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# taz.de -- Dortmund verteidigt seinen Meistertitel: Gier ist geil
> Dank eines überlegenen Konzepts wird Borussia Dortmund zwei Spieltage vor
> Schluss deutscher Meister: Jeder Spieler funktioniert im Kollektiv.
Bild: Überlegene Spielweise: Kapitän Sebastian Kehl (rechts) führte Dortmund…
DORTMUND taz | Zumindest einer der vielen tausend euphorisierten Dortmunder
hatte die Sache mit dem Feiern schnell abgehakt am Samstagabend, um sich
nach dem 2:0 gegen Borussia Mönchengladbach wieder dem Wesentlichen zu
widmen. Die Titelverteidigung des Revierklubs stand erst wenige Minuten
fest, die Südkurve schmetterte ergriffen ihre Lieder, da kickte Luis Kehl,
der Sohn des BVB-Kapitäns Sebastian, lässig mit anderen Kindern auf das Tor
vor der Nordtribüne.
In voller BVB-Montur ließ er sich vom Publikum für einen Treffer bejubeln.
Das war anrührend, während die Jubelchoreografie der Spieler drüben auf der
anderen Seite des Platzes von einer gewissen Routine geprägt war.
Der Biersponsor hatte eigens Mitarbeiter geschickt, die immer neue Humpen
auf den Rasen schleppten, kenntnisreich wurden die üblichen Rituale
durchgezogen, aber der Zauber der Einzigartigkeit des Vorjahres fehlte.
Diese Meisterschaft fühlt sich anders an als der Triumph vor einem Jahr.
Und fast alle Dortmunder versicherten: Sie fühlt sich noch besser an.
Nach dem Rausch der Meisterschaft 2011 sei die Titelverteidigung „deutlich
schwerer gewesen“, sagte Torhüter Roman Weidenfeller, „niemand hat uns mehr
unterschätzt“. Kevin Großkreutz erinnerte an die „schwere Phase zu Beginn
der Saison“, die Momente der Freude wirkten auf jeden Fall nachdenklicher,
reflektierter. Und vielleicht auch tiefer.
## Überlegenes sportliches Konzept
„Es gab selten einen verdienteren Meister als uns in dieser Saison“, sagte
Sportdirektor Michael Zorc, der BVB ist in diesem Jahr vom
Überraschungsmeister zum neuen Bundesliga-Giganten aufgestiegen. Alle
wissen jetzt, dass diese Dortmunder mehr sind als ein One-Hit-Wonder, und
diese Erkenntnis ist noch befriedigender als der süße Augenblick eines
überraschenden Titelgewinns.
Borussia Dortmunds sportliches Konzept ist den anderen 17 Bundesligisten
überlegen, und zwar nachhaltig. Auch deshalb sei „diese Meisterschaft
deutlich höher einzuschätzen als der Erfolg im Vorjahr“, meinte
Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Der BVB profitierte diesmal nicht von einem Krisenjahr des FC Bayern, und
dennoch holte der BVB aus den direkten Duellen mit dem Zweiten, dem Dritten
und dem Vierten der Tabelle 16 von 18 möglichen Punkten. Einfach mit dem
besseren Fußball, das war der Schlüssel zu diesem Erfolg.
Die Mannschaft sei gereift, sagte Watzke, „sie kann auch mal eine Balance
finden zwischen kontrolliert spielen und zustechen, kann mal drei, vier
Ballstafetten mehr einstreuen, um Tempowechsel zu kreieren“.
## Neid oder Missgunst scheinen fremd zu sein
Sogar ein Wort haben sie mit ihrem Stil semantisch umgedeutet. „Gier“ ist
der Fußballbegriff des Jahres, praktisch jedes Wochenende ist diese
ursprünglich negative Eigenschaft in den Analysen der Dortmunder
aufgetaucht. „Es ist der Charakter dieser Mannschaft, immer gierig zu
bleiben“, sagte Patrick Owomoyela nun erneut.
Der ehemalige Nationalspieler steht aber noch für einen anderen Aspekt
dieses Erfolges: Das soziale Gefüge dieser Dortmunder Mannschaft ist
wirklich etwas Besonderes. Gefühle wie Neid oder Missgunst scheinen dem BVB
fremd zu sein, Ersatzspieler wie Owomoyela sind konstruktiv eingebunden,
man kann das an den kleinen Dingen erkennen.
Lucas Barrios haderte in der Hinrunde für alle sichtbar mit seinem
Reservistendasein, in der Rückrunde ordnete er seine persönlichen
Interessen unter. Und im Moment des Triumphes tauchte sogar der Mainzer
Mohamed Zidan auf dem Rasen auf, mit Meister-T-Shirt und strahlenden Augen.
Zweimal durfte er vor seinem Wechsel in der Winterpause für den BVB
spielen, auch er darf sich als deutscher Meister betrachten. „Ich glaube,
diesen Zusammenhalt im Team, den gibt es in der Bundesliga nicht noch
einmal“, sagte Kevin Großkreutz. Coach Klopp behauptete gar: „Jeder Trainer
könnte mit diesen unglaublichen Jungs erfolgreich sein.“
## Nächstes Ziel ist der Pokalsieg
Praktisch jeder Spieler scheint in diesem Kollektiv zu funktionieren,
Robert Lewandowski entwickelte sich vom Ersatzmann zum Topstürmer, Jakub
Blaszczykowski hat dafür gesorgt, dass die monatelange Verletzung von Mario
Götze keinen Schaden angerichtet hat. Und Sebastian Kehl ist nach dem
Weggang von Nuri Sahin zum strategischen Herzen des Spiels geworden.
Dortmund ist einfach resistenter gegen Widrigkeiten als der Rest der Liga.
Für diesen fünften Meistertitel des BVB seit der Bundesligagründung 1963
dürfen sie sich jetzt einen zweiten Stern ins Trikot sticken – und auf
einen weiteren historischen Moment hoffen. „103 Jahre ist dieser grandiose
Klub, aber er hat noch nie das Double geholt – das haben wir jetzt vor“,
sagte Geschäftsführer Watzke. Wenn dieser Coup im Pokalfinale in drei
Wochen auch noch gelänge, gerät der Führungsanspruch des FC Bayern München
endgültig ins Wanken.
22 Apr 2012
## AUTOREN
Daniel Theweleit
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