# taz.de -- Bundestagswahlkampf der Grünen: Auch die Basis darf Spitze werden | |
> Alle Parteimitglieder der Grünen dürfen doch bei der Urwahl fürs | |
> Spitzenteam antreten, hat der Parteivorstand entschieden. Doch eine | |
> solche Wahl ist unwahrscheinlich. | |
Bild: Die vier mächtigsten Grünen werden so oder so eine entscheidende Rolle … | |
BERLIN taz | Das Dokument ist fünf Seiten lang, es enthält zehn Paragrafen | |
und trägt den furchtbar langweilig klingenden Titel „Änderung der | |
Urabstimmungsordnung“. Doch auch wenn die Sprache dröge und technokratisch | |
anmutet, der Inhalt ist hochinteressant. Denn das Papier stammt aus dem | |
Bundesvorstand der Grünen. Und es regelt, wer bei einer Urwahl über das | |
Grünen-Spitzenteam für den Bundestagswahlkampf antreten darf. | |
Damit ist klar: Der sechsköpfigen Vorstand, in dem etwa die ParteichefInnen | |
Claudia Roth und Cem Özdemir sitzen, entscheidet sich für größtmögliche | |
Offenheit. Auch einfache Basismitglieder dürfen bei einer Urwahl antreten – | |
und Grünen-Spitzenpolitiker wie Roth oder Fraktionschef Jürgen Trittin | |
herausfordern. „Bewerben können sich alle Mitglieder, die nach | |
Bundeswahlgesetz das passive Wahlrecht besitzen“, heißt es in dem Dokument, | |
das der taz vorliegt. Das „passive Wahlrecht“ orientiert sich in | |
Deutschland am aktiven Wahlrecht, die allermeisten der knapp 60.000 | |
Grünen-Mitglieder dürften also mitmachen. | |
Die neue Urabstimmungsordnung habe der Vorstand einstimmig beschlossen, | |
bestätigte Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke am Dienstag der taz. Bis | |
zuletzt hatte man darüber gestritten, Hürden für Bewerber einzuziehen. | |
Diskutiert wurde etwa, eine bestimmte Zahl von unterstützenden | |
Landesverbänden vorzuschreiben. Am Ende verwarf der Vorstand diese Ideen. | |
„Die Entscheidung, alle Mitglieder zuzulassen, ist richtig“, sagte Lemke. | |
„Die Parteisatzung lässt es nicht zu, Kriterien für BewerberInnen zu | |
definieren. Auch für den Bundesvorstand dürfen sich alle Mitglieder | |
bewerben.“ | |
Bei Vorstandswahlen blieb in der Vergangenheit die Zahl unbekannter | |
Bewerber überschaubar, die gegen Promis antraten. Dass sich jetzt also | |
plötzlich viele Basisleute für spitzenkandidatentauglich halten, ist eher | |
unwahrscheinlich. Lediglich ein Grünen-Ortsvorsitzender aus | |
Baden-Württemberg hat bisher Interesse angemeldet. | |
## Entscheidend ist, wie sich die Spitze einigt | |
Klar ist bei alldem aber auch: Ob es tatsächlich zu einer Urwahl über die | |
Grünen-Spitzenkandidaten kommt, ist ungewiss. Entscheidend ist nach wie | |
vor, wie sich die vier mächtigsten Spitzenleute einigen – die | |
Parteichefinnen Roth und Özdemir und die Fraktionsvorsitzenden Trittin und | |
Renate Künast. „Die Diskussion in der Partei fokussiert sich bisher auf | |
bundesweit bekannte Personen. Das ist in einem Wahlkampf auch sinnvoll“, | |
sagte Lemke. Schließlich werde es darum gehen, gegen eine Kanzlerin mit | |
hohen Beliebtheitswerten anzutreten. „Dafür braucht es erfahrene und | |
bekannte Persönlichkeiten, die glaubwürdig grüne Politik verkörpern.“ | |
Parteirat und Vorstand haben sich bereits auf ein quotiertes Spitzenduo für | |
den Wahlkampf verständigt. Nur bei Konkurrenz wäre überhaupt eine Urwahl | |
nötig. Mit der Urabstimmungsordnung ist nun das Prozedere für den Fall des | |
Falles festgelegt. Den Beschluss, eine Urwahl tatsächlich einzuleiten, | |
müssten dann jedoch wichtige Parteigremien fällen – zum Beispiel der | |
Länderrat, der Frauenrat oder drei Landesverbände. Ob sie dies für nötig | |
erachten, wird von der Bewerberlage abhängen, sagen Parteiinsider. | |
Ein Beispiel: Trittin gilt vielen in der Partei als gesetzt. Roth hat als | |
einzige der vier Spitzenleute bereits signalisiert anzutreten. Wenn sich | |
neben diesen beiden lediglich völlig unbekannte Leute anmelden würden, | |
halten Grünen-Strategen für fraglich, ob die zuständigen Gremien eine | |
Urwahl anberaumen. Weil die Chancenlosen damit nur brüskiert würden. | |
18 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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