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# taz.de -- Oehlen-Ausstellung in Bonn: Unterm Mainstream hindurch
> Gemälde und Computerbilder: Das Kunstmuseum Bonn zeigt Werke von Albert
> Oehlen. Statt Abstraktion der Künstler Geschäftssinn zur Schau.
Bild: Oehlens „Vernzone“ von 1997.
Breite Pinselstriche, wie Spuren, die gelegt werden und wieder im Sande
verlaufen. Einziger vermeintlicher Orientierungspunkt in der linken
Bildhälfte ist ein ovales Symbol, vielleicht einer Schablone
nachgezeichnet.
Es übernimmt die Form der eingelassenen Sprechblase, wie sie es in der
alten Bundesrepublik über der Ladentheke an Bankschaltern und Postämtern in
Trennscheiben aus Panzerglas gegeben hat. Dahinter stählernes Grau. Daneben
und darüber liegen Farbschlieren, schmutzige Farbtöne in Schwarz und Braun.
Und ein Gelb, das unschwer als Signalfarbe der bundesdeutschen Post zu
erkennen ist.
„In jedem guten Kunstwerk ist ein Problem, und die Lösung kommt als
Überraschung“, erklärt der 1954 geborene Maler Albert Oehlen, von dem das
oben beschriebene Gemälde „Ohne Titel“ (1989) stammt.
„Postungegenständlichkeit“ bezeichnet zu jener Zeit aber nicht Oehlens
Verbeugung vor dem Philatelismus von CDU-Postminister Christian
Schwarz-Schilling und der ihm unterstehenden Behörde, sondern die Weigerung
des Künstlers, zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion Position zu
beziehen.
Als er „Ohne Titel“ 1989 fertigstellt, ist Oehlen in der zweiten Phase
seiner Karriere angelangt. Bekannt wurde er zehn Jahre zuvor mit ironisch
gebrochenen und in antiautoritärem Furor hingerotzten „Bad
Painting“-Bildern, entstanden analog zu Postpunk und New Wave, aus dem
Impuls heraus, „Unvereinbares zusammenzubringen“.
In Oehlens Fall etwa den Witz eines Sigmar Polke und den Radical Chic
seines Lehrers Jörg Immendorff. Oehlens Malerei wurde Ende der Siebziger
fälschlicherweise dem Dunstkreis der Neuen Wilden zugeordnet, war aber
politischer, artifizieller und theoretisch stärker unterfüttert als die
Werke der Berliner Neuen Wilden mit ihrem Gestus der Heftigkeit.
Ironie der Geschichte, dass in der alten Bundeshauptstadt Bonn nun eine
Ausstellung von Oehlens Werken seit den Achtzigern zu sehen ist. Und mit
den etwa 45 großformatigen, in mehreren lichtdurchfluteten Räumen
untergebrachten Gemälden lassen sich sehr schön die Verbindungslinien von
Oehlens Schaffen an der Schwelle von der alten Bundesrepublik zur Berliner
Republik bis nach heute betrachten. Die Ausstellung ist ausdrücklich nicht
als Retrospektive angelegt. In der nichtchronologischen Hängung kann sich
jeder seine eigene Zeitachse selbst zusammenbasteln.
## Antiautoritärer Furor
Im Gegenteil, schon der Albert Oehlen der ausgehenden Achtziger blieb
tagesaktuell und nahm die Deutungshoheit der Massenmedien auf, um sich ihr
mit seinem Werk in den Weg zustellen, Botschaften und Meinungen zu
übermalen. Was übrig bleibt, sind ein Auge hier, Fetzen von einer
Überschrift oder Ornamente von Mustern da. Verschleiert, überkritzelt,
zugekleistert, um das, was als „echt“ verkauft wurde, in Frage zu stellen.
Oehlen nahm die Banalität von Alltagsgegenständen in den Blick, mischte die
Formensprache von Werbeplakaten unter trockenen rheinischen Humor und
offenbarte eine Geistesverwandtschaft zum schwer ausrechenbaren Avant-Rock
des kalifornischen Musikers und Künstlers Captain Beefheart.
Statt Abstraktion und Gegenständlichkeit stellt Oehlen Geschäftssinn zur
Schau, inszeniert Kunst als konstruiertes Produkt und ersetzt Authentizität
durch Taktik, die ebenso flüchtig ist wie die Stile und Moden des Pop. Das
vor allem als Absage an den Ethos bundesdeutscher Malerfürsten. Eine
gelungene Gratwanderung, gerade weil da, wo „alles widerlegt und nichts
möglich ist, sehr viel ist, Platz einnimmt, Gestalt hat“ (Diedrich
Diederichsen im Katalog).
In den Neunzigern entwickelte Oehlen mithilfe eines Computers Zeichnen als
Programm. Oftmals in Schwarzweiß gehaltene und manuell nachbearbeitete
Wimmelbilder wie „Son of Dogshit“ (1997). Mit der Mouse gezogene Kreise,
Pixeltreppen und Spiralblöcke sind da zu sehen. Ausradiert, lückenhaft. Das
Gegenteil einer persönlichen Handschrift. Oder doch? Oehlen ließ sich
jedenfalls von den Möglichkeiten am Computer nicht einschüchtern, sondern
limitierte sich damit auf raffinierte Weise. „Durch die Unvollkommenheit
sitzt man ganz fest in der Zeit“, so Oehlen.
Genau wie die schlierigen Linien taucht auch die Farbe Grau in Oehlens Werk
der nuller Jahre wieder auf. Aus der Not geboren, weil der Künstler in
seinem spanischen Atelier nur noch grüne und rote Farbe zur Verfügung hatte
und ihre Mischung einen Grauschleier ergab. „Ich wollte noch stärkerfarbige
Bilder malen und habe mir die grauen als Therapie verordnet, um die Gier
nach der Farbe künstlich zu steigern.“ Die Farbe ist inzwischen wieder
vorhanden. Er übermalt jetzt Collagen.
## „Albert Oehlen“. Kunstmuseum Bonn, bis 3. Juni. Katalog HatjeCantz, 29
Euro
3 May 2012
## AUTOREN
Julian Weber
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