# taz.de -- Versteigerungsrekord für Munchs „Schrei“: Die Mona Lisa der Mo… | |
> Rekord in 13 Minuten: Für 107 Millionen Dollar wurde Edwards Munchs | |
> „Schrei“ versteigert. Das Auktionshaus Sothebys schweigt zur | |
> zweifelhaften Herkunft des Bildes. | |
Bild: 107 Millionen Dollar wert: Edward Munch „Der Schrei“ (Auszug). | |
Es ist die Mona Lisa der Moderne. Ein Gefühlsausbruch, der bis heute | |
nachhallt. Wie lieblich war doch einst das Lächeln der großen Unbekannten | |
des Leonardo da Vinci, wie harmonisch und wie zart besaitet. | |
Doch zu all dem Ebenmaß ist das hier kein Vergleich. Der Norweger Edward | |
Munch war 29 Jahre alt, als er in Paris mit den Vorskizzen zu einem Gemälde | |
begann, das die Welt bis heute in Atem hält: „Skrik“ – der Urschrei des … | |
Jahrhunderts; eine „anarchistische Provokation“, wie Zeitgenossen bald | |
schon krittelten. | |
Heute ziert Munchs Bild Kaffeebecher, Werbelogos, Aufblaspuppen. Es ist | |
zitiert, geklaut und durch die Popkultur genudelt worden. Und all das im | |
Dienst einer simplen Botschaft: „Schrei, wenn du kannst!“ Welch Wohltat in | |
einer Welt der Ausgebrannten und der Abgespannten. | |
## Rekord in 13 Minuten | |
Jetzt ist Munchs „Der Schrei“ für sagenhafte 107 Millionen Dollar – ohne | |
Aufgeld – unter den Auktionshammer gekommen. Ganze 13 Minuten hatte es am | |
Mittwochabend an der York Avenue 1334 in New York gedauert, bis „Der | |
Schrei“ einen neuen Versteigerungsrekord bei den Gemäldeauktionen erzielen | |
konnte. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa hat das Herrscherhaus | |
des Golfemirats Katar den Zuschlag bekommen. | |
Sotheby’s hatte Munchs „Schrei“ bereits Monate vor der Auktion auf große | |
Ausstellungstour geschickt – von Amerika bis nach Asien. Alles, um den Hype | |
um Munchs tiefe Verstörung langsam und mit Bedacht vorzuköcheln. | |
Die Rechnung ist aufgegangen. Los Nummer 20, das mit einem Gebot von 40 | |
Millionen Dollar gestartet war, hat sich erwartungsgemäß als große Nummer | |
entpuppt. Großes Geld für große Gefühle. Und das in einem Format von gerade | |
einmal 79 mal 59 Zentimeter. | |
Vier Versionen hatte der an einer bipolaren Störung leidende Munch zwischen | |
den Jahren 1895 und 1910 von dem Bild angefertigt – zwei in Öl und zwei in | |
Pastell. Sie waren Teil einer Serie mit dem Titel „Fries des Lebens“; ein | |
Zyklus, der geprägt war von dem vorangegangenen Tod seines Vaters und dem | |
apokalyptischen Untergrund des Fin de Siècle; von Todesfurcht und | |
Lebensangst. | |
## Lücke in der Herkunft | |
Doch von all der Schwärze des Werks war nach dem Weltrekord vom Mittwoch | |
nichts mehr zu spüren. Dabei hatte es im Vorfeld der Auktion berechtigte | |
Kritik gegeben: Nachfahren des jüdischen Bankiers Hugo Simon, in dessen | |
Besitz sich Munchs Pastell bis 1937 befunden hatte, hatten auf eine Lücke | |
in der Provenienz des Bildes aufmerksam gemacht. Bis heute sei nicht | |
geklärt, unter welchen Umständen und zu welchem Preis Simon das Pastell | |
damals hatte verkaufen müssen. | |
Hugo Simon, der mit Thomas Mann und Albert Einstein befreundet war, hatte | |
sich bereits 1933 auf der Flucht vor den Nazis befunden. Über Frankreich | |
war er schließlich nach Südamerika gelangt. Große Teile seiner | |
Kunstsammlung hatte er jedoch dabei zurücklassen müssen. | |
Das Auktionshaus Sotheby’s ließ diese Geschichte vor der Auktion in weiten | |
Teilen unerwähnt. Justiziabel ist sie ohnehin nicht mehr. Was sollen schon | |
echte Gefühle, wenn es darum geht, die teuerste Depression der | |
Weltgeschichte an den Mann zu bringen. | |
3 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Hanselle | |
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Kommentar „Der Schrei“: Zum Schreien | |
Der Wert der Kunst war, ist und bleibt Behauptung. Die irrsinnigen Summen, | |
die gezahlt werden, sind realer Wahnsinn, der mit rationaler Marktlogik | |
nichts zu tun hat. |