# taz.de -- Politiker-Boykott der Europameisterschaft: Kalter Krieg im Wassergl… | |
> Während Angela Merkel nicht in die Ukraine reisen will, ist man dort | |
> empört. Europäische Politiker suchen unterschiedlichen Umgang mit der | |
> Situation. | |
Bild: Diese Meisterschaft stinkt. EU-Kommissionspräsident Barroso erhält ein … | |
BERLIN dpa/afp | Der Umgang mit dem Fall Julia Timoschenko in der Ukraine | |
spaltet Europas Regierungen. Während Deutschland einen politischen Boykott | |
der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine erwägt, falls die in Haft | |
erkrankte Oppositionspolitikerin nicht freigelassen wird, ist eine Absage | |
in anderen europäischen Ländern kein Thema. | |
Ein Zeichen setzen wollen einige Regierungen trotzdem: Nach Bundespräsident | |
Joachim Gauck haben auch seine Amtskollegen aus Tschechien, Slowenien und | |
Österreich am Montag ihre Reisen zum geplanten Gipfeltreffen Mitte Mai in | |
der Ukraine abgesagt. | |
Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kündigte an, wegen der | |
Lage in der Ukraine bis auf weiteres auf einen Besuch in der früheren | |
Sowjetrepublik zu verzichten. „Nach jetzigem Stand hat Barroso keine | |
Absicht, in die Ukraine zu reisen oder an irgendwelchen Veranstaltungen in | |
der Ukraine teilzunehmen“, sagte seine Sprecherin Pia Ahrenkilde Hansen in | |
Brüssel. | |
## Sport als Geisel der Politik | |
„Wir hoffen, dass wir Entwicklungen sehen werden, die zu einem Ende dieser | |
sehr, sehr ernsten Lage beitragen können“, sagte die Sprecherin des | |
erklärten Fußballfans Barroso. Die Mitglieder der EU-Kommission hätten | |
keinen offiziellen Beschluss zu einem politischen Boykott der Ukraine | |
getroffen. Die EU-Behörde sei aber sehr besorgt angesichts der Vorgänge im | |
Land. | |
Derweil verschärft Kiew den Ton. Außenamtssprecher Oleg Woloschin warnte am | |
Montag vor "Methoden wie im Kalten Krieg" und davor, den „Sport zu einer | |
Geisel der Politik“ zu machen. | |
Auf die neuen Äußerungen aus Kiew reagierte die Fraktionschefin der Grünen | |
im Bundestag, Renate Künast. „Ich weise die Unterstellung, in Deutschland | |
würde mit Methoden des Kalten Krieges gearbeitet, scharf zurück“, erklärte | |
sie. Künast forderte die ukrainische Regierung „nachdrücklich“ dazu auf, | |
Timoschenko von Ärzten behandeln zu lassen, „denen sie vertraut“, und zur | |
Behandlung nach Deutschland ausreisen zu lassen. | |
Neben Deutschland werden auch in Italien Forderungen nach einem EM-Boykott | |
laut. Dieser solle ernsthaft geprüft werden, verlangte der Chef der | |
Zentrumspartei UDC, Pier Ferdinando Casini. Die Abgeordnete Anna Paola | |
Concia von der Mitte-Links-Partei PD rief Ministerpräsident Mario Monti | |
auf, „dem Beispiel von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu folgen“. Die | |
Regierung hielt sich am Montag bedeckt, Außenminister Giulio Terzi sprach | |
jedoch von großer Sorge um Timoschenko. Kiew müsse jetzt Licht in die | |
Vorwürfe bringen. | |
## Im Zweifel dafür | |
Dagegen lehnt Dänemarks Regierung, die derzeit auch die | |
EU-Ratspräsidentschaft innehat, einen Politiker-Boykott von EM-Spielen in | |
der Ukraine ab. Kulturminister Uffe Elbæk schrieb auf seiner | |
Facebook-Seite: „Ich war selbst im Zweifel. Aber meine Antwort lautet, dass | |
ich hinter der Teilnahme unserer Nationalelf bei der EM stehe. Auch durch | |
meine persönliche Anwesenheit.“ Sprecher der konservativen und | |
rechtsliberalen Opposition verlangten dagegen das Fernbleiben dänischer | |
Politiker von Spielen in der Ukraine. | |
Schweigen zum Thema herrscht in Bulgarien, Ungarn und Belgien. Die Länder | |
haben sich allerdings nicht für die Euro 2012 qualifiziert. Doch auch in | |
den Teilnehmer-Ländern Frankreich, England, Griechenland und Portugal ist | |
ein EM-Boykott kein Thema. Auch in Polen, dem Co-Gastgeberland der | |
Fußball-EM, herrscht Schweigen zu den Boykott-Forderungen. | |
Uneins sind sich die Regierungen auch im Fall der Konferenz | |
mitteleuropäischer Staatschefs Mitte Mai in der Ukraine. Die Veranstaltung | |
galt allerdings schon in der Vergangenheit nicht unbedingt als | |
Pflichttermin für Staatschefs. | |
## Aus terminlichen Gründen verhindert | |
Nach der Absage von Bundespräsident Joachim Gauck kündigten weitere | |
Staatspräsidenten an, nicht nach Jalta zu fahren, darunter der tschechische | |
Präsident Václav Klaus. Sein Sprecher Radim Ochvat sagte am Montag der | |
Nachrichtenagentur dpa, der Hauptgrund für die Absage seien Bedenken | |
angesichts der Inhaftierung der Ex-Regierungschefin Timoschenko. | |
Der österreichische Präsident Heinz Fischer wird ebenfalls nicht an dem | |
Treffen teilnehmen. „Die Reise wurde bereits vor vierzehn Tagen aus | |
terminlichen und inhaltlichen Gründen abgesagt“, sagte Sprecher Bruno | |
Aigner der dpa in Wien. Zuvor hatte bereits der slowenische Amtskollege | |
Danilo Türk abgesagt. Der Präsident habe „andere Verpflichtungen“, sagte | |
eine Sprecherin in Ljubljana. | |
Dagegen plant der slowakische Präsident Ivan Gasparovic „zumindest | |
vorläufig“ keine Absage. „Wir sind der Meinung, dass der offene Dialog, in | |
dem auch Vorbehalte unverblümt ausgesprochen werden können, der richtige | |
Umgang mit solchen Themen ist. Deshalb sagen wir die Reise vorläufig nicht | |
ab“, sagte sein Sprecher Marek Trubac. | |
Die Debatte um einen möglichen EM-Boykott in Deutschland hielt am Montag | |
an. Dagegen sprach sich der Vizepräsident des Internationalen Olympischen | |
Komitees, Thomas Bach aus. Boykotte hätten sich bislang "immer als ebenso | |
sinn- wie erfolglos erwiesen", sagte er HR-Info. Hessens Regierungschef | |
Volker Bouffier (CDU) sagte dem Bild Online, der Sport könne nicht lösen, | |
„was Staatengemeinschaften auch nicht lösen können“. Der FDP-Innenpolitik… | |
Serkan Tören erklärte dagegen, mit Blick auf die EM sei zu „überlegen, ob | |
es nicht besser ist, die Europameisterschaft ausschließlich auf | |
Austragungsorte in Polen zu beschränken“. | |
30 Apr 2012 | |
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