# taz.de -- Theaterexperiment: Aliens im Arbeitslager | |
> Kommt man mit Utopien heutzutage noch weiter? Dieser Frage geht das | |
> Thalia-Theater in dem Stück "Fuck your ego!" nach - und kommt zu keiner | |
> Antwort. | |
Bild: Alltag in der Arbeitskolonie: Es wird viel marschiert in dem Stück "Fuck… | |
HAMBURG taz | Das Schöne am Theater ist, dass dort ausprobiert werden darf. | |
Manchmal gibt es kein Stück, sondern nur ein Thema oder auch eine | |
historische Begebenheit, die den Rahmen bildet für das Bühnengeschehen. Im | |
Fall von „Fuck your Ego!“ ist dieser Rahmen die Arbeitskolonie, die der | |
russische Pädagoge Anton Makarenko 1920 in der Ukraine gründete. Aus | |
verwahrlosten Jugendlichen wollte Makarenko den „Neuen Menschen“ formen. | |
Seine pädagogischen Prinzipien hielt er fest in dem Prosapoem „Der Weg ins | |
Leben“, das der Aufführung als Grundlage dient. | |
Auf der Bühne des Thalia-Theaters in der Gaußstraße befindet sich erst mal | |
– nichts. Der Schauspieler Sebastian Rudolph erklärt dem Publikum das | |
Setting: Arbeitskolonie, 1920. Dann marschieren sechs junge Menschen auf, | |
vier Männer, zwei Frauen. Alle tragen die Klamotten, die sie auch im Alltag | |
tragen könnten. Alle nennen sich bei dem Namen, der auch in ihrem | |
Personalausweis steht. Das Jahr 1920 ist weit weg. Hier geht es um ein | |
Experiment unter der Regie der estnischen Regisseure Tiit Ojasoo und | |
Ene-Liis Semper: Was würde passieren, wenn der Sebastian, der Bruno und die | |
Franziska von heute in der Arbeitskolonie von damals landen würden? Würden | |
sie mit ihrer heutigen Sehnsucht nach Veränderung an der damaligen Idee vom | |
„Neuen Menschen“ anknüpfen können? Würde es helfen, das eigene Ego zu | |
ficken und sich in den Dienst einer Utopie zu stellen? | |
Um das rauszufinden, probieren die Schauspieler Bestrafungsmethoden durch | |
das Kollektiv, probieren, ohne persönlichen Besitz auszukommen und machen | |
sich über Gerechtigkeit bei der Essensrationierung Gedanken. Sehr gerne | |
marschieren sie und lassen einen den Spieß spielen, der die anderen | |
probehalber zur Sau machen darf. Dabei kippt das Experiment in den Klamauk: | |
Ernst nehmen kann den militärischen Drill keiner. | |
Auch Sebastians Exkurs in das Geheimnis des Kartoffel-Pflanzens wird zur | |
Karikatur, ebenso wie eine Theateraufführung, die mit lustigen | |
Ganzkörperanzügen die Science-Fiction-Ästhetik der 1950er zitiert. | |
Irgendwie ein bisschen ernst ist es lediglich Bruno, der ein grandioses | |
Solo hinlegt zum Thema Krise. „Wir müssen etwas tun. Ich weiß nur nicht | |
was“, sagt er. Tja. | |
Man ahnt es schnell, die Suche nach einer aktuell brauchbaren Utopie läuft | |
ins Leere. Die Schauspieler geben sich redliche Mühe bei der | |
Selbstbefragung, finden aber keine Antwort. Das überrascht niemanden und | |
macht „Fuck your ego!“ zu einem naiv angelegten, aber phasenweise amüsanten | |
Abend. | |
## | |
27 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
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