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# taz.de -- Test vor der Turn-EM der Frauen in Brüssel: Eine zu ernste Sache
> Vor der Turn-EM in Brüssel hat das rumänische Team gezeigt, dass es immer
> noch eines der Besten Europas ist. An der Härte des Trainings hat sich
> nichts geändert.
Bild: Catalina Ponor in der Luft: Hauptsache, sie kommt wieder auf den Boden
Turnen ist Nationalsport in Rumänien, eine ernste Sache also. Zum letzten
Test vor der Europameisterschaft, die kommende Woche in Brüssel beginnt,
bot die einstige Topnation ihr bestes Team auf, zwei Olympiasiegerinnen
inklusive. So distanzierte Rumänien beim Länderkampf in Ulm am Samstag das
deutsche Team mit über zwölf Punkten, auf Rang drei nur knapp dahinter die
B-Mannschaft Großbritanniens.
Die Ergebnisse dieser Testwettkämpfe werden von der Konkurrenz
wahrgenommen, die Auswertung aller Punke führt zu recht zuverlässigen
Vorhersagen über den Ausgang der Saisonhöhepunkte. Mit 174,25 rangiert
Rumänien hier in Europa ganz weit vorn, allein Russland erturnte in den
letzten Wochen mit 177,3 mehr.
Octavian Bellu, der verantwortlichen Cheftrainer der Rumäninnen, findet
Platzierungen nicht so wichtig: „Es ist nur eine Etappe, auch die
Europameisterschaft ist nur eine Etappe,“ sagt er, „wir müssen unser
Programm verfolgen.“ Das rumänische Programm, sein Programm, mit dem er
zwischen 1990 und 2004 für 16 olympische Goldmedaillen sorgte, war zuletzt
nicht besonders erfolgreich.
Bei der Weltmeisterschaft in Tokio im vergangenen Oktober ging Rumänien
sensationell leer aus, was bislang nur ein einziges Mal geschah, 1981 in
Moskau. In Peking 2008 gab es lediglich Gold am Boden und Bronze für das
Team, im Mehrkampf blieben die Nachfahrinnen der legendären Nadia Comaneci
ohne Medaille. Betrachtet man die Entwicklung seit 2000, als das Team
gewann und die ersten drei Mehrkampfränge – Olympiasiegerin Andreea Raducan
wurde später wegen Dopings die Goldmedaille aberkannt – belegte, scheint
der Abstand zwischen Rumänien und den Topnationen USA, Russland und China
immer größer zu werden.
## Vorsichtig Optimistisch
In Ulm wirkt Meistertrainer Bellu vorsichtig optimistisch. Ihn
interessieren sowieso nur olympische Medaillen. „Das war ein normales
Ergebnis für mich,“ kommentiert er die Bedeutung der letzten WM, er hoffe,
es beim nächsten Mal besser zu machen, aber „das Turnen hört ja nicht mit
Tokio oder mit den Spielen in London auf.“ Momentan sieht es wieder etwas
besser aus: Sandra Izbasa, die in Peking Bodengold gewonnen hatte, ist nach
einem Achillessehnenabriss wieder dabei. In Ulm verzichtete sie zwar nach
dem Einturnen wegen Fußproblemen auf einen Start, laut Bellu aber eine
reine Vorsichtsmaßnahme.
Mit der erst fünfzehnjährigen Larisa Iordache hat Rumänien wieder
Aussichten auf eine olympische Mehrkampfmedaille. In Ulm gewann sie mit
fast fünf Punkten Vorsprung vor der zweitplatzierten Kim Bui aus Stuttgart.
Nicht zuletzt setzt Bellu auf Catalina Ponor, seinen letzten großen Star.
Sie war das Gesicht der Spiele von Athen 2004, Gold mit dem Team, am Balken
und am Boden. 2007 hörte sie mit dem Turnen auf, im letzten Jahr begann sie
wieder. „Ich habe das Turnen vermisst,“ gibt sie als Grund für ihr Comeback
an, „es ist wie eine Droge für mich, sehr sehr wichtig.“ Die knapp
25-jährige Frau präsentierte auch in Ulm ihre schwierigen Übungen mit
großer Souveränität und Eleganz.
Bellu schätzt ihren Einfluss auf die Jüngeren im Team, Catalina spreche
häufig von ihren Olympiasiegen, das sei eine große Motivation für die
Mädchen. „Ich ermutige sie,“ sagt Ponor, „Olympiasiegerin zu sein, ist e…
ganz besonderes Gefühl.“ Vor allem aber schätzt Bellu ihre
Trainingsbereitschaft. Sie trainiere intensiver, arbeite härter. „Sie ist
so erzogen, daß sie eine Menge arbeitet, das können die Kleinen im Moment
nicht.“ Das ist nicht nur ungewöhnlich – in der Regel reduzieren die
älteren Turnerinnen ihre Trainingsumfänge, um den Körper ein wenig zu
schonen.
## Konsquenzen aus den Umbrüchen
Hier klingt Kritik an, denn auch Bellu hatte der Arbeit in der Halle 2005
den Rücken gekehrt oder, je nach Lesart, wegen Kritik an seinem Regime
kehren müssen. Fortan kümmerte er sich im rumänischen Sportministerium um
die Verwaltung des Turnens im Land. Nach den ausbleibenden Erfolgen der
Turnerinnen unter Nachfolger Nicolae Forminte kehrte Bellu 2010 gemeinsam
mit Co-Trainerin und Frau Mariana Bitang zurück. Forminte, der mittlerweile
in Italien arbeitet, hatte in seiner Zeit recht offen über die
gesellschaftlichen Veränderungen in Rumänien gesprochen, auch darüber, dass
immer weniger junge Mädchen sich dem harten Trainingsalltag stellen.
Aus seiner Sicht galt es, aus diesen Umbrüchen auch Konsequenzen zu ziehen.
Bellu hingegen verfolgt weiter sein altes Erfolgsrezept, wenn auch nicht
mehr im legendären Zentrum in Deva. Im Olympiazentrum von Isvorani nahe
Bukarest bereitet sich das Team momentan vor. Zwischen fünf und sieben
Stunden pro Tag arbeiten die Mädchen in der Halle, Sonntags ist manchmal
frei, Schule ist zwischen dem Frühstück und der morgendlichen
Trainingseinheit.
Catalina Ponor sagt über das harte Training nur, „wenn die Ergebnisse
kommen, dann ist es egal.“ Auch über Geld möchte sie lieber nicht sprechen.
„Ich bin nur wieder dabei, um das Turnen zu genießen, das Geld kommt
später.“ Rund 1300 Euro monatlich erhält sie nach Auskunft von Bellu
momentan, deutlich mehr als der rumänische Durchschnitt.
Catalina wisse gut, worauf es ankommt in London, meint Bellu, es werde
nicht über Medaillen gesprochen. „Sie kennt die Vorteile eines guten
Ergebnisses,“ berichtet er, schließlich habe sie nach Athen „viel Geld, ein
Auto, ein Haus und anderes mehr“ erhalten. Auch die anderen Mädchen, die
noch nichts gewonnen haben, werden das wissen. Wie gesagt, in Rumänien ist
Turnen eine ernste Sache, vielleicht gar eine existentielle.
30 Apr 2012
## AUTOREN
Sandra Schmidt
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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