untersuchung liegt mit | |
645 Befragten und 30 zusätzlich durchgeführten qualitativen Interviews in | |
Niedersachsen. | |
Das wenig überraschende Ergebnis: In Deutschland existieren parallele | |
Kulturwelten. „Menschen mit Migrationshintergrund interessieren sich noch | |
weniger für die Angebote der öffentlichen Kulturinstitutionen als die | |
Bevölkerung insgesamt“, sagt Uni-Professorin Birgit Mandel, die die Studie | |
wissenschaftlich begleitet hat. | |
## Weiter Kulturbegriff | |
Dafür haben Migranten einen weiteren Kulturbegriff als Deutsche: Für sie | |
gehören das menschliche Miteinander, Religion, Folklore und Pop stärker zur | |
Kultur – für die Deutschen ist Kultur dagegen eher das, was im Theater oder | |
Konzertsaal passiert. Zwar nutzt die dritte Generation der Migranten | |
mittlerweile mehr Kulturangebote als die deutschstämmige Bevölkerung – | |
allerdings handelt es sich dabei vor allem um Angebote von kommerziellen | |
Kulturanbietern. Die Theater und Museen schaffen es in aller Regel nicht, | |
junge Migranten zu erreichen. | |
Es müsse nun überdacht werden, „was wir warum fördern und was wir damit f�… | |
die Bevölkerung erreichen wollen und können“, sagt Mandel. Fast 90 Prozent | |
der Gesamtfördersumme von deutschlandweit 8,6 Milliarden Euro im Jahr seien | |
bereits verteilt, und zwar vor allem für die Förderung großer | |
Institutionen. „Für neue Kulturformen und neue Akteure gibt es deshalb | |
keine Möglichkeiten einer öffentlichen Förderung mehr.“ | |
Anstatt vom Staat Subventionserhöhungen zu fordern, geht es den Autoren der | |
Studie um eine Umverteilung der Fördergelder. | |
Diese Stoßrichtung kommt nicht ganz überraschend: Die Studie wurde | |
durchgeführt von jenem Zentrum für Kulturforschung, dessen Geschäftsführer | |
bis vor kurzem noch Dieter Haselbach war – also einer der Autoren von „Der | |
Kulturinfarkt“. Für die großen Einrichtungen ist die schlüssig begründete | |
Forderung nach Veränderung ein unangenehmer Vorstoß. Der Ball liegt nun in | |
ihrem Feld. | |
17 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |