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# taz.de -- Kommentar anonymisierte Bewerbungen: Wie man das Offensichtliche le…
> Das Familienministerium sagt: Bewerbungen ohne Angaben zu Geschlecht und
> Herkunft helfen, mehr Frauen und mehr MigrantInnen in Arbeit zu bringen.
> Glückwunsch!
Das zu recht viel gescholtene Familienminsterium macht etwas Sinnvolles.
Hey, das darf nicht unerwähnt bleiben und auch nicht ungelobt!
Nicht genug, dass das über jeden Emanzipationsverdacht erhabene Haus der
Kristina Schröder an einem Pilotprojekt teilgenommen hat, das folgendes
herausfinden wollte: Was passiert, wenn Bewerbungen ohne Angabe von
Geschlecht, Name und Alter eingereicht werden? Nein, es zieht sogar
Konsequenzen aus dem Ergebnis und erklärt, von nun vermehrt auf
anonymisierte Bewerbungen setzen zu wollen.
So habe die Auswertung von insgesamt 8.500 entsprechend geschwärzten
Bewerbungen gezeigt, dass sie dazu beitragen, deutlich mehr Frauen,
MigrantInnen und Älteren den Weg zum Bewerbungsgespräch ebnen. Endlich
stehe die Qualifikation im Mittelpunkt. Glückwunsch!
Sollte das Familienministerium das Vorhaben umsetzen, dann werden sich auch
andere Behörden fragen lassen müssen, warum sie an diskriminierenden
Konventionen festhalten. Erste Ankündigungen dieser Art sind aus
Baden-Württenberg und Rheinland-Pfalz bereits zu vernehmen. Soweit die gute
Nachricht.
## Im Schatten der Debatte blüht der Chauvinismus
Die lästige lautet: 2012 werden hierzulande mit viel Brimborium Projekte
durchgeführt, die längst Bekanntes ermitteln. Nämlich, dass der deutsche
Arbeitsmarkt seit Dekaden Nicht-Deutsche, Pass-Deutsche, Frauen und Mütter
und Menschen Fünfzig Plus systematisch ausgrenzt. Alle wissen das, es wird
ständig darüber berichtet, auf ersten Seiten der Zeitungen genauso wie im
Mittelteil. Auch die für diese Diskriminierung im Einzelfall verantwortlich
zeichnenden Personalabteilungen, auch sie handeln längst in der Kenntnis,
dass sie deutsche, weiße Männer immer und immer wieder bevorzugen.
Zumindest wenn sie lesen oder fernsehgucken können.
Genauso wissen die Medienunternehmen selbst um diesen Fakt - und arbeiten
unverdrossen weitgehend ohne MigrantInnen und Frauen in verantwortlichen
Positionen. Die Feier des weißen Mannes ist längst kein Lapsus mehr, wenn
es denn je einer war. Es ist eine bewusste, es ist eine klare Entscheidung
einer Elite, die unter sich bleiben möchte. So lange es irgend geht.
Vor diesem hässlichen Umstand verschließt die deutsche Öffentlichkeit gerne
die Augen, denn sie liebt die Geschlechterfrage, die Migrantenfrage, die
Mütterdebatte. Also liefern die Medien Futter, und die Verantwortlichen
zucken die Schultern. Dank dieser Arbeitsteilung kann das immer so weiter
gehen.
## Zu früh gefreut
Doch aufgrund demographischen Entwicklung sei das ganze Problem sowieso
bald ein alter Hut? Das meinen jetzt viele. Ja und Nein. Natürlich wird der
steigende Fachkräftemangel auch den Nicht-Erwünschten vermehrten Einlass
gewähren. Qualifiziert sind sie ja. Aus drei Prozent Frauen in
Führungsetagen mach 15 Prozent. Attraktive Arbeitsplätze werden den
Arbeitgebern aber weiterhin viel Gelegenheit zur Auswahl geben. Und die
haben auf die mediale Normalisierung von qualifizierten Frauen und
MigrantInnen im Arbeitsleben in Deutschland bislang stur mit Ausgrenzung
reagiert. Im Schatten der Debattenkultur blüht der Chauvinismus.
Vielleicht ist es mit Sexismus und Rassismus, verschlagworten wir die
vielfältigen Ausgrenzungsmechanismen mal so technokratisch, vielleicht ist
es mit dem deutschen Arbeitsleben genauso wie man es der israelischen
Regierung bezüglich möglicher Militärattacken nachsagt: Erst wenn die
Entscheider aufhören pilotzuprojekten und zu reden, wird es ernst. In den
allermeisten Personalabteilungen aber plaudert es sich noch ganz entspannt.
Pilotprojekte werden ihnen nichts anhaben. Und die gesetzliche Quote ist
noch weit.
17 Apr 2012
## AUTOREN
Ines Kappert
Ines Kappert
## TAGS
Sexismus
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