# taz.de -- USA entschuldigen sich für Leichenfledderei: „Krieg ist nun mal … | |
> US-Verteidigungminister Leon Panetta kritisiert die Soldaten in | |
> Afghanistan, die auf Fotos mit Leichenteilen posierten. Das Weiße Haus | |
> kündigt Konsequenzen an. | |
Bild: US-Verteidigungsminister Leon Panetta kritisiert die „Individuen“ in … | |
WASHINGTON taz | Die Fotos von feixenden US-Soldaten und afghanischen | |
Polizisten, die blutige und abgetrennte Körperteile von Toten vor die | |
Kamera halten, sind der vierte Skandal der jüngsten Zeit des | |
Afghanistan-Krieges. Zuletzt hatte Urinieren auf Leichen, die | |
Koran-Verbrennung und das Massaker in zwei afghanischen Dörfern mit 17 | |
getöteten ZivilistInnen für Empörung gesorgt. Dieses Mal übernahm | |
Verteidigungsminister Leon Panetta die Verurteilung und Entschuldigung. | |
Am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel kritisierte der Minister die | |
Leichenfledderei und ging auf Distanz von den „Individuen“, die sie | |
begangen haben. Unisono mit dem Verteidigungsminister versuchten | |
hochrangige US-Militärs klarzustellen, dass die Bilder keine typischen | |
US-Soldaten darstellen. „Das sind nicht wir“, sagte Panetta. Aber er fügte | |
hinzu, Krieg sei eine „hässliche und gewalttätige“ Angelegenheit. Es kön… | |
passieren, dass junge Leute manchmal „sehr törichte Dinge tun“. Womit er | |
freilich nichts entschuldigen wolle. | |
Die Fotos stammen aus dem Jahr 2010. Sie zeigen Soldaten der der 82nd | |
Airborne Division. Die Gesichter der US-Soldaten und afghanischen | |
Polizisten sind auf den Fotos klar zu erkennen. Noch ist unbekannt, ob die | |
Soldaten weiterhin in Uniform sind und weiterhin – oder erneut – in | |
Afghanistan im Einsatz sind. Sowohl das Weiße Haus als auch das | |
Verteidigungsministerium in Washington kündigten Untersuchungen des | |
Vorfalls, sowie „Konsequenzen“ für die beteiligten Soldaten an. | |
Die Los Angeles Times erhielt die Bilder bereits vor zwei Monaten von einem | |
Soldaten, der auf seiner Anonymität besteht. Bei Treffen mit Reporter David | |
Zucchino habe der Soldat zur Begründung seines Schrittes seine „sehr, sehr | |
große Sorge“ genannt: wegen des Zusammenbruchs der Sicherheit, der | |
Disziplin und der Professionialität, und weil die Kolonne jetzt wieder in | |
Afghanistan im Einsatz sei. Er sagte, dass nahezu alle beteiligten | |
US-Soldaten Freunde durch Selbstmordattentate und Bomben verloren hätten. | |
## Offizier sorgt sich um Reaktionen in den USA | |
Das Pentagon hat vorab versucht, die Los Angeles Times von der | |
Veröffentlichung der Bilder abzuhalten. Die Argumente seines Ministeriums | |
wiederholte Panetta bei der Pressekonferenz in Brüssel: „Wir werden vom | |
Feind benutzt, um Gewalt anzustacheln.“ Die Bilder „können | |
antiamerikanische Gefühle“ auslösen. Im Weißen Haus verurteilte | |
Pressesprecher Jay Carney die blutige Inszenierung als „verwerflich“. | |
Zahlreiche Militärs kritisierten die Veröffentlichung der Fotos ebenfalls. | |
Weil sie „veraltet“ und schädlich für die Vertrauensbildung seien. In dem | |
öffentlichen Fernsehsender NPR sagte der pensionierte Oberst Bob Killebrew, | |
dass er weniger die Reaktionen in Afghanistan fürchte, als jene der | |
US-Öffentlichkeit. „Dies“, so Killebrew, „hilft uns nicht.“ | |
Die Redaktion der größten Zeitung des US-amerikanischen Westens beruft sich | |
auf ihre ChronistInnenpflicht. „Wir haben sorgfältig überlegt“, erkärte | |
Redakteur Dava Maharaj am Mittwoch in einem Chat mit LeserInnen: „Unser Job | |
ist es, Informationen zu veröffentlichen, damit unsere Leser informierte | |
Entscheidungen fällen können. Wir haben eine besondere Pflicht, energisch | |
und unparteiisch über alle Aspekte der amerikanischen Mission in | |
Afghanistan zu berichten.“ Um dem Verteidigungsministerium Gelegenheit für | |
zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen für US-Soldaten zu geben, verschob die | |
Zeitung die Veröffentlichung zuletzt um 72 Stunden. | |
Insgesamt hat die Los Angeles Times 18 Bilder. Nach Durchsicht entschied | |
die Redaktion, lediglich zwei davon zu veröffentlichen. Eines zeigt einen | |
feixenden US-Soldaten, auf dessen rechter Schulter die Hand eines toten | |
Afghanen liegt. Das andere zeigt Soldaten, die bluttriefende abgetrennte | |
Beine wie Trophäen hochhalten. Die nicht veröffentlichten Bilder sind laut | |
der Zeitung noch grauenhafter. | |
19 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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